II, Theaterstücke 5, Liebelei. Schauspiel in drei Akten, Seite 967

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Jalne
Theater und Konzerte #
„Liebelei“, Komödie in 3 Akten von Arthur
Schnitzlen Das psycholsgisch ebenso fein gearbeitete,
#ié in den Gestaltenz,ichd ihrem Ausdrucke, dem
Dialoge, treffend charatierkesierte Stück gehört in die
deutsche Literatur; ja Es hat dort einen sehr achtens¬
werten Platz. Sein Stoff ist aus dem Leben des
„süßen Wiener Mädels“ genommen. Das Goethe¬
sche Wort, das Leben sei überall interessant, wo man
es packe, setzt voraus, daß die Verarbeitung jedes
Stoffes über das bloße Nachzeichnen der Materie
hinausgeht und zu einer Idee führt. Nur so hat der
Naturalismus seine künstlerische Berechtigung.
Arthur Schnitzler gibt in seiner „Liebelei“ ein Stück
Natur, durch sein Temperament gesehen. Freilich,
wenn dieses Temperament alltäglich wäre, wenn es
uns nichts sagen, nichts geben könnte, dann wäre
seine Komödie trotz allem wertlos. Aber der Dichter
hat uns etwas zu sagen, kann uns etwas geben.
Arthur Schnitzler ist einer aus der jungen Wiener
Dichterschule; mir kommt es bei diesem Titel auf die
Betonung des wienerischen Charakteristikums an:
tönt in diese melancholische Lebenslust des „süßen
Mädels“ der harte, gerechte Anklageruf des Dichters:
spielt nicht mit Herzen, denn ihr setzt
dadurch oft Leben auf eure Karten;
Und die Tragik der Christine Weirig ist eine so er¬
schütternde, daß sie eine reine Wirkung auf den
Menschen ausüben muß; und dadurch ist die Ko¬
mödie zum Kunstwerk geworden.
Die gestrige Darstellung hat durch die klassische
Leistung Frl. Dürrs als Christine einen vollen
Erfolg gehabt: Frl. Dürr hat all die Töne ihrer
vielbesaiteten Seele voll und rein klingen lassen; ich
stehe nicht an, zu sagen, daß ihre Christine sich
dauernd in mir mit der Gestalt des Dichters ver¬
binden wird. Max Neufeld hat sich sehr Mühe
gegeben, einerseits zu empfinden, was er spielte, und
anderseits auch seine Empfindungen natürlich zu
geben. Der Wiener Ton gelang ihm aber ebenso
wvenig wie Herrn Weyrich. Eine prächtige Wiener
Type schus Fr. Lerach; das war wieder eine ihrer
Bravourleistungen, und wenn ich mir hiezu aus
Schönherrs „Erde“ ihr „Totenweiberl“ denke, so
staune ich über die Vielseitigkeit ihres Talentes und
habe den Wunsch, daß sie sich nur in Rollen zeigt, die
ihr entsprechen und mit denen sie daher sich selbst
vervollkommnet. Frl. Weißenbacher verdient!
viel Lob; auch Herr Günther gab seine kleine
Rolle gut.
Dann hat man eine einaktige Komödie von
Bernhard Shaw gegeben, den „Schlachtenlenker“.
Inhalt: Napoleon wird von einer Frau überlistet.
Das ist mit reichem Geiste gemacht. Aber Shaw hat
die vielen Bonmots aneinandergereiht wie Summan¬
den; der Zuhörer soll sich also die Summe ausrech¬
nen; das kann man durch die Lektüre erreichen;
aber der Dichter sollte seine Geistesfaktoren multi¬
plizieren, sie zu einem Produkte vereinigen, wenn er
auf der Bühne wirken will. Seine Additionsreihe
von Gedanken — mancher Summand kehrt übrigens
oft wieder — stellt an Schauspieler und Zuhörer zu
starke Anforderungen. Und dann liebt es Shaw,
daß sich seine Gestalten selbst entlarven; ähnlich wie
Ibsen; aber Shaw läßt diese Entlarvung nicht durch
Handlung und ihre Träger geschehen, sondern stellt
insofern wir dem Dichter
Seele des Menschen
glauben, daß zwei Seelen in unserer Brust wohnen
— der anderen vorhält. Dadurch zwingt er sich, um
möglichst deutlich zu werden, zu superlativischen Ge¬
stalten; und da seine Problemstellung zumeist sehr
kasnistisch ist, so muß er bei allem Interesse auf
der Bühne abfallen. Das war auch gestern trotz
der sehr brillanten Leistungen Frl. Guttmanns
und der Herren Stössel und Günthers so.
Herr Direktor Blasel verdient für den gestrigen
Abend Dank. Er möge gestatten, den Wunsch anzu¬
fügen, daß er die Wiener Autoren noch mehr berück¬
sichtige. Ich meine nicht Raoul Auernheimer, auch
nicht Hans Müller (höchstens seinen „Savonarola“),
aber Stefan Zweigs „Thersites“, Emil Luckas Ein¬
akterzyklus „Das Unwiderrufliche“ um die sich noch
keine österreichische Bühne annahm.
Johannes Eckardt.—
Aus der Theaterkanzlei. Morgen Samstag findet
das Benefiz Frl. Maria Guttmann mit dem Sardou¬
schen Drama „Fédora“ statt. Diese Vorstellung ist außer
Abonnement Bons und Dutzendkarten ungültig) und sind nur
mehr einige Logen zu verkaufen. — Sonntag nachmittags
kommt die beliebte Ooperette: „Der Obersteiger“ bei ge¬
wöhnlichen Preisen zur Aufführung. Da Grillparzere Werk:
„König Ottokars Glück und Ende“ bei der letzten
Aufführung so großem Interesse begegnete, sah sich die Direktion
veranlaßt, das Trauerspiel für Sonntag abends auf das
Montag
Repertoire zu setzen. (16. Varstellung. Gerabe.) —
geht das Volksstück von Karl Morré „s' Nullerl“ in Szene.
(17. Vorstellung. Ungerade.)
Spielplan des Theaters in Linz.
Samstag, 29. Jän.: „Opernball“
Sonntag, 30. Jan., nachm.: Bei kleinen Preisen „Das ver¬
abends: „Die lustige
wunschene Schloß“
Wels: „Lolos Vater“.
Witwe“.