II, Theaterstücke 5, Liebelei. Schauspiel in drei Akten, Seite 670

Liebele
5.1 box 11/2
Dr. Max Goldschmidt
Bureau für
Zeitungsausschnitte
Berlin N. 24. Telephon: III. 5051.
Ausschnitt aus
k. 1904
—um— Stadttheater. 3. Gastspiel Agnes
Sorma. Arthur Schnitzler, „Liebelei“.
Töchter“
Felie Cavalokki,
Der Eindruck des Schnitzlerschen Stückes, der jedes
Mal wiederkehrt: Zorn, Trauer und Wehmut
wollen einen übermannen, und, wenn man zur
Feder greifen muß, um sich auszusprechen über das
Gehörte und Geschaute, möchte man in brennenden
Lettern eine Philippika vom Stapel lassen, gegen —
ja, gegen wen denn? Da steht es auf dem Theater¬
zettel: „Fritz Lobheimer, Theodor Kaiser, junge
Leute.“ „Junge Leute“ weiter nichts. Wir hören
auch, daß sie Studenten sind und Reserveleutnants,
nette, manierliche junge Herren, denen kein Mensch
etwas Schlimmes nachsagen kann, aber auch nichts sonder¬
lich Gutes und Großes. Sie sind eben das Eine
wie das Andere je nachdem, in welcher Lage sie die
Zufälligkeiten des Lebens bringen — im eigensten
Sinne des Wortes „relative“ Menschen. Sie
wollen auch garnichts anderes sein, denn sie haben
eine Abneigung gegen alles „Aufregende“ und vor
allem, wenn dieses Epitheton vor dem Objekt —
nicht Subjekt — „Weib“ steht. Man hat diese
Fritzis und Doris auch „Lebebuben“ genannt —
heileibe nicht Lebemänner, das wäre schon
viel.... Ehre. Aber sie wollen nicht nur selbst
nichts anders sein, sie verlangen auch, daß diejenigen
zu denen sie in Beziehungen treten, ebenso „relas
tive“ Menschen seien, wie sie. Und sie finden
dabei auch Entgegenkommen — Gott, man kenn
sich doch schon aus in diesen Verhältnissen
die Mama aus dem Hinterhause in Sudermanns
„Ehre“, weiß ebenso wohl wie die Mieze
in der „Liebelei“, was es damit auf sich hat: „Sie
geht mit ihm.“ Und wenn es eben nicht weiter
„geht, dann läßt man ihn eben „gehen" und
wartet bis Einer kommt, der ernste Absichten hat.
Warum soll man „seine Jugend zum Fenster
hinauswerfen?“ sagt ja auch der alte brave
Weiring, der doch so hoch über jenen „jungen
Leuten“ steht. Und wenn man nicht einmal
Erinnerungen hat.
Und der Zorn weicht der Wehmut. Von dieser
Wehmut, wie von dem goldenen Schimmer der
Abendsonne, überflutet ist der wundervolle zweite
Akt. So lieb und gut und innig das schlichte
Mädchen, die Christin', die eins ist mit der
heimeligen, schlichten Stube, in der man sich so
geborgen fühlt, die aber auch einen schönen Aus¬
blick hat, aus dem blanken Fenster über Giebel und
Dächer in weite, verblauende Fernen, wo das
Glück wohnt. Ist es nicht wie ein Symbol, dieses
Stübchen, so anspruchslos und so hoch über der
großen Stadt mit ihrem Lärm und ihren „nichtigen
Zufällen?“
Dem Zauber dieser schlichten Stube mit dem
sonnigen Ausblick, dem Zauber des demütigen
Herzens mit dem unsagbaren Sehnen nach einem