Liebelei
box 12/3
5. A Sn.
DAA
„UDSEIVER
I. österr. behördl. konz. Unternehmen für
Zeitungsausschnitte
Wien, I, Konkordiaplatz
Vertretungen
in Berlin, Basel, Budapest, Chicago, Cieveland, Christianin,
Genf, Kopenhagen, London, Madrid, Mailand, Minneapolis,
Net--Vork, Paris, Rom, San Francisco, Stockholm, St. Peters¬
burg, Toronto.
(Quelienangabe ohne Gewähr).
Auschnitt aus: Grazer Velkahl-tt. Gune
11 4. 1911
Abendblatt
von
1
der erregte dunkle Fährmann der Seelen in die Unterwelt.
Theater und Kunst.
Ob nicht Lyraklänge mystischer wirkten, ein griechisches Saiten¬
Burgtheater=Gastspiel.
instrument in der Hand des Todes weniger realistisch und
körperlich wäre, als die mit Virtuosengebärde gespielte Violine?
Hofmannsthal: „Der Tor und der Tod“,
Ebenfalls zu körperhaft wirkten die Erscheinungen der Toten,
Schnitzler: „Liebelei“.
der Mutter, von Frau Fanni Walbek mit rührender Zärt¬
Der Wiener Hofmannsthal vertritt mit einigen anderen,
lichkeit gesprochen, der Geliebten, durch Frau Medelsky
z. B. Stephan George, ein modernes ästhetisches Übermenschen¬
mit blumenhafter wehmütiger Anmut dargestellt, des Freundes,
tum, das sich in subtilen Stimmungen, raffinierter Sprach¬
von Herrn Frank in eisiger Herbheit charakterisiert. Daß im
kultur, exklusivem Abschluß vom Geschmack der großen Menge
Totenreigen am Schlusse, hinter der Gartenbalustrade, auch
gefällt. Schöngeistige feinnervige Salonliteratur. Trotzdem
der Tor, die einstige Geliebte an der Hand führend, dem geigen¬
wurde er dem großen Publikum bekannt durch die Sensations¬
den Tode nachwandelt, wird wohl den wenigsten klar zur Vor¬
Probleme, die sich mit dem Komponisten Richard Strauß an
stellung gekommen sein. Ebenfalls eine für die Regie fast
seinen Namen heftete: „Elektra“, „Der Rosenkavalier“. Andere
unmögliche Aufgabe. Nach dieser für Graz noch unbekannten
größere Dichtungen sind „Das gerettete Venedig“, „König
Neuheit kam das schon oft gegebene Schauspiel Schnitzlers
Odipus und die Sphinx“, „Christinas Heimkehr“. Hofmann
„Liebelei“. In Frl. Gerzhofer lernten wir eine muntere
thals Asthetenkunst zeigt sich vor allem, außer in den Gedichten
junge Künstlerin, voll schelmischer Natürlichkeit, kennen, Herr
in den mystischen Einaktern „Der Tod des Tizian“, „Der Tor
Loewe wirkte durch die schlichte, herzliche Wiedergabe des
und der Tod“, die auch den Ruhm des jungen, damals erst
Theatermusikers, auch die Herren Korff, Frank, Heine
19 Jahre alten Wiener Poeten begründeten. „Der Tor und
fanden reichen Beifall, das Großartigste aber war das geniale
der Tod“ zeigt uns die Wahrheit, daß ein Mensch erst im
erschütternde Spiel Frau Medelskys im Schlußakte. Wir
Angesicht des Todes einsieht, er habe sein Leben verspielt,
freuen uns auf ihre Hero, heute in Grillparzers wundervoller
es hätte viel besser, schöner sein können, nun aber ist es zu
Liebesdichtung, von der Hofmannsthal einmal die schönen Zeilen
spät. Ein tiefer Gedanke, der uns auf religiösem Gebiete häufig
schrieb: „Auf ewig klingt hier ein Saitenspiel von Liebe.
in der asketischen Literatur begegnet. Dem sterbenden Toren
Auf ewig ist hier eine Laube der Träume aufgerichtet, deren
erscheinen der Reihe nach Mutter, Geliebte und Freund, die sein
Lieblichkeit die Jahre steigern, ein Schauplatz, benannt mit
Leben hätten verschönern, veredeln können, würde er ihre Liebe
süßen griechischen Namen und doch zeitlos, befremdlich und
beachtet und gewürdigt haben. Aber er merkte nicht die Schmer¬
einleuchtend, wie jene Schauplätze, die nachts in unserem Hirn
zen und Sorgen der Mutter, nicht die innige Treue der Braut,
sich aufschließen.“
S.
