Liebelei
5
box 11/2
„
Telephon 12.801.
„UBOERTER
I. österr. behördl. konz. Unternehmen für Zeitungs-Ausschnltte
Wien, I., Concordiaplatz 4.
Vertretungen
in Berlin, Basel, Budapest, Chicago, Cleveland, Christiania,
Genf. Kopenhagen, London, Madrid, Mailand, Minneapolls,
New-Vork, Paris, Rom, San Francisco, Stockholm, St. Peters¬
burg, Toronto.
Quellenangabe ohne Gewähr.
Ausschnitt aus:
Daut
Ko
vom:
K
Cheater.
„Liebelei“ (Schauspiel von Schnitzler).
Schauspiel
Montag abends ging Schnit
4
„Liebelei“ über die Bi#runseres Stadttheaters. 2.
Eine Variation jenes Motios, das der Autor oftg
schon, früher und nachher mit Glück b handelt hate#
Dis Verhältnis zwischen Mann und Web als Aus¬
fluß divergierender individueller Veraulagung, als!
Konsequenz verschi dener Auffassung über das Soll“:
im sexuellen Leben. Der Schriftst ller macht sich die?
Kenntusse des Arztes zu Nutze. Er, der gewohnt ist,:
A1
mit dem Seziermesser Faser um Faser im mens#h#ichen
Körper zu zergliedern, um die Lösung eines inter¬
essanten Rätsels zu finden, der feine Beobachter, macht
die Ergebnsse seiner Studien zum Vorwurf von
Dramen. Od nun Schnitzler die psychischen Qualen
einer erbarmungswürdigen Kreatur schitdert, der die
—
Wissenschaft Tag und Stunde ihres Lebensendes vor¬
hersagt, ob er den Seelenkampf jenes Weibes zeichnet,
das sich über Konvention und ihr Steckenpferd, die
Moral, mit bewunderungswürdigem Mut hinwegsetzt,
das Leben an der Seite ihres angetrauten Gatten eine
Episode, ein Zwischenspiel werden läßt, um ihrem
Trieb zu leben, immer ist es der feine Psycholog, der
künstlich die Brücke von der Wissenschaft, der Prosa
zur Poesie geschlagen hat. „Liebelei“ dankt ihre Ent¬
stehung wohl mehr dem Poeten als dem Arzt. Ein
Wiener Mädel, das mit jeder Faser ihres Wesens
lieht und — jedeufalls paradox in Anbetracht des
Milieus — wieder geliebt zu werden wünscht. Daneben
zwei junge Leute, denen die Stunde, in der sie leben und
lieben, so viel fröhliche Lust, so viel Glück bietet,
daß sie, dankbar dem Schicksal, um die nächste Stunde
zu kümmern, sich nicht träumen lassen. Zerstrent da¬
zwischen Wiener Humor und Wiener Sentimentalität ...
Frl. Trauner bot als Mizzi wieder einmal
eine schöne Probe ihres bedeutenden Talents: das
Wiener Mädel, lustig und toll, zu jedem G'spaß auf¬
gelegt, aber auch aufopfernd in ihrer Herzensgüte,
keine Opfer für einen Freundschaftsdienst scheuend. Frl.
Trauner wirkte influenzierend heiter in ihrer natür¬
lichen frischen, bezwingenden Munterkeit, innig rührend
mit ihren warmen Tönen des Sentiments. Mit Geschick
sekundierte ihr Herr Reißner als Theodor. Frl.
Halpern (Christine) kämpfte mit einer kleinen In¬
disposition. So fehlte ihr stellenweise, im letzten Akt
besonders, die Kraft, um den über das arme Geschöpf
jäh hereinbrechenden Schmerz entsprechend zum Aus¬
druck zu bringen. Ohne jede Individualisierung spielte
Herr Stengel den Fritz. Die Regie des Herrn
Stärk, der auch den „Herrn“ eindrucksvoll spielte,
k—1.—
verdient uneingeschräuktes Lob.
Feuisseton. 7 u
74
Theater.
Dezember Schnitlersiebelei“ gespielt.
Den alten Musikus Wetting gab Hr. Joseph Dan¬
egger, zurzeit in Berlin, der als Ersatz für Hrn.
Wilh. Mauren in Aussicht genommen ist; auch dessen
Tätigkeit als Regisseur würde ihm üb rbunden werden.
