II, Theaterstücke 5, Liebelei. Schauspiel in drei Akten, Seite 951

5. Liebelei
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ware. Der englische Arbeiter würde es sich nicht gefallen
lassen, daß seine berufenen Vertreter revolutionäre
Experimente machen, die im Gegenwartsstaate von keinerlei
en gleichgültigsten und alltäglichsten Din=nutzen. Schon das Lied der Christine „All mein Gedanken, Geschick verwendet sind, dafür bürgt ja die Routine dei
alten, hat der Komponist einen schweren
die ich hab (es ist dem Lochheimer Liederbuch entnom= Kapellmeisters Neumann. Trotzdem darf man in diesem
die Musik zieht naturgemäß alles in die
men), das sie sich selbst am Klavier begleitet, bringt eine
Falle nicht von Kapellmeistermusik sprechen. Wenn auch
den unbedeutendsten Kleinigkeiten, die im
willkommene Abwechselung und einen Ruhepunkt in den
der Stil im allgemeinen an Puccini erinnert, so wird
ell vorüberhuschen und kaum gehört wer¬
atemlosen Konversationsstil des ersten Aktes. Und die
man doch nirgends von Anleihen sprechen können. Neu¬
icherliche Wichtigkeit. Auch sind wir von
Spielerei mit dem Doppeladler=Marsch ist hübsch erfunden,
mann hat eben seine großen Kenntnisse der Literatur da¬
der Musik die Eigenschaft zuzumessen, die
ebenso die Klavier=Etude, nach der Polka getanzt wird.
zu benutzt, jeglichen Reminiggenzen aus dem Wege zu
it ihrem Zauberstab berührt, zu vergolden
Das kurze Intermezzo mit dem „Herrn“ leitet die tra¬
gehen. Interessant ist auch seine Harmonik. Mit wenig
n. Wenn aber im Dialog von „Mokka¬
gische Handlung des Stückes ein. Hier wird die Auffor¬
Mitteln weiß er überraschende Wendungen hervorzu¬
Rede ist oder vom „Stopfenzieher“ so
derung zum Duell entgegengenommen, hier beginnt das
schönste Akkord diesen Dingen keine über¬
Unglück der armen Christine. Wie treffend hat Neu¬
Me. it Aisen e. Aerehe
bgewinnen können. Von diesem Stand¬
mann mit einer herausstechenden Sekunde den scharfen
eine höhere Sphäre zu heben. Alles in allem hat Neu.
chtet, ist es noch ein Wunder zu nennen,
Blick des betrogenen Ehemannes, mit dem er den Schul¬
mann eine Musik geschrieben, die dem Kenner durch ihre
em ersten Akte so viel Eigenartiges hat
digen fixiert, ins Akustische übertragen, wie hat er mit
gediegene und geschmackvolle Arbeit, dem Publikum durch
en. Er hat es vor allen Dingen dadurch
dem punktierten Rhythmus=Motiv die vernichtende Wucht
ihre sinnfällige Melodik gefallen muß. Eine Ouvertüre
des Schicksals gekennzeichnet. Und nach dem Abgang des
gibt es nach berühmtem Muster nicht, wohl aber ein Vor¬
ehende mriodsche Bine unerbräste, de
„Herrn“ schildert das Orchester mit massiven Schlägen
spiel vor dem zweiten und dritten Akt. Das letztere
leider nicht zuwenden konnte. Auch die
die niederdrückende, schwüle Stimmung. Erst der Eintritt
nimmt größere Dimensionen an, bietet viele schöne
er Personen, die ja vom Dichter so haar¬
der Mädchen befreit uns von dem Drucke dieser Stim¬
Einzelheiten, wie das von dem neuen Solocellisten Herrn
n ist, wird vom Orchester porträtgetreu
mungslast. Schön klingt der Akt aus. Das Gute Nacht
[Schuger so tonschön gespielte Cellosolo, und den dump
So wie die beiden Freundinnen schon
der Stimmen hinter der Szene wetteifert mit der Solo¬
ausklingenden Trauermarsch. Viele schöne Einzelheiten
Mizi bringt Eßwaren, Christine Blumen
Violine an Innigkeit und Zartheit.
jnebeneinander geben aber noch kein geschlossenes,
Kundverschiedene Charaktere gekennzeichnet
symphonisches Ganzes und unter diesem Mangel an
Anders steht es mit den beiden Schlußakten. Hier kann
sind sie auch durch die Musik ausein¬
organischer Entwicklung leidet die Wirkung des sonst so
die Stimmung sich ruhiger ausbreiten. Das Abschieds¬
Christine, die ehrliche, rührend unerfah¬
interessanten Orchesterstückes.
duett zwischen Fritz und Christine strömt wahre Emp¬
stalt, die Liebelei für Liebe, Spiel für
findungen aus und ist sowohl im Orchester wie in den
Die Aufführung war mit großer Liebe vorbereitet. Die
ringt ihre Blumen mit zarten, sanften
Singstimmen in satten, warmen Herzenstönen gehalten.
