II, Theaterstücke 5, Liebelei. Schauspiel in drei Akten, Seite 1003

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5. Liebelei
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„ODSENVEN
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(Oüslienangabe ohne Gewähr.)
Arsschnitt aus:
GERMANIA BERLIN
vom: 22Uhn D.1
was nach übler ist — eine Reihe von Zwischenspielen und
Theater und Konzerte.
musikalischen Weitschweifigkeiten, in denen der Komponist
Berlin, 21. Japuar.
sich endlich einmal so recht aussprechen möchte, um aber in
Komische Oper. „Liebelei“. Oper in drei Akten
dem bescheidenen kleinbürgerlichen Milieu nicht anders als
von Franz Neumann. Dichtung von Arthur Schnitzler.
allzu anspruchsvoll und ermüdend zu wirken. Diese
Erstaufführung am 20. Januar.
musikalische Liebelei wird der gesprochenen keinen Abtrag
Was sich Strauß, Puccini und andere leisten, kann sich
tun. Das Schauspiel bleibt zudem immer in dem einmal
auch Herr Franz Neumann, seines Zeichens Opernkapell¬
festgesetzten Nahmen. Die sogenannte Oper aber gibt der
meister in Frankfurt a. M., leisten, nämlich die Vertonung
Enttäuschung des wienerischen kleinen süßen Mädels eine
eines Schauspiels, dessen erfolgreiche Bühnenqualitäten
bombastisch oröhnende Umkleidung und Ausdeutung, um die
längst festgestellt worden sind. Da ist es ja bekanntlich auch
irgend ein schauerliches menschenmordendes Würger¬
gan gleichgiltig, ob das Stück irgendwelche Berührungs¬
drama es beneiden könnte. Man stelle sich Christinens, des
punkte mit der Musik aufweist oder nicht. Man nimmt
über die kleinen bürgerlichen Verhältnisse nur schüchtern
als moderner Alleskönner eben so ein Schauspiel wie es ist
hinweg blickenden Musikantentöchterchens tiefinnerliche Ent¬
und setzt sich über ästhetische Bedenken mit kühnem Schwung
täuschung vor in Begleitung von berstenden, massigen
hinweg. Und nachdem man der musikalischen Kunst den
Orchesterwogen, die der rasenden Elektra auch nicht schlecht
brutalen Nasenstüber versetzt hat, liebkost man die lang¬
zur Seite gestanden hätten. Zu dem ersten Irrtum,
mütige Dame wieder mit dem Worte „Oper“,
ein Schauspiel wie es steht und geht in die Opernform
Titel für den Unsinn,
den das komponierte
hineinzupressen, noch dieser zweite des Geschmacks! Somit
Konversationsstück darstellt. Es soll nicht abgestritten werden,
verbleiben nur noch als befriedigende Erinnerungen an
daß uns aus dem Schauspiel schon sehr nützliche Opern er¬
diesen nicht sehr kurzweiligen Premiérenabend gelegentlich
wachsen sind. In diesen Fällen aber wurzelten stets in dem
angenehm empfundene Kantilenen à la Puccini und eine
Wortdrama die Grundbedingungen für eine musikalische Be¬
interessante Orchestrierung. Sonst ist für das Gewinnkonto
lebung, lagen die Konflikte in der für die Komposition
der musikalischen Kunst nichts zu vermerken.
nötigen Prägnanz vor und wurden von der Musik noch zu
Als Christine übertrieb Maria Labia gehörig. Das
höheren Wirkungen hinaufgeführt als im gesprochenen
war denn doch zuviel Dramatik für ein einfaches Bürger¬
Original selbst. Doch nur vereinzelt erwiesen sich die dem
mädchen. Diese raubtierähnlichen Stellungen, dieser
Schauspiel entnommenen Opern als Treffer. Es läßt sich
Basiliskenblick und was die sonst sehr geschätzte Sing=Schau¬
eben nicht alles komponieren. Gerade das ungezwungenste
spielerin noch alles ins Treffen führte, das war gut für
Gespräch wird originalgetreu in Musik gesetzt gezwungen
eine Toska, nicht für ein so junges Dummerchen, daß die
wirken. Für den Operntert bleiben immer gewisse Voraus¬
Enttäuschung der ersten Liebe nicht verwinden kann. Recht
setzungen und Bedingungen bestehen, deren Nichtbeachtung
gut und stimmlich genußreicher denn je war Herr
das musikalische Fiasko herbeiführt.
Nadolovitsch. An der sonst noch tüchtigen Darstellung
Schnitzlers Schauspiel verlangt nicht nach Musik. Es
beteiligten sich sehr erfolgreich die Damen Bachrich,
birgt zudem eine intime Tragik, die musikalisch ohne Buch¬
Seebold, sowie die Herren Wissiak, Zador und
Armster. Das Orchester unter Rezniceks Leitung leistete
bearbeitung nicht zu erfüllen ist. Die kurzen Sätze der
Vorzügliches. Das Publikum zeigte sich über alle Maßen
Konversation geben keine Gelegenheit zu einer musikalischen
Ausbreitung. Dieser Umstand verursacht einen großen
beifallsfreudig, selbst nach den langweiligen Akten. Dar¬
Reichtum an unbefriedigenden Phrasen im Orchester, auf
steller und Komponist, wie auch Direktor Gregor konnten
denen die Stimmen parlandoartig umherstelzen, und — 1 sich oft verneigen.
Edmund Kühn.