II, Theaterstücke 5, Liebelei. Schauspiel in drei Akten, Seite 687

Liebelei
5. box 11/2
Hent. Kegenlingen, Lonien. Pee . en ensn
New-Vork, Paris, Rom, San Francisco, Stockholm, St. Peters¬
burg, Toronto.
(Quellenangabe ohne Gewähr).
Ausschnitt aus:
17.0KLSGSchewE
Czernic
vom:
Theater und Kunst.
Czernowitz, 16. Oktober.
„Liebelei“ von Arthur Schnitzler. Das kleine schlanke
Drama Schnitzlers, das zuerst seinen Ruhm als Bühnendichter
begründete und das so sehr wienerisch ist und erfüllt von Lachen und
Tränen, von der so herzhaften, bald verträumten, bald unbe¬
kümmerten Art des Wienervolkes, es erfordert eine unsagbar
delikate und naturtreue Darstellung. Es handelt von einem
Glück, das verfliegt, von trügerischen Stunden, von Ahnungen,
Zweifeln, von Lebenssicherheit und Lebensangst. Der eine der
beiden jungen Leute ist ein Abkömmling des Anatoltypus, den
Schnitzler zuerst geschaffen und er ist einer, der mit dem Leben
experimentiert, bis es jäh mit folgenschweren Entscheidungen an ihn
herantritt. In einer Stunde des Jubels, so wie ihn die Jugend
nur empfinden kann, tritt in der Gestalt eines fremden Herrn
der Tod in das festlich erleuchtete Zimmer. Eine Melodie wird
jäh unterbrochen, ein feines, kaum begonnenes Lustspiel in eine
Tragödie gewandelt. Und noch einmal preßt Fritz Lobheimer sein
zartes, eben erwachtes Glück an sich und geht in den Tod. Von
allen Schnitzlerischen Dramen ist dieses das einfachste, von der
erdrückenden Last der Reflexion unbeschwert und voll eines
blühenden Lebens. Ein graziöser Contredanse von Kontrast¬
gestalten: Fritz und Theodor, Christine und Mizzi. Das Pathos
ist vermieden. Ein trauriger Aufschlag der Augen wie in einem
Entsetzen vor der Enttäuschung, Melancholie, die hinweggelächelt
wird bei den einen und ein gesunder, froher Sinn, der das
Leben wie einen Humor hinnimmt bei den anderen. Diese
Gestalten sind fein skizziert mit der zarten Kunst eines Zeichners.
Die Stimmung dieser Stunden zwischen Tod und Leben und
diese leichte und doch markante Charakerisierung muß
von der Darstellung festgehalten werden. Namentlich Christive
muß ihren Ausdruck suchen in einer seinen Geste, in
weiblichen Holdseligkeiten, bis sie zu dem elementaren Aus¬
druck der herben Tragik, von der sie erfaßt wird, gelangt. Aus
kleinen Zügen ist die Gestalt zu formen. Viel von all dem ge¬
langte in der gestrigen Aufführung nicht recht zum Leben, der
Sinn der feinen Worte nicht zu entsprechendem Ausdruck. Dem
Stücke wurde der Duft seiner Stimmung genommen. Man hatte
sich, indem man Frl. Halpern mit der Darstellung der
Christine betraute, in ein Experiment eingelassen, das mißlang.
Man hatte ein Experiment unternommen, trotzdem man wußte,
daß man in Frl. Nedelko eine entsprechendere Darstellerin
der Christine besitzt. Eine derartig verfehlt: Besetzung einer
Hauptrolle ist in entschiedener Weise zu tadeln. Frl. Halperns
Talent ist ein noch zu unausgewachsenes, ein noch zu scheues
und von psychologischem Wissen und vertiefter Empfindung noch
zu wenig durchdrungen. Sie trug so die Farben und Töne in
zu matter Weise auf, war zu matt und eintönig in ihrem Senti¬
ment und nicht stark genug im tragischen Akzent. Und genau so
ausdrucksarm und mit einer Sündermiene gestaltete Herr
Stengl den Fritz. Mizzi Schlager hatte es leicht, die
weibliche Hauptgestalt des Stückes zu werden, zumal sie
in Fräulein Trauner eine humorbegabte, aller Details
sichere und ungemein liebenswürdige Darstellerin fand. Es gab
so mehr Sonnenschein als Tragik in dem Stück. Woran es
Heira Reißner fehlt und wohl stets fehlen wird, das wollen
wir hier nicht auseinandersetzen. Er benützte als Theodor die
letzten Mittel, über die er verfügt mit vieler Geschicklichkeit.
Kraft war all das nicht. Hingegen sind wir jetzt in der ange¬
nehmen Lage Herrn von Pindo fast uneingeschränktes Lob zu
spenden. Er spielte den Musiker Weiring, eine Gestalt, die
Sonnenthal mit so ergreifender Innigkeit und Gemütstiefe dar¬
stellt. Schon die äußere Charakterisierung durch Herrn von Pindo
war eine ungemein feine. Zuerst ein wenig verhalten, in aller
Wärme gedämpft, fand der Darsteller in der Schlußszene schlichte
und doch erschütternde Akzente, und die ganze Noblesse der Gestalt
wirkte ungemein sympathisch und erwärmend. Als fremder Herr
—n der kurzen, aber bedeutungsvollen Episode verdient auch Herr
Stärk Anerkennung. Ein wenig humorvoller hätte die Kathariva
Binder ausfallen können als sie Frl. Kühnau zu bieten
vermochte.
h. m.