II, Theaterstücke 5, Liebelei. Schauspiel in drei Akten, Seite 934

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mehr abwarten wollten. Es muß also doch wahr sein, daß man 1 liche Schauspiel, ein zweiter solate dem Beispiel, d pald war
eine ganze Schar neugieriger Menschen versammelt, die kopf¬
ein schlechter Schauspieler und ein guter Direktor sein kann und
schüttelnd und mitleidsvoll auf den armen Wahnsinnigen blickten.
daß als Theaterdirektor über der Kunst stehen noch ein besseres
Denn nur ein Wahnsinniger konnte es doch sein. An den #sern
Geschäft ist, als mitten in ihr als Schauspieler.
klirrten die Fenster, die Bewohner starrten verwundert auf das
seltsame Bild; aber die phantastische Gestalt auf dem Campielo
hörte nicht auf, durch exaltierte Gebärden und unverständliche
Grimassen aller Augen auf sich zu ziehen. Wie war der Unglück¬
liche dem Irrenhause entwichen? Was war es, was sich hier auf
Kleines Fcuilleton.
dem Campielo abspielte? Die groteske Gestalt war niemand
Hamburg, den 24. September.
anders als Ermete Novelli, der hier eine seiner großartigsten
Szenen aus dem „Kaufmann von Venedig“ spielte, es war Shy¬
= [Ehrlich=Hata 606 in Kairo.] Im Regierungskrankenhaus
lock, der plötzlich aus dem Reiche der Weltdichtung in das lebendige
taer el Aini in Kairo wurde, wie uns ein Privattelegramm von
Venedig hinabstieg und mitten auf der Straße, vor Kindern des
ort meldet, eine Anzahl Kranker von dem Vorstand des hygienischen
20. Jahrhunderts, auf seinen Schein bestand. Der große Tragöde
Instituts, Professor Bitter, mit dem Präparat Ehrlich=Hata 606
hatte schließlich den Verlockungen einer Kinematographengesellschaft
nit sehr gutem Erfolge behandelt. Die offiziellen Berichte
nicht widerstehen können und spielte hier im hellen Tageslicht auf
erfolgen später.
dem Campielo den Shylock In der Ecke tönte das Sueren eines
großen kinematographischen Apparates, der den
kk. [Denkmal Daudets in Tarascon.] Zu den Denkmälern,
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wirklichen Sinn der eigenartigen Szene überzeugend und einfach
die Alphonse Daudet in seinem Vaterlande errichtet worden sind,
erklärte.
kommt demnächst ein neues und zwar in der gesegneten Stadt des
tapferen Tartarin. Der Ruhm, den der französische Münchhausen
C. K. [Verkehrshindernisse in alter Zeit.] Die stetig wachsen¬
in aller Welt erwarb, und der auch auf seine Geburtsstadt Tarascon
den Klagen über die Verkehrsschwierigkeiten in den modernen
abfärbte, hat den Groll der Bewohner dieser Stadt all¬
Großstädten, die mit der enormen Entwicklung des Straßenlebens
mählich besiegt. Tarascon hat vergessen und vergeben und bleibt
entstanden sind, lassen den ängstlichen Fußgänger, der im Gewirr
nicht mehr bei seinem bieberigen Urteil stehen, daß der „Tartarin“
der heutigen Verkehrsmittel seinem Ziele zustrebt, bisweilen mit
grausam übertrieben sei und daß der Dichter der Stadt Tarascon
einer Anwandlung stiller Sehnsucht an die gute alte Zeit zurück¬
einen schlechten Dienst erwiesen hatte, als er ihm schrieb. Der sehr
denken, wo keine sausenden Automobile, keine Wagenreihen den
materielle Grund für diese Sinnesänderung war übrigens, daß
Spaziergänger gefährdeten, wo keine Verkehrsstörungen der
der Ruhm der Dichtung Touristen in die Stadt zog, die sich
Straßenbahn die nervöse Ungeduld des Großstadtmenschen auf die
immer wieder äußerst wunderten, daß Daudet dort kein Denkmal
Folter spannten. Dem Mißvergnügten erscheint die Vergangen¬
habe, und die viel Geld im Orte ließen. Und um den Zustrom
heit dann als ein stilles, liebliches Paradies, und er ahnt nichts
der Reisenden zu verstärken, erhält der Dichter nun ein Denkmal.
von den „Verkehrsschwierigkeiten“, die die Bürger der guten alten
(Zeitgemäß — um dies schöne Wori einmal treffend zu verwenden.
Zeit zu überwinden hatten, wenn Beruf oder Laune sie auf einen
Die Red.)
