Liebelei
5. Aunaen bos 1172
worbei= war.
aenetn
90
Strumpfwirkerin und ihr Töchlerlein — wie dilettantisch
Menschen der Handlung aufge¬
Kammerspiele
sind all diese
pfropft! Dabei gehen und kommen die Per¬
70
des Deutschen Theaters.
isonen wie auf einem öffentlichen Platze. Cristinens
Liebelei.
Zimmer betritt jeder, des es gefällt und den der
Dichter gerade nötig hat; offenbar besitzen die Herrschaften
Schauspiel in drei Akten von Arthür Schnitzler.
Vielleicht macht sich nach zwanzig oder fünfundzwanzig sämtlich Korridorschlüssel. Daß der Souperszene Originali¬
tät und Humor völlig mangeln und daß deshalb die unauf¬
Jahren ein ironisch veranlagter Theaterdirektor den Spaß,
hörliche Heiterkeit des Fräuleins Mizzi über gar nicht ge¬
seinem Publikum all die Stucke vorzuführen, die in der
machte Witze sehr befremdlich anmutet; daß die weltmänni¬
„Blütezeit des realistischen Dramas“ als Meisterwerke ge¬
schen Lebensanschauungen des Freundes — bei Schnitzler
golten haben. Wenn einheitliches Kopfschutteln über den
hat der Held immer einen Freund mit Lebensanschauungen
unerklärlich schlechten Geschmack unseres Zeitalters und all¬
schon sehr oft von andeter Seite zu Gehör gebracht wor¬
gemeiner Gähntsampf die Merkmale des durchschlagenden
den sind; daß schließlich die milde Auffassung des alten
Erfolges sind, de in wäre dem wagemutigen Witzbold der
größte Erfolg des ahrhunderts sicher. Und den Preis trüge Heren Weiring über Cristinene Fehltritt nicht aus dem
Herzen eines Vaters, sondern aus der befleckten Phantasie
unter all den verstaubten Langweilereien wahrscheinlich
Schnitzlers „Liebelei“ davon. Sie würde als der schrecklichste eines Mädchenjägers kommt, das alles sei nur noch nebenher
bemerkt. Aber es verstärkt die Abneigung gegen das mi߬
der Schrecken ausgerufen werden.
lungene Stück, das man aus seiner Grubesruhe nicht hätte
Diese Unzulänglichkeit in drei Akten nennt man noch
aufscheuchen sollen.
heute, wo doch auch hartnäckig Blinden die Augen aufgegangen
Fräulein Höflich lieh der Christine von vornherein
sein müßten, Schnitzlers „liebenswürdigste und feinste“
Arbeit. Ich hätte gegen die Charakteristik nichts einzu= einen Jammerton, der auf die Nerven fiel und jeden Lieb¬
wenden, wenn sie ganz objektiv Schnitzlers, und nur Schnitz= haber sofort abgeschreckt hätte. In Erscheinung und Wesen
lers Stücke untereinander abwöge. Kann ich mir doch denken, war nichts von dem vielberusenen süßen Wiener Mädel zu
daß einer oder der andere die „Liebelei“ verhältnismäßig spüren. Ihr Schatz, das Lebeknäblein Fritz, blieb in der
immer noch höher als den „Schleier der Beatrice“, den „Ruf! Darstellung des Herrn Dumont ein kläglicher dummer
Junge ohne Hirn und Gemüt. Besser faßte, wenigstens im
des Lebens“ und dergleichen Schöpfungen stellt. Leider ist
ersten Akt, Herr Eckart den vergnügten, leichtsinnigen
abee mit der oben erwähnten Kennzeichnung der „Liebelei“
Freund; später kam auch er nicht mehr gegen die Leichen¬
ein ganz bestimnttes Werturteil, ein Lob allgemeiner Natur
bitterstimmung der anderen auf. Im dritten Akt begnügte
verbunden; man versucht uns die mißlungene Sache immer
sich, abgesehen von dem trefflichen Herrn Pagay, dem
noch als Meisterwerk aufzuschwatzen. Dagegen wollen wir
uns schon heute wehren um bei den Nachkommen nicht den Vater Christinens, alles damit, neben Fräulein
Höflich Statisterie zu treiben. Es war diesmal keise Muster¬
Eindruck völliger Kritiklosigkeit zu erwecken.
