II, Theaterstücke 5, Liebelei. Schauspiel in drei Akten, Seite 775

Schnitzler hätte die Hauptfigur seiner „Liebelei“ der
Liebelei
5. LIS#-1 box 11/2
„Kabale und Liebe“ entlehnt, so bezeichne ich diese
Behauptung geradezu als borniert. Was hat Luise
mit Christine gemein? Daß beide Musikerstöchter
von ausgesprochener Sentimentalität sind — sonst
aber auch nichts. Und selbst die Sentimentalität
Luisens ist von ganz anderer Art als die Christinens.
Die Ahnlichkeit der Charakterveranlagung ist eine
rein äußere, oberflächliche. Und hat vielleicht Artur
Schnitzler auch die Mizi Schlager irgendwo „ent¬
lehnt“? Christine und Mizi sind zwei Figuren, wie
man sie in Wien zu tausenden begegnet — aber
nur in Wien. Lebenswahr und voll Mark und
Kraft. — Nur im letzten Akte ist Schnitzler unwahr¬
scheinlich geworden. Christine durfte nicht jammern
Schausplel. 7e##. #
und — philosophieren, da sie erfährt, Fritz habe
„Liebelei“ von Artur Schnitzler. Als vor unge¬
sein Leben für eine andere Frau auf's Spiel gesetzt
und — verloren. Christine sollte resigniert schweigen.
fähr zwölf Jahren die F#reverei“ zum ersten
Die bedeutenden Einzelleistungen der Darsteller
Male über die Szene ging, hatte sich Schnitzler,
dessen Name bis dahin nur wenigen bekannt war,
ergaben eine gut abgerundete und stilgerechte Vor¬
rasch einen hervorragenden Rang unter den deutschen
stellung. Vor allem sei hier Frl. Gutmann
genannt, welche die Figur der Christine mit Anmut
Dichtern gesichert. Die Unebenheiten seiner Anfänger¬
und Innigkeit verkörperte. Maßvoll in den zart¬
schaft hat Schnitzler seither längst abgeschliffen, seine
lyrischen Szenen wußte sie im Affekte zu rühren
Hand ist sicherer, sein Wollen geklärt geworden. Die
und zu erschüttern. Das Minenspiel war besonders
„Liebelei“ ist die Tragödie des „süßen Mädels“,
in Momenten der Aufwallung fein nuanciert. Daß
jenes so geliebten Mädels, das in der Donaustadt
zu Hause ist, von dem süddeutschen Volkslied so
die Dame den Wiener Dialekt ebenso wenig wie
gerne besungen. Christine ist das echte Wiener Mädel.
Herr Dr. Kraus, der den Fritz gab, beherrscht,
Wenn eine gewisse Sorte von „Kritikern“ behauptete, ist ein Fehler, der sich doch noch beheben lassen
wird. Frl. Thekla Braun war eine resche, fesche
Wienerin. Die Herren Beraun, Großmann
und Schroth waren gut am Platze, ebenso Frl.
v. Schweikhardt.
K. Mühsam.
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QQuellenangabe ohne Genähr.)
Ausschnitt aus:
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& Tanblatz¬
—chiragende Lesseung
* — Lotte Medelsky hat gestern im Landes¬
##theater die Christine in Schnitzlers Liebelei“ ge¬
spielt. Wir kennen dieses Meisierwerk der Darstel¬
lungskunst schon, aber wir erleben es jedesmal wie¬
der erschüttert mit. Es geht uns mit der Leistung
der Medelsky wie mit dem Stück selbst, es ist uns
immer wieder neu, wie das Leben selbst. Man be¬
kam eine halbe Stunde Pause zugemessen, um sich
über den empfangenen Eindruck zu beruhigen; aber
les half nichts: Bernsteins „Goldener Schlüssel“
leuchtete darnach sehr matt. Es ist doch nur gespiel¬
tes Spiel. Während jedoch die Medelsky durch hei¬
tere Natürlichkeit erfreute, gefiel sich Herr Onno
in einer Geziertheit, die um so schlimmer wirkte,
als er unverständlich sprach. Ein so subtiles mit
jedem Satz witzelndes oder geistreiches Spiel wie
der „Goldene Schlüssel“ muß sorgfältig gesprochen
und dem Verständnis des schlecht orientierten Publi¬
In der
kums tunlichst nahegerückt werden.
„Liebelei“ war Herr Onno ungleich besser natür¬
licher. Dennoch zu jugendlich. Man muß diese
Studenten kennen, die schon Verhälinisse mit ver¬
heirateten Frauen haben und nebenbei mit einem
süßen Mödel. Die sind ganz reif. Frl. Hermine
Medelsky, Frl. Klein, Herr Löwe, Herr Viktora
waren alle sehr gut. Das Haus war ausverkauft.
ht.
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