In seinem Aeußern ist Hr. Danegger das komplette
Widerspiel des Hrn. Mauren: er ist eher klein und ent¬
behrt aller Leibesfülle. Er stimmte die Figur des Wiener
Musikers mit viel liebevollem, charakteristischem Detail
auf den herzlichen, milden, verst henden und darum
verzeihenden Ton, mit dem der Dichter diesen Schubert¬
Verehrer ausgestattet hat. Namemlich im letzten Akt
gewann sein Spiel eine rührende Eindringlichkeit. Wie
der mit seinen weichen Händen sein einziges Kind tröstend
liebkost, wie er es mit ängstlicher Sorgfalt umgibt, ihm
das Dasein verlockend und süß zu machen sucht (obschon
er an die Wirksamkeit seiner Worte selbst nicht recht zu
glauben wagt), und wie er dann in schmerzlichem Auf¬
schrei zusammenbricht, da er seine Chr.stine auf Nimmer¬
wiedersehen seinen Händen entschlüpfen und in den Tod
eilen sieht — das war recht schön durchempfunden und
lebensvoll gestaltet. Am Dienstag spielte dann Hr. Dan¬
legger den Grillhofer in Anzengrubers „G’wissenswurm“.
welche Komödie man als drute Volksvorstellung im
Stadttheater gab vor einem zohlreichen, mit viel
halowüchsiger Jugend durchsetzten, vergnügten Audito¬
rium. Auch hier sah man sich einem g####ten kräftig
und doch nicht aufdringlich charakterisierenden Schauspieler
gegenüber, dem es an der vis comica durchaus nicht
fehlt. Die Regiefähigkeiten Hrn. Daneggers zu beur¬
teilen, ist natürlich unmöglich. Das wird erst die Zu¬
kunft lehren einmal, wenn der Gast in den Verband
unseres Schauspielpersonals eingetreten ist.
Die Aufführung der „Liebelei“, um von dieser noch
ein Wort zu sagen, vermochte nicht allen Anforderungen
gerecht zu werden. Frl. Herterich, lieb und innig in
ihrer anschmieg nden Hingebung, ließ im dritten Akte
die heißen leidenschaftlichen Herzenslaute zu sehr ver¬
missen; so blieb die seellsche Steigerung, die sich in
Christine in diesen Augenblicken des bittersten Schmerzes
vollzieht, mehr nur in den Konturen angedeutet. Und
das raubte dem Schluß einen guten Teil seiner ergreifen¬
den Eindringlichkeit. Bei Frl. Werner als Mizi Schlager
klang manches zu spitz und berechnet; das naio Leicht¬
sinnige, das Schnitzler hier so köstlich zu der tiefgründigen
Natur Christtens kontrastiert hat, trat nicht sonnig
und ursprünglich genug heraus. Hr. Achterberg hielt sich
als Fritz Lobheimer recht wacker; nur dürfte er eleganter,
wel männischer aussehen, er trug sich etwas gar zu ge¬
mütlichbieder. Hrn. Metzls Theodor Kaiser gehört zu
seinen besten Leistungen.
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Telephon 12.801.
„UBOERTER
I. österr. behördl. konz. Unternehmen für Zeitungs-Ausschnltte
Wien, I., Concordiaplatz 4.
Vertretungen
in Berlin, Basel, Budapest, Chicago, Cleveland, Christiania,
Genf. Kopenhagen, London, Madrid, Mailand, Minneapolls,
New-Vork, Paris, Rom, San Francisco, Stockholm, St. Peters¬
burg, Toronto.
Quellenangabe ohne Gewähr.
Ausschnitt aus:
Daut
Ko
vom:
K
Cheater.
„Liebelei“ (Schauspiel von Schnitzler).
Schauspiel
Montag abends ging Schnit
4
„Liebelei“ über die Bi#runseres Stadttheaters. 2.
Eine Variation jenes Motios, das der Autor oftg
schon, früher und nachher mit Glück b handelt hate#
Dis Verhältnis zwischen Mann und Web als Aus¬
fluß divergierender individueller Veraulagung, als!
Konsequenz verschi dener Auffassung über das Soll“:
im sexuellen Leben. Der Schriftst ller macht sich die?
Kenntusse des Arztes zu Nutze. Er, der gewohnt ist,:
A1
mit dem Seziermesser Faser um Faser im mens#h#ichen
Körper zu zergliedern, um die Lösung eines inter¬
essanten Rätsels zu finden, der feine Beobachter, macht
die Ergebnsse seiner Studien zum Vorwurf von
Dramen. Od nun Schnitzler die psychischen Qualen
einer erbarmungswürdigen Kreatur schitdert, der die
—
Wissenschaft Tag und Stunde ihres Lebensendes vor¬
hersagt, ob er den Seelenkampf jenes Weibes zeichnet,
das sich über Konvention und ihr Steckenpferd, die
Moral, mit bewunderungswürdigem Mut hinwegsetzt,
das Leben an der Seite ihres angetrauten Gatten eine
Episode, ein Zwischenspiel werden läßt, um ihrem
Trieb zu leben, immer ist es der feine Psycholog, der
künstlich die Brücke von der Wissenschaft, der Prosa
zur Poesie geschlagen hat. „Liebelei“ dankt ihre Ent¬
stehung wohl mehr dem Poeten als dem Arzt. Ein
Wiener Mädel, das mit jeder Faser ihres Wesens
lieht und — jedeufalls paradox in Anbetracht des
Milieus — wieder geliebt zu werden wünscht. Daneben
zwei junge Leute, denen die Stunde, in der sie leben und
lieben, so viel fröhliche Lust, so viel Glück bietet,
daß sie, dankbar dem Schicksal, um die nächste Stunde
zu kümmern, sich nicht träumen lassen. Zerstrent da¬
zwischen Wiener Humor und Wiener Sentimentalität ...