Bereits in der zweiten Szene des Stückes kennt man aufführung, wirklich nicht. Aber man kann's den Schau¬
seinen Ausgang. Irgendwelche Spannung kommt nicht auf. spielern kaum übel nehmen. Die ihnen gestellte Aufgabe ver¬
P. u.
Und ebenso wenig irgendwelche Sympathie. Was schert lockte nicht zu irgend welchem Höhenfluge.
uns dieser Lebejüngling, über dessen Geistesgaben und
Herzensart wir genau so wenig wie seine Christine erfahren?
Ob der Flachkopf im Duell fällt oder nicht, ist dem Zuschauer
äußerst gleichgültig. Deshalb setzt uns auch die haltlose
Verzweiflung des angeblich süßen Mädels über den Tod
dieses Armseligen in Erstaunen. So wenig Liebenswertes
haben wir an ihm entdecken köngen, daß die wütende Leiden¬
schaft Christinens fast wie Perversität anmutet. Ein Weib
von ihrer Gefühlstiefe wirft sich nicht so fort. Liebe ist zwar
blind, aber nicht für den Dramatiker. Wir würden Julia
auslachen, wenn ihr Romeo ein Idiot wäre. Entweder wir
lieben mit ihr, oder wir zucken die Achseln über ihre Ver¬
irrung. Der umständliche und ungeschickte Apparat, den
Schnitzler für sein Stück aufbietet, verstärkt den Widerwillen
noch. Dieser plump in den ersten Akt hineingeworfene fremde
Herr, der sich damit begnügt. dem Verführer seiner Frau
ein Päckchen Liebesbriefe zurückzubringen, und der dann
schweigend durch die Mitte abgeht; die geschwätzige Frau
5. Aunaen bos 1172
worbei= war.
aenetn
90
Strumpfwirkerin und ihr Töchlerlein — wie dilettantisch
Menschen der Handlung aufge¬
Kammerspiele
sind all diese
pfropft! Dabei gehen und kommen die Per¬
70
des Deutschen Theaters.
isonen wie auf einem öffentlichen Platze. Cristinens
Liebelei.
Zimmer betritt jeder, des es gefällt und den der
Dichter gerade nötig hat; offenbar besitzen die Herrschaften
Schauspiel in drei Akten von Arthür Schnitzler.
Vielleicht macht sich nach zwanzig oder fünfundzwanzig sämtlich Korridorschlüssel. Daß der Souperszene Originali¬
tät und Humor völlig mangeln und daß deshalb die unauf¬
Jahren ein ironisch veranlagter Theaterdirektor den Spaß,
hörliche Heiterkeit des Fräuleins Mizzi über gar nicht ge¬
seinem Publikum all die Stucke vorzuführen, die in der
machte Witze sehr befremdlich anmutet; daß die weltmänni¬
„Blütezeit des realistischen Dramas“ als Meisterwerke ge¬
schen Lebensanschauungen des Freundes — bei Schnitzler
golten haben. Wenn einheitliches Kopfschutteln über den
hat der Held immer einen Freund mit Lebensanschauungen
unerklärlich schlechten Geschmack unseres Zeitalters und all¬
schon sehr oft von andeter Seite zu Gehör gebracht wor¬
gemeiner Gähntsampf die Merkmale des durchschlagenden
den sind; daß schließlich die milde Auffassung des alten
Erfolges sind, de in wäre dem wagemutigen Witzbold der
größte Erfolg des ahrhunderts sicher. Und den Preis trüge Heren Weiring über Cristinene Fehltritt nicht aus dem
Herzen eines Vaters, sondern aus der befleckten Phantasie
unter all den verstaubten Langweilereien wahrscheinlich
Schnitzlers „Liebelei“ davon. Sie würde als der schrecklichste eines Mädchenjägers kommt, das alles sei nur noch nebenher
bemerkt. Aber es verstärkt die Abneigung gegen das mi߬
der Schrecken ausgerufen werden.