Mitwirkenden taten ihr Bestes, um dem beliebten Kapell¬
merkt schon bei ihrem Auftritt, noch ehe
In dieser Stunde, die doch eine „große Lügnerin“ sein
meister den Sieg zu erleichtern. Das Orchester klang
esagt hat, daß sie sentimental und über¬
soll, ist die Musik so echt und ehrlich, wie die Liebe der
unter Herrn Dr. Rottenbergs kollegial=begeisternder
ll veranlagt ist. Ebenso sehr merkt man
unschuldigen Christine. Hier reißt uns die Kunst der
Leitung überaus prächtig, die Regie des Herrn Inten¬
Paare Mizi und Theodor an den prik¬
Töne aus dem Alltäglichen in das Reich der Liebe hin¬
danten Jensen hatte besonders im ersten Akte die
ihmen, die sie durch die ganze Oper be¬
über, in dem Arme und Reiche sich gleich sind. Um so
schwierige Aufgabe, die jeweils wichtigen Partien des
das Leben leicht zu nehmen gewohnt sind.
schneller und empfindlicher stürzt uns die Frage nach
Dialogs in den Vordergrund zu stellen, glänzend gelöst.
ter dem ein tückisches Schicksal und ein
einem — Zündholz aus allen Himmeln. Nicht vergessen
Ausstattung und Kostüme waren neu und geschmackvoll.
nervösmachend lauert, wird mit seinem
sei hier noch das Gerede der klatschsüchtigen Frau Nach¬
Das Zimmer Christinens hätte vielleicht kleiner und
Stimmungswechsel gut getroffen. Da,
barin, deren Getratsch im Orchester von höhnischem Ge¬
intimer sein können, mit dem Fenster im Hintergrund,
Paare aber in einer Stimmung sich
mecker der Bläser begleitet wird. Rührend und ergreifend
damit der Zuschauer von der angesungenen schönen Aus¬
WWeine, beim Schmollis, da faßt auch der
aber ist der Schlußakt. Christine in ihrem Leid wächst
sicht auch etwas mitzugenießen bekam. Die Sänger hatten
inem hinreißenden Walzer die übermütige
fast zur Größe empor. Ihr Erschrecken beim Entdecken
keine leichten, aber dankbare Aufgaben. Herr Gentner
enblicks zusammen und läßt uns gern ver¬
der Wahrheit ist trostlos, ihre Verzweiflung wahrhaft
zeigte als Fritz wiederum, was für ein intelligenter und
leichtem und gefährlichen Grund das Glück
hoffnungslos. Und der alte Vater, aus dessen Worten die
interessanter Künstler er ist. Sein Spiel war in allen
nschenkinder aufgebaut ist. Wie schade,
Liebe zu seinem einzigen, unglücklichen Kinde so wunder¬
Situationen so natürlich, daß die Schwierigkeiten des
somodern sind. Einer von der alten
schön hervorleuchtet, gibt in prächtigen melodischen
gesanglichen Teiles seiner Partie dem Hörer kaum zum
ei der Tischszene Duette und Quartette
Wendungen eine rührende Figur ab.
Bewußtsein kamen. Um so schöner strahlte dann seine
es nur so eine Lust wäre und hätte da¬
Stimme in den lyrischen Duetten mit Christine. Als
Was man an der Musik Neumanns vielleicht am
mung gesteigert. Das wäre auch nicht
meisten bewundern muß, ist die Einheitlichkeit, mit der Theodor gab Herr Breitenfeld sein Bestes in der
esen. Wie oft erlebt man's bei einem
tragischen Schlußszene, aber auch als Bohémien zeigte er
das Orchester behandelt ist. Da gibt es keine motivische
nahl, daß alle durcheinander reden.
viel Laune und Munterkeit. Den eifersüchtigen „Herrn“
Zerstückelung. Alles singt und klingt in unausgesetzter
sie also in der Oper nicht durcheinander
spielte Herr Braun mit Anstand und Würde. Die
Folge, die rhythmischen Begleitungsmotive sind so lange
der Komponist die Stimmen richtig zu
Vorzüge seines warmen, sympathischen Organs konnte
wie möglich durchgehalten, sodaß der Orchesterpart eine
Aber der Textdichter hatte es anders
fein versteht Neumann das Klavier Einheit für sich bildet. Daß alle Instrumente in ihrer! Herr Schneider als Vater Christinens voll entfalten
zu kleinen musikalischen Scherzen auszu= besten Lage ausgenützt sind, daß alle Orchestereffekte mit und Fräulein Doninger ihr Talent zur muntereu,