Frl. Trauner bot als Mizzi wieder einmal
eine schöne Probe ihres bedeutenden Talents: das
Wiener Mädel, lustig und toll, zu jedem G'spaß auf¬
gelegt, aber auch aufopfernd in ihrer Herzensgüte,
keine Opfer für einen Freundschaftsdienst scheuend. Frl.
Trauner wirkte influenzierend heiter in ihrer natür¬
lichen frischen, bezwingenden Munterkeit, innig rührend
mit ihren warmen Tönen des Sentiments. Mit Geschick
sekundierte ihr Herr Reißner als Theodor. Frl.
Halpern (Christine) kämpfte mit einer kleinen In¬
disposition. So fehlte ihr stellenweise, im letzten Akt
besonders, die Kraft, um den über das arme Geschöpf
jäh hereinbrechenden Schmerz entsprechend zum Aus¬
druck zu bringen. Ohne jede Individualisierung spielte
Herr Stengel den Fritz. Die Regie des Herrn
Stärk, der auch den „Herrn“ eindrucksvoll spielte,
k—1.—
verdient uneingeschräuktes Lob.
Feuisseton. 7 u
74
Theater.
Dezember Schnitlersiebelei“ gespielt.
Den alten Musikus Wetting gab Hr. Joseph Dan¬
egger, zurzeit in Berlin, der als Ersatz für Hrn.
Wilh. Mauren in Aussicht genommen ist; auch dessen
Tätigkeit als Regisseur würde ihm üb rbunden werden.
In seinem Aeußern ist Hr. Danegger das komplette
Widerspiel des Hrn. Mauren: er ist eher klein und ent¬
behrt aller Leibesfülle. Er stimmte die Figur des Wiener
Musikers mit viel liebevollem, charakteristischem Detail
auf den herzlichen, milden, verst henden und darum
verzeihenden Ton, mit dem der Dichter diesen Schubert¬
Verehrer ausgestattet hat. Namemlich im letzten Akt
gewann sein Spiel eine rührende Eindringlichkeit. Wie
der mit seinen weichen Händen sein einziges Kind tröstend
liebkost, wie er es mit ängstlicher Sorgfalt umgibt, ihm
das Dasein verlockend und süß zu machen sucht (obschon
er an die Wirksamkeit seiner Worte selbst nicht recht zu
glauben wagt), und wie er dann in schmerzlichem Auf¬
schrei zusammenbricht, da er seine Chr.stine auf Nimmer¬
wiedersehen seinen Händen entschlüpfen und in den Tod
eilen sieht — das war recht schön durchempfunden und
lebensvoll gestaltet. Am Dienstag spielte dann Hr. Dan¬
legger den Grillhofer in Anzengrubers „G’wissenswurm“.
welche Komödie man als drute Volksvorstellung im
Stadttheater gab vor einem zohlreichen, mit viel
halowüchsiger Jugend durchsetzten, vergnügten Audito¬
rium. Auch hier sah man sich einem g####ten kräftig
und doch nicht aufdringlich charakterisierenden Schauspieler
gegenüber, dem es an der vis comica durchaus nicht
fehlt. Die Regiefähigkeiten Hrn. Daneggers zu beur¬
teilen, ist natürlich unmöglich. Das wird erst die Zu¬
kunft lehren einmal, wenn der Gast in den Verband
unseres Schauspielpersonals eingetreten ist.
Die Aufführung der „Liebelei“, um von dieser noch
ein Wort zu sagen, vermochte nicht allen Anforderungen
gerecht zu werden. Frl. Herterich, lieb und innig in
ihrer anschmieg nden Hingebung, ließ im dritten Akte
die heißen leidenschaftlichen Herzenslaute zu sehr ver¬
missen; so blieb die seellsche Steigerung, die sich in
Christine in diesen Augenblicken des bittersten Schmerzes
vollzieht, mehr nur in den Konturen angedeutet. Und
das raubte dem Schluß einen guten Teil seiner ergreifen¬
den Eindringlichkeit. Bei Frl. Werner als Mizi Schlager
klang manches zu spitz und berechnet; das naio Leicht¬
sinnige, das Schnitzler hier so köstlich zu der tiefgründigen
Natur Christtens kontrastiert hat, trat nicht sonnig
und ursprünglich genug heraus. Hr. Achterberg hielt sich
als Fritz Lobheimer recht wacker; nur dürfte er eleganter,
wel männischer aussehen, er trug sich etwas gar zu ge¬
mütlichbieder. Hrn. Metzls Theodor Kaiser gehört zu
seinen besten Leistungen.