II, Theaterstücke 5, Liebelei. Schauspiel in drei Akten, Seite 766

Liebelei
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5. Laseef
gut. Gänzlich vergriff sich Fräulein Schweik=[Rüthling mit Verständnis. Was eben an der simmer ernster werdende Rolle. Man denke an den
Leistung des Herrn Beraun getadelt wurde, hat„Parazelsus“, an die „Letzten Masken“, an die
hardt. Sie spielte eine bissige Zange aus der
freilich auch in Bezug auf das Zusammenspiel Gel=ersten Einakter in den geisvollen „Marionetten“
Posse. In ihren Reden hätte viel weniger Bos¬
9.
(„Der tapfere Kassian“ und „Der Puppenspieler“)
tung. Schon bei dem ersten grellen Ton der Klingel
heit und viel mehr Wohlwollen liegen sollen. Der
schließlich an den „Grünen Kakadu“, in dem Schein
muß der Zuschauer dasGefühl erhalten, daß vor dem
„Herr“ des Herrn Schroth — eine kleine, aber
und Sein ganz ineinander fließen, in dem die
behaglichen Heim der Studenten drohend das
sehr bedeutungsvolle Rolle, in der einst Mitter¬
Menschen plötzlich als furchtbaren Ernst kenzen
Schicksal steht. Nach dem Abgange des „fremden
wurzer Aufsehen erregte — war recht interessant.
lernen, was sie als loses Spiel zu inszenieren
Herrn“ muß eine neue Stimmung, der Eindruck
Dadurch, daß der Schauspieler seine Äußerungen
meinen.
unrettbar gestörter Unterhaltung, an Stelle unbe¬
durch lange Pausen trennte, in denen er nur das
Frau Niese spielte die Annie mit dem köst¬
Auge sprechen ließ, kam der nötige unheimliche fangenen, ungetrübten Vergnügens vermittelt wer¬
lichen Übermut eines derben Clowns. Innerhalb
Zug in die Gestalt. Nur die Gebärde des Ekels muß den.
Das „Abschiedssouper“ ist das derbste des „Abschiedssoupers“ war diese Auffassung völlig
deutlicher werden, als er die Frauenhüte erblickt;
gerechtfertigt, ebenso wie die, welche Herr
er erkennt daraus, daß seine Gattin dem Verführer Glied in der wunderbar fein gearbeiteten Kette
Schroth dem Anatol gab. Wer den ganzen
nur ein flüchtiges Genußobjekt war. Das scheint der „Anatol“=Szenen. Heiter und fröhlich wird
Zyklus kennt, wird freilich mit beiden Darstellun¬
ihm das Unverzeihlichste (ein Motiv, das Schnitz= hier ein Motiv angeschlagen, das in späteren
Werken Artur Schnitzlers immer ernster und tief=gen nicht so einverstanden sein. Der melancholische,
ler auch in der „Gefährtin“, in der „Frau des
Weisen“ und in „Frau Vertha Garlan“ anschlägt). sinniger behandelt wird. Das Thema: „Du glaubst müde Anatol, der in jedem Weibe ein Ideal sieht,
weil er in jedes etwas von seiner weichen Seele
zu schieben und wirst geschoben“, findet hier einen
Auch könnte Herr Schroth die Wirkung seiner
hinüberträumt, wäre er durch diese tolle, urwüch¬
ganz harmlos lustigen Ausdruck. Anatol gibt seiner
hübschen Leistung noch steigern, wenn er in der Maske
Geliebten ein Abschisdsmahl. Dabei will er ihrsige, lärmende, fast rohe Lustigkeit je zu fesseln
den glatten Typus „schöner, eleganter Mann“ zu
gewesen? Anatols Freund mit seinem kühlen Witz
verkünden, daß sein Herz nicht mehr ihr gehört.
Gunsten einer möglichst ernsten und harten Männ¬
In selbstbewußter Berechnnung der psychischen Reak= und gesunden Urteil wurde durch Herrn Beraun
lichkeit zurücktreten läßt. Jugendlich soll der „Herr“
sehr gut vertreten. Das Publikum folgte beiden
nicht aussehen; lieber etwas ergrautes Haar antion, die bei der Entthronten auf die schmerzliche
den Schläfen. Herr Berann entsprach den An=Nachricht hin unbedingt erfolgen muß, geht Ana= Stücken mit wärmstem Anteil. Es fiel höchstens
auf, daß die heiteren Stellen in der „Liebelei“ nicht
tol bei dieser Aktion sehr feierlich, förmlich und
forderungen des ernsten wie des heiteren Teiles
schwerfällig vor. Aber es kommt nicht zu dem er= in erster Linie als wirksamer Gegensatz zum Tra¬
seiner Rolle. Nur hätte ein stärkerer Unterschied
warteten Eindruck. Die Geliebte kam selbst nur, gischen, nicht so sehr als vielsagende Dissonanzen,
zwischen der unbefangenen Fröhlichkeit vor dem
um Anatol den Abschied zu geben. In den sväteren ssondern mehr um ihrer selbst willen, mit etwas
Zwischenfalle und der gemachten, mehr von Ironie
getragenen Lustigkeit nachher deutlich werden Werken Schnitzlers spielt dieses Motiv der Um- zu viel Dankbarkeit hingenommen wurden.
Dr. Alfred Möller.
müssen. Die Aufführung leitete Herr Oberregisseur kehrung des Erwarteten oder Gewollten eine