lungene Stück, das man aus seiner Grubesruhe nicht hätte
Diese Unzulänglichkeit in drei Akten nennt man noch
aufscheuchen sollen.
heute, wo doch auch hartnäckig Blinden die Augen aufgegangen
Fräulein Höflich lieh der Christine von vornherein
sein müßten, Schnitzlers „liebenswürdigste und feinste“
Arbeit. Ich hätte gegen die Charakteristik nichts einzu= einen Jammerton, der auf die Nerven fiel und jeden Lieb¬
wenden, wenn sie ganz objektiv Schnitzlers, und nur Schnitz= haber sofort abgeschreckt hätte. In Erscheinung und Wesen
lers Stücke untereinander abwöge. Kann ich mir doch denken, war nichts von dem vielberusenen süßen Wiener Mädel zu
daß einer oder der andere die „Liebelei“ verhältnismäßig spüren. Ihr Schatz, das Lebeknäblein Fritz, blieb in der
immer noch höher als den „Schleier der Beatrice“, den „Ruf! Darstellung des Herrn Dumont ein kläglicher dummer
Junge ohne Hirn und Gemüt. Besser faßte, wenigstens im
des Lebens“ und dergleichen Schöpfungen stellt. Leider ist
ersten Akt, Herr Eckart den vergnügten, leichtsinnigen
abee mit der oben erwähnten Kennzeichnung der „Liebelei“
Freund; später kam auch er nicht mehr gegen die Leichen¬
ein ganz bestimnttes Werturteil, ein Lob allgemeiner Natur
bitterstimmung der anderen auf. Im dritten Akt begnügte
verbunden; man versucht uns die mißlungene Sache immer
sich, abgesehen von dem trefflichen Herrn Pagay, dem
noch als Meisterwerk aufzuschwatzen. Dagegen wollen wir
uns schon heute wehren um bei den Nachkommen nicht den Vater Christinens, alles damit, neben Fräulein
Höflich Statisterie zu treiben. Es war diesmal keise Muster¬
Eindruck völliger Kritiklosigkeit zu erwecken.
Bereits in der zweiten Szene des Stückes kennt man aufführung, wirklich nicht. Aber man kann's den Schau¬
seinen Ausgang. Irgendwelche Spannung kommt nicht auf. spielern kaum übel nehmen. Die ihnen gestellte Aufgabe ver¬
P. u.
Und ebenso wenig irgendwelche Sympathie. Was schert lockte nicht zu irgend welchem Höhenfluge.
uns dieser Lebejüngling, über dessen Geistesgaben und
Herzensart wir genau so wenig wie seine Christine erfahren?
Ob der Flachkopf im Duell fällt oder nicht, ist dem Zuschauer
äußerst gleichgültig. Deshalb setzt uns auch die haltlose
Verzweiflung des angeblich süßen Mädels über den Tod
dieses Armseligen in Erstaunen. So wenig Liebenswertes
haben wir an ihm entdecken köngen, daß die wütende Leiden¬
schaft Christinens fast wie Perversität anmutet. Ein Weib
von ihrer Gefühlstiefe wirft sich nicht so fort. Liebe ist zwar
blind, aber nicht für den Dramatiker. Wir würden Julia
auslachen, wenn ihr Romeo ein Idiot wäre. Entweder wir
lieben mit ihr, oder wir zucken die Achseln über ihre Ver¬
irrung. Der umständliche und ungeschickte Apparat, den
Schnitzler für sein Stück aufbietet, verstärkt den Widerwillen
noch. Dieser plump in den ersten Akt hineingeworfene fremde
Herr, der sich damit begnügt. dem Verführer seiner Frau
ein Päckchen Liebesbriefe zurückzubringen, und der dann
schweigend durch die Mitte abgeht; die geschwätzige Frau