II, Theaterstücke 5, Liebelei. Schauspiel in drei Akten, Seite 1080

Liebelei
3. Jennnaic
box 12/2
Gostärsche Beiluts
Maßgebendes Tageblatt für Goslar und weitere
Amgebung.
Eigentum, Druck und Verlag von F. A. Lattmann in Goslar.
Dr. Max Goldschmidt
Berlin N. 24
Telephon III. 5051
## f. Bl
Stadttheater. Gestern abend ging Arthur
Schnitzters—#iebelei“inSzene. Wieder etwas aus
Wien, diesmal freilich keine warmblütige Operette, son¬
dern ein ernstes Schauspiel, aber im Grunde doch die¬
selben, in der gleichen schwülen Atmosphäre des ver¬
weichlichten Wiens atmenden Menschen, nur mit dem Un¬
terschied, daß sie in der karikierenden Wiener Operette
mit süßlich lächelnden oder grinsenden Gesichtern uns
entgegentreten, während Schnitzler seine Bilder aus der
mit Ueberkultur so reichlich „gesegneten“ Donaustadt in
lebensechten Farben malt. „Liebelei“ ist Schnitzlers ge¬
lungenen Werken zuzurechnen, die reich sind an pshcho¬
logischen Feinheiten und dramatikchem Leben, die den
scharf beobachtenden Menschenkenner verraten. Keine ge¬
stählten Charaktere, keine Kraftnaturen sind es, die uns
hier begegnen, sondern verweichlichte Menschen, die um
die Flamme der Liebes= und Lebensfreude lustig flattern
und die, wenn dieses sorglose Liebesgaukelspiel einmal
zur tiefen Leidenschaft wird, blinklings ins Verderben
stürzen. Einen Studenten, der mit einer verheirateten
Frau ein ernstes Verhältnis hat, sucht dessen Freund¬
von dieser Leidenschaft dadurch zu kurieren, daß er ihm
in einem Wiener Mädel, der Christine, eine leichte
flatterhafte Liebschaft zu verschaffen glaubt, wie er
selbst sie in seiner „Mizi“ besitzt. Aber er sieht sich in
seiner Absicht, mit der „harmlosen“ Liebelei die ernste,
leidenschaftliche Liebe zu töten, getäuscht, denn einerseits
faßt „Christine“, die eine sinnige, eensthafte Natur ist,
eine tiefe Neigung zu dem Studenten, andererseits aber
vergißt dieser die verheiratete Frau nicht. Der Gatte der
letzteren erfährt von dem Verhältnis, der Liebhaber fällt
im Duell. Christine muß die bittere Wahrheit erken¬
nen, daß ihr Geliebter für eine andere Frau starb, daß
sie ihm nur ein Spielwerk war. In wilder Verzweif¬
Sie
**
lung stürzt sie aus dem Hause. „Was Will sie.
kommt nicht wieder“, jammert ihr der alte Vater nach.
Durch die Wiedergabe des Stückes bewies die Direktion,
daß sie auch einige gute Schauspielkräfte zur Verfügung
hat. Der Abend wäre aber doch wohl bei der Eigen¬
art des Stückes recht matt ausgefallen, wenn nicht die
wiederum als Gastin hier weilende Wiener Hofburg¬
schauspielerin Frl. Melanie Spielmann, die
die Christine spielte, dem Stücke zu einer guten Wirkung
verholfen hätte. Diese Rollen des ehrsamen, schlichten
Bürgermädels sind Frl. Spielmanns „Element“, in dem
sie sich heimisch fühlt. Auch ihre Christine spielte sie mit
warmer Verinnerlichung, war ganz die leidenschaftlich
und selbstlos Liebende, die nur für kurze Zeit in dem
Bewußtsein, wiedergeliebt zu werden, glücklich sein
möchte. In der Schlußszene war ihr Spiel von ergrei¬
fender Realistik und packender Wirkung. Recht am Platze
war auch Frl. Schüller als „Mizi“, die in der Geste
und Sprache ganz das Prototyp des „süßen“ Wiener Mä¬
dels war, die die Männer kennt und sich bei ihrem leich¬
#ten Sinn keine Gedanken darüber macht, ob deren
Liebe von kurzer oder langer Dauer sein wird. Eine
gute Leistung war auch Herrn Kohls Lobheimer; er
unterstrich freilich an einigen Stellen mehr, als bei sei¬
nem Darstellungsvermögen zum Verständnis im Publi¬
kum nötig war. Auch Herr v. Ahn als „Theodor Kai¬
ser“ traf gut den Ton des genuß=fröhlichen, sorglos¬
gemütlichen Wieners. Die übrigen kleineren Rollen wa¬
ren bei Frl. Miller und den Herren Drescher und
ssen in guten Händen. Der leere Saal bewies
leider, wie sehr das Zuckerbrot der Operette den Ge¬
schmack in künstlerischen Dingen bei vielen verdorben hat.
Dafür ist auch ein naives Gespräch bezeichnend, das man
in der Nähe einer Reklamesäule mit dem Theaterpro¬
gramm hören konnte: „Liebelei“ ist das ’ne Operette?
Nee! — Was Ernstes? — Tija, ich glaube. — Brrr,
P.
ich gehe nicht hin.