II, Theaterstücke 5, Liebelei. Schauspiel in drei Akten, Seite 1004

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Jeutsche Warte, Berlin
n: 220
S
Theater.
Komische Oper.
„Liebelei“, Oper in drei Akten von Franz Neu¬
mann, Dichtung von Arthur Schnitzler.
Schnitzlers „Liebelei“ ist nunmehr mit dem in der
Komischen Oper üblichen lauten Beifall als Oper in Szene ge¬
gangen. Eine Alltagsgeschichte, ein drumatisierter Novellen¬
stoff in musikalischer Einkleidung. Kleinliche Sorgen und Er¬
lebnisse von Dutzendmenschen hat bisher noch kein Komponist
in Musik gesetzt, erst Franz Neumann hat den Gedanken
gehabt, die Geschichte von dem armen Nähmädchen zu kom¬
ponieren, deren Geliebter in den Liebesneten einer anderen
Frau gefangen ist, und der schließlich um dieser Frau willen
im Duell fallen muß. Dieses nicht gerade tragische, aber doch
recht wirkungsvoll aufgebaute Stück verliert durch die Musik
jede dramatische Kraft. Die Musik hält die Handlung auf,
verschleppt und verzögert. Schließlich ist man herzlich fkoh,
wenn überhaupt nur einige Worte gesprochen werden, die das
Stück vorwärts bringen. Das ewige Gesinge in einem Werk,
das am besten in schnellstem Tempo über die Bühne gehen soll,
wirkt beinahe peinlich. Ich kann mir auch gar nicht
vorstellen, wie ein Musiker den Text ohne jede Aenderung
durchkon.#onieren kann. Da gibt es nirgends größere Ruhe¬
punkte, die ie Musik verinnerlichen könnte, nirgends poetische
Momente, die eine musikalische Belebung verlangen. Alles
ist in dem gleichen unterhaltenden Plauderton geschrieben.
Und dabei ist auch die Sprache von jeder dichterischen Kraft
weit entfernt, so daß man eine Komposition des Buches fast
für ausgeschlossen halt.
Franz Neumann hat sich aber über diese Bedenken leicht
hinweggesetzt, er glaubte, daß ein gutes Drama auch ein brauch¬
bares Opernlibretto abgeben würde, und so hat er zu dem
Buch einfach eine begleitende Musik geschrieben. Denn mehr
als eine Illustration der Bühnenvorgänge gibt er nicht. Der
Text bietet kaum irgend eine Partie, die zu ariosen oder über¬
haupt nur zu geschlossenen Formen eine Anregung geben
könnte. Neumann setzte deshalb den ganzen Dialog in ein
endloses, stets gleichlautendes Rezitativ um. Ein Parlandostil,
der auf die Dauer unerträglich wird. Ein verwässerter Perccini.
Aber ohne dessen melodische und musikalische Kraft. Neumann
hat für die Opernkomposition kein Talent. Die wenigen
Motive, die sich durch das Ganze schlängeln, sollen wohl dem
Wiener Lokalton treffen, zeigen aber doch nur bekannte An¬
klänge. Sehr dürftig klingt auch das Orchester. Wie kläglich
mutet das Vorspiel zum dritten Akt an, das die vorangegan¬
genen Motive summiert! Und wie unbeholfen ist der musi¬
kalische Ausdruck und die Technik! Nirgends zeigen sich Lich¬
punkte, nirgends selbständige und wertvolle musikalische Ge¬
danken.
Was an dem Stück noch zu retlen war, das hatte Direktor
Hans Gregor — der diese Oper übrigens als letzte in
seiner hiesigen Stellung inszeniert hat — sehr vorteilhaft her¬
vorgehoben. Es gab wieder schöne und stimmungsvolle
Bühnenbilder. Auch die Rollen waren durchweg sehr geschickt
verteilt. Maria Labia als Christine, brachte die hin¬
gebungsvolle Liebe, das Sorgen und Bangen des armen
Mädchens ganz prächtig zur Darstellung. Sie ist virklich eine
ausgezeichnete Schauspielerin, wenn auch ihr Gesang rauh und
unausgeglichen klingt. Die übrigen Darsteller standen an ge¬
waren
sanglicher Kultur noch weiter zurück,
aber trotzdem recht charakteristische Vertreter ihrer
(Fritz) und
a dolowi
Partien. Jean
Richard Wissiak (Theodor) spielten flott und
sicher. Zwei hübsche Typen schufen auch Susanne Buch¬
rich als fesche Weanerin und Desidor Zador in der
„Rolle des biederen Musikers. Das Orchester führte seine un¬
dankbare Aufgabe unter der Leitung von E. N. Reznicel
[recht gewandt aus. Der Oper wird aber trotz der aufgewandten
Mühe kaum ein längeres Leben beschieden sein.
Dr. Georg Schünemann./