II, Theaterstücke 5, Liebelei. Schauspiel in drei Akten, Seite 1005

5. Liebelei
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„Liebelei.“

Drama in drei Akten von Artur Schnitzler.
Musik von Franz Neumaiii.
Erstaufführung in der Komischen Oper.
Tarf man von einer ganzen Berufsklasse sagen, sie
sei unintelligent oder wenigstens über das eigent¬
liche Wesen ihres Berufs und seine Möglichkeiten nicht
orientiert? Ich glaube, man darf nicht. Wenn es
aber doch anginge, so möchte ich es vom Durchschnitt
der modernen Opernkomponisten behaupten. Denn
diese seltsame Menschengattung scheint aus Erfolgen
und Mißerfolgen — rein künstlerischer Art, meine ich —
keine Lehren und Erfahrungen ziehen zu können,
sondern starrt hypnotisiert auf einen blanken Knopf,
der „Konversationsoper“ heißt, und schreibt ohne Unter¬
laß Stücke, die vollkommen gegen den Geist der Musik
gerichtet sind. Man möchte bei diesen Komponisten
fast von einer Perversion der natürlichsten musikalischen
Triebe reden.
Was hat es für Sinn, über ein beliebiges Prosa¬
stück wie über einen fertigen Pudding eine beliebige
musikalische Sauce zu gießen? Es kann doch im
Ernst niemand glauben, daß die Sache dadurch schmack¬
hafter würde, wo so viele Beispiele zeigen, wie höchst
schädlich eigentlich in allen Fällen dies Verfahren wirkt,
wie die Eindruckskraft des Dramas durch die musika¬
wir auch noch auf Keller und andere.
lische Zutat nicht erhöht, sondern verringert wird. Der
schon so weit sind, warum sollte dann
Dialog wird undeutlich, die Zeitdauer unsäglich ver¬
noch erweitert werden? Welche Aus
längert, die Schlagkraft also abgeschwächt. Nur wenn
sich hier? Denn es liegt kein Grun
die Musik etwas ganz Eigenes und Starkes hinzu¬
schaftliche Werke zu verschonen, und so
bröchte, könnte sie das Drama als Kunstwerk erhöhen,
Schopenhauers „Parerga“ komponier
aber dazu fehlt es erstens an Zeit, denn melodische
zu Erich Schmidts Lessing=Biographie
Oasen würden die dramatischen Angelegenheiten nur
weit sein.
weiter aufhalten, und zweitens haben manche Kom¬
Doch ich muß wohl endlich zur üb
ponisten die Eigentümlichkeit, daß ihnen Starkes und
kommen und muß mich hier nun
Eigentümliches immer dann nicht einfällt, wenn sie
verwundern, daß es einem Musiker
es gerade brauchen könnten. Selbst bei geringer
die dünnen Adern dieses weichen wie
überlegung müßte sich diese Sachlage dem Beobachter
chens dickes musikalisches Blut zu trans
eigentlich aufdrängen. Aber nein! Blind und taub
muß das arme Wesen ja notgedrungen
scheinen diese Musikanten zu sein, blind und taub
zugrunde gehen. Diese Alltagskon
trottet einer hinter dem andern her und merkt nicht,
süße Getratsch hin und her in Musik
daß die Vorgänger geräuschlos in den Abgrund ge¬
fallen sind.
ist denn der alte Herr da auf dem Of
ist doch der Schubert.“
Rätselhaft wird es nur bleiben, warum gerade das
„So, so,
„Freiln Christin', haben's nicht ein
Drama, diese so überaus empfindliche Kunstgattung,
Oder so — und dazu Musik! Es ist
Gegenstand solcher Experimente werden konnte. Wer
barbarisch und wirkt auf den geschmack
nicht gering genug von den Musikern denkt, um anzu¬
unwiderstehlich komisch. Aber nur am
nehmen, daß sie es nur aus Tentiemenhunger tun,
her wird es unwiderstehlich langwei
steht hiervor fassungslos. Es fällt doch auch keinem
hat der Komponist Talent, was sich beso
ein, eine Novelle von Gottfried Keller oder Paul
Akt zeigte. Möge dem Talent der Ge
Heyse unter Musik zu setzen, warum denn gerade ein
Zeit nachwachsen.
Prosaschauspiel? Freilich, man soll nichts verreden.
Ja, wiederum ein totgeborenes Kind
Ich denke eben daran, daß ja schon Grimmsche
Märchen verbotenus komponiert sind, vielleicht kommen die gute Darstellung nichts ändern, an