II, Theaterstücke 5, Liebelei. Schauspiel in drei Akten, Seite 964

Liebelei
5.— box 11/6
kiebelei.
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Zur Erstaufführung am Kölner Opernhause am 1. Dezember 1910.
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Arthur Schnitzlers Schauspiel „Liebelei“ wurde in der
gesagt: „Man kann alles komponieren — auch die Zeitung.“
verflossenen Saison mit Agnes Sorma im Schauspielhaus ge¬
Hier haben wir die komponierte Zeitung. Es fehlen nur noch
geben. Nun tauchte dies Schauspiel als Oper auf, worin Frau
die komponierten Annoncen. Und die Leute finden sich schon,
Dux die Hauptrolle der Christine, das arme Mädchen, spielen
die auch das liefern — wenn’s nur zicht.
mußte, welches die Liebelei für Liebe nimmt und daran In
Denn das ist ja unzweifelhaft, daß der Stoft der neuen
Grunde geht. Frau Dux hatte da einen schweren Stand, aber
Oper, Schnitzlers Liebelei, auch in dieser musikalischen Auf¬
sie fand sich mit der Schauspielaufgabe sehr gut ab. Die
machung zieht. Aber zum Teufel, der Stoff scheint schäbig und
keineren Details des Spiels freilich, so die nervösen Schwin¬
verblaßt und nun hat man ihn mit Musik gestopft. Die zarten
gungen der Mädchenseele blieb sie uns schuldig was sage
und feinen Linien und Muster sind verschwunden, der grobe
ich: das ist ja ganz und gar nicht ihre Schuld. Man
Faden liegt bloß. Und das Stopfgarn paßt gar nicht zum
Herr Neumann — hat ja aus dem Stück eine Oper gemacht!
Grunde: dieser schwarze- Strumpf einer Weltdame mit den
Dies Ausrufungszeichen ist nur zu sehr am Platze.
koketten Mustern ist gestopft mit weißem Faden — und die
Das Prosastück von Schnitzler, welches in der Gegen¬
Löcher sind nicht richtig nachgewebt, sondern zusammen¬
wart splelt, wurde — einfach vertont. Nein, auch das trifft
gerissen. Eine Musik ist diesem Stück angeklext worden, die
nicht zu: nicht einfach, sondern jedes Wort wurde sehr dick
aber auch nur die Frechheit der Mittel mit dem Stoff gemein
instrumentiert. Die ganze Handlung wird deklamiert. Die
hat. Ueberall wird fleißig „nachgezeichnet“, es donnert und
Arie, das Ensemble sind mausctot, es herrscht unumschränkt
blitzt, wenn „ein Herr“ erscheint, um Fritzen, den Verführer
das begleitete Rezitativ. Hier wird auf ein Entgegenkommen
der Frau, zu fordern. Es säuselt in Synkopen und tremoliert,
der Sprache durch gebundene Rhrthmen gar nicht
wenn von Liebe gesprochen wird und wenn einer „nervös“
erst gewartet. Die nackte, holprige Prosa grinst uns an, sie
ist. Individuell ist die Musik keinen Augenblick, selbst die
die taktlose — in Musik gesetzt. Gewiß, in „Figaros Hochzeit“
schlichte Weise der Christine zum Klavier ist unpersönlich.
ist auch von Liebelei die Rede, Liebelei bildet auch da die
Die Musik ist mit einem Worte überflüssig. Das Lob, welches
Handlung mit allen Zufälligkeiten, meinetwegen auch Platt¬
man ihr spenden muß, betrifft die Geschicklichkeit. Diese Art
heiten des Alltags, aber diese Vorgänge werden in Rhrthmen
Kapellmeistermusik ist nie um den Fortgang verlegen. Die
erzählt und so gesungen. Hier — nichts von Libretto — die
Instrumentation schillert in den Errungenschaften von Wagner,
Unterhaltungen werden ganz, wie sie im Leben sind, in Musik
Weber, Offenbach und was man sonst will. Es ist auch gar
gesetzt. „Fritz, wo sind die Zigarren“ und „Das Konver¬
nichts dagegen zu sagen, daß solche Musik gemacht und
sationslexikon. Donnerwetter!“ Das ist wahrhaft poctisch;
selbst aufgeführt wird. Man hat seinerzeit Reißigers Sachen
poctisch gesagt vor allem! Die Folge ist natürlich, daß Be¬
auch aufgeführt, wie die unzähliger anderer Kapellmeister.
tonungen, wie diese: „geradezu“, „als ein gewöhnliches Aben¬
Aber man sollte sich keinen Augenblick im Unklaren sein,
teuer“ usw., wo Nebensilben auf den guten Taktteil kommen,
daß das keine bleibenden Kunstwerke sind. Der Komponist
an der Tagesordnung sind. August Bungert hat einmal zu mir
mag sich beim Dichter bedanken, der ein selbst als Oper un¬
verwüstliches Stück geschrieben. Allerdings gibt es Momente
in der Handlung, namentlich in den beiden letzten Akten, die
nicht unmusikalisch genannt werden können — sie müßten aber
zur Komposition mindestens rhrthmisiert werden. Das Ge.
gebene ist keine „Oper“ Solche „Opern“ sind auchspur
„zum Zeitvertreib“ aufzuführen. Wie unser Opernleiter über
das Stück urteilt, kann ich wohl daraus schließen, daß er mich
nicht, wie bei Schillings' „Ingweide“, zur Generalprohe Ein¬
geladen!
Immerhin war an dem Stück getan, was sich tun ließ. Die
Herren Winckelshoff, Liszewskr, Neidel, vom
Scheidt, die Damen Dux, Fink, Rohr machten sich ebenso
wie Kapellmeister Lohse um die beste Aufführung wohl¬
verdient. Da Herr Franz Neumann, der Komponist, an¬
wesend war, mußte er auch vor der Rampe erscheinen, um den
Dank des Publikums in Empfang zu nehmen.
Dr. Thomas-San-Galli.