II, Theaterstücke 5, Liebelei. Schauspiel in drei Akten, Seite 1037

Liebelei
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70
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(Quellenangabe ohne Gewähr.)
7 Ausschnitt augühne und Welt, Berlin
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Die auf die Bretter der Komischen Oper gelangte Oper „Liebelei“ von Franz
Neumann stellt den wenig geglückten Versuch eines an sich recht begabten Musikers dar,
Richard Straußens, in „Salome" und „Elektra“ angewendetes Spstem, nämlich ein beliebtes
Repertoire=Schauspiel einfach wörtlich zu komponieren, nun auch auf das wienerische Milienstück,
auf die bürgerliche moderne Tragödie auszudehnen. Warum, so dachte sich wohl Franz
Neumann, soll einem Artbur Schnitzler nicht recht sein, was einem Wilde, ja gar einem
Sophokles=Hofmannsthal billig war? Geschäftliche Erwägungen mögen da auch ein Wört¬
lein — bitie! ich sage nur „ein Wörtlein“! — mitgesprochen haben: „der Name Arthur
Schnitzler übt schon an sich solche Zugkraft aus, daß das Publikum mir unbedingt auf
halbem Wege entgegenkommen wird?!“ Und der äußere Siegeszug, den die im ganzen recht
peinlich wirkende Oper über die Bühnen angetreten hat, gibt ja scheinbar der Theorie des Kom¬
ponisten recht — aber, wie gesagt, doch nur scheinbar, nur äußerlich; die Fachkritik ist sich in diesem
Falle ziemlich einig darüber, daß selbst ein begabterer Künstler als Herr Neumann nicht einfach
ein so fein geschliffenes Schauspiel wie „Liebelei“ ohne jegliche Bearbeitung des Textes auf die
Opernbühne bringen darf: Kann man sich den ersten Aufzug wenigstens noch einigermaßen
gefallen lassen, weil sich hier das Wiener Junggesellenmilien mit seiner Walzerseligkeit und seinem
versteckten Sinnespiel mit der wienerischen und doch etwas ins allgemeine abgewandelten Musik
Neumanns deckt, so versanden die beiden folgenden Aufzüge, namentlich der dritte Akt, in dem
sich das tragische Geschick der Heldin erfüllt, in hohlstem italischem Opernpathos. Spielt dann
noch dazu eine Operntragödin spezifisch romanischen Charakters, wie Maria Labia, die Heldin,
so verzerrt sich das Schnitzlersche Original völlig zu einem im schlimmsten Sinne verstiegenen Opern¬
volksstück; von dem leifen, wehen Klageton des um sein Lebensglück betrogenen, ärmlichen kleinen
Wiener Mädels spürt man nichts mehr; statt dessen kreischt einem das hrsterische Theatergejammer
einer, wenn auch noch so begabten, noch so echt spielenden Primadonna ins Ohr, und alles
feelische Mitgefühl mit der Schnitzlerschen Heldin wird hintangehalten, denn das Publikum hat
nur „die“ Labia in ihrer neuen Glanzrolle zu bestaunen und zu beklatschen, was denn auch die
Zuhörer des Werkes, die sich ja leider noch immer mehr an den Darsteller denn an das Stück
halten, pflichtschuldigst besorgt haben. Es kann Herrn Neumann doch, sofern er ein ernst stre¬
bender Künstler und nicht bloß ein erfolgslüsterner Opernschreiber ist, nicht gleichgültig sein, ob
man ihn nur als tüchtigen Fachmusiker schätzt, wie es deren genug gibt, oder ob man von ihm
auch ein Werk kennen lernen will, das seine eigentliche individuelle Begabung verrät. Aufgeführt
wurde die Oper an der Komischen Oper tüchtig, wenn auch nicht gerade hervorragend; trefflich
spielten und sangen namentlich Frau Kabia und Herr Zador, und die Ausstattung, Gregors letzte
Berliner „Cat“ (ich habe übrigens die leise Dorahnung, als sähen wir Herrn Gregor bald
wieder!), zeigte die sorgsame Anpassung an die Anforderungen der Dichtung, wie wir sie bei dem
trefflichen Regisseur gewohnt sind.