Gang durch die Stadt trieb. In Je sais tout gibt der Pariser
Polizeikommissar für das Verkehrswesen Descaves eine amüsante
ac. [Sarah Bernhardt als Mephisto.] Sarah Bernhardt,
S
Schilderung der Abenteuer, die ein Fußgänger im alten Paris zu
die zur Zeit zum ersten Mal in ihrem Leben in London in
bestehen hatte. Philippe Thomas Liévain lebte glücklich und zu¬
einem Variété gastiert, gab am letzten Mittwoch die überraschende
Tode
frieden von seiner kleinen Rente in dem friedlichen Tours, als ihn
Erklärung ab, daß sie beabsichtige, nach ihrer Rückkehr aus Amerika,
dern
eines Tages die unglückliche Sehnsucht überkam, Paris zu sehen.
in Paris die Rolle des Mephistopheles in Goethes Faust
Hau
folge
Er konnte nicht widerstehen, stieg in die Reisekutsche, und an einem
darzustellen. Die Obersetzung hat Edmond Rostand, der Dichter des
ber
trüben, regnerischen Märzmorgen des Jahres 1638 kam er in der
Chanteeler, angefertigt. Die übertragung hält sich eng an das
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Hauptstadt an. Kaum aus der Kutsche gestiegen, wollte er sich so¬
Original und ist zum größten Teil in Alexandrinern, zum Teil aber
lohn
fort zur Hotellerie des Pot d'Etain begeben, zur Rue Saint Martin
auch in freien Versen abgefaßt. „Meine Auffassung von Mephi¬
schids bezog
an der Place Royale. Er machte sich auf den Weg, doch die müh¬
stopheles,“ so erklärte Sarah Bernhardt, „muß natürlich einiger¬
Jahren nich
same Fahrt nach Paris erschien ihm bald wie ein Kinderspiel
maßen verschieden von der eines deutschen Künstlers sein. Kunst,
Ende seines
gegen das, was ihn erwartete. Nirgends ein Fuhrwerk zu sehen:
so hat man gesagt, ist Leben durch ein Temperament gesehen. Ich
fach den Ko
rüstig und noch guten Mutes schritt er aus. Seit einigen Tagen
rade angene#
bin wesentlich „lateinisch“ in meinem Temperament, und daher wird
hatte es geregnet, ein dicker, schmutziger Schlamm bedeckte die
dies ohne Zweifel in meiner Darstellung der Rolle durchdringen.
stets für ih
Straßen und ließ den Wanderer bis tief über die Knöchel einsinken.
triguen an
Im großen und ganzen denke ich mir, daß ich Mephisto als den
Man wird schnell müde auf solchem Spaziergang, aber das male¬
kaum ein¬
gefallenen Engel darstellen werde, der noch überreste seines früheren
rische Schauspiel auf den Straßen, das Gehen und Kommen der
die Arzte h
Selbst zeigt. Ich werde mich bemühen, vor allem diesen psycho¬
Menschen ließ Philippe Thomas seine Müdigkeit vergessen. Also
seinen Leib
logischen Zug auf der Bühne zu verkörpern.“
das war Paris! Philippe Thomas stand und starrte, bis er plötz¬
zahlte er 2
C. K. [Shylock auf der Straße.] Ein eigenartiges Straßenbild
lich sehr unsanft mit einem Balken in Berührung kam, den ein
einem Arzte
erweckte in diesen Tagen bei den Bewohnern des „Campielo“ in
zahn zog.
Maurergeselle durch die Straße schleppte. Argerlich hob er seinen
dischen Für
der Nähe des Teatro Goldoni in Venedig Staunen und Kopf¬
Hut auf, der in den Schmutz gefallen und nun mit einer dicken
mittels. Di
schütteln. Zwischen den Häusern sah man einen alten, mageren
Kruste bedeckt war; dann schritt er weiter. Doch jählings, an der
des Gift 50
großen Menschen umherlaufen; ein wunderliches, buntes Kostüm,
Ecke der engen Straße, geriet Philippe Thomas in eine aufregende
Nicht minde
das an längst vergangene Zeiten gemahnte, flatterte phantastisch um
Situation. Durch die schmale Gasse kam ihm ein langer Zug
die hageren Glieder. Der geheimnisvolle Mann eilte hin und her,
von ihren
breiter, großer Sänften entgegen, kräftige Gesellen in prunkvollen
streckte die Arme aus, schlug sich an die Brust, immer wilder wurde
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Gewändern schritten dem Zuge vorauf, in den Händen als drohende
sein Gebaren, immer leidenschaftlicher die wortlose Gestikulation.
Ein Passent war stehen geblieben und starrte auf das wunder=] Waffen derbe Stöcke. Es sind greber herrische Burschen, zornigl lai=man wi