nicht den idealen Schwung des Freundes. So hat sein krasser
Egoismus ihn eigentlich am furchtbarsten betrogen und be¬
stohlen, er, der das Leben genießen wollte, hit es eigentlich
Das Grazer Schauspiel=Ensemble in Triest. Die Auf¬
gar nie gekannt. Die Regie kann nur sehr schwer dem mystischen
führung von Schönherrs „Glaube und Heimat“ in Triest durch
dämmerhef u Stimmungsgehalt dieses Einakters gerecht wer¬
unser Schauspiel=Ensemble erntete einen auch für südliche Verz
den. Schon gar nicht in einem großen Hause. Trotzdem leistete
hältnisse ganz ungewöhnlich stürmischen Erfolg, der sowohl dem
die Kunst der Burgtheatergäste das Möglichste. Herr Korff
Werke wie den Künstlern — Blanche, Brecher und Pater wurden
als Tor in der schwermütigen Beseelung seiner Verse, Herr
nach Schluß dreißigmal gerufen — galt. Das Haus war ganz
Heine als Tod, nicht der gespenstige Knochenmann, sondern ausverkauft.
400
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„UDSEIVER
I. österr. behördl. konz. Unternehmen für
Zeitungsausschnitte
Wien, I, Konkordiaplatz
Vertretungen
in Berlin, Basel, Budapest, Chicago, Cieveland, Christianin,
Genf, Kopenhagen, London, Madrid, Mailand, Minneapolis,
Net--Vork, Paris, Rom, San Francisco, Stockholm, St. Peters¬
burg, Toronto.
(Quelienangabe ohne Gewähr).
Auschnitt aus: Grazer Velkahl-tt. Gune
11 4. 1911
Abendblatt
von
1
der erregte dunkle Fährmann der Seelen in die Unterwelt.
Theater und Kunst.
Ob nicht Lyraklänge mystischer wirkten, ein griechisches Saiten¬
Burgtheater=Gastspiel.
instrument in der Hand des Todes weniger realistisch und
körperlich wäre, als die mit Virtuosengebärde gespielte Violine?
Hofmannsthal: „Der Tor und der Tod“,
Ebenfalls zu körperhaft wirkten die Erscheinungen der Toten,
Schnitzler: „Liebelei“.
der Mutter, von Frau Fanni Walbek mit rührender Zärt¬
Der Wiener Hofmannsthal vertritt mit einigen anderen,
lichkeit gesprochen, der Geliebten, durch Frau Medelsky
z. B. Stephan George, ein modernes ästhetisches Übermenschen¬
mit blumenhafter wehmütiger Anmut dargestellt, des Freundes,
tum, das sich in subtilen Stimmungen, raffinierter Sprach¬
von Herrn Frank in eisiger Herbheit charakterisiert. Daß im
kultur, exklusivem Abschluß vom Geschmack der großen Menge
Totenreigen am Schlusse, hinter der Gartenbalustrade, auch
gefällt. Schöngeistige feinnervige Salonliteratur. Trotzdem
der Tor, die einstige Geliebte an der Hand führend, dem geigen¬
wurde er dem großen Publikum bekannt durch die Sensations¬
den Tode nachwandelt, wird wohl den wenigsten klar zur Vor¬
Probleme, die sich mit dem Komponisten Richard Strauß an
stellung gekommen sein. Ebenfalls eine für die Regie fast
seinen Namen heftete: „Elektra“, „Der Rosenkavalier“. Andere
unmögliche Aufgabe. Nach dieser für Graz noch unbekannten
größere Dichtungen sind „Das gerettete Venedig“, „König
Neuheit kam das schon oft gegebene Schauspiel Schnitzlers
Odipus und die Sphinx“, „Christinas Heimkehr“. Hofmann
„Liebelei“. In Frl. Gerzhofer lernten wir eine muntere
thals Asthetenkunst zeigt sich vor allem, außer in den Gedichten
junge Künstlerin, voll schelmischer Natürlichkeit, kennen, Herr
in den mystischen Einaktern „Der Tod des Tizian“, „Der Tor
Loewe wirkte durch die schlichte, herzliche Wiedergabe des
und der Tod“, die auch den Ruhm des jungen, damals erst
Theatermusikers, auch die Herren Korff, Frank, Heine
19 Jahre alten Wiener Poeten begründeten. „Der Tor und
fanden reichen Beifall, das Großartigste aber war das geniale
der Tod“ zeigt uns die Wahrheit, daß ein Mensch erst im
erschütternde Spiel Frau Medelskys im Schlußakte. Wir
Angesicht des Todes einsieht, er habe sein Leben verspielt,
freuen uns auf ihre Hero, heute in Grillparzers wundervoller
es hätte viel besser, schöner sein können, nun aber ist es zu
Liebesdichtung, von der Hofmannsthal einmal die schönen Zeilen
spät. Ein tiefer Gedanke, der uns auf religiösem Gebiete häufig
schrieb: „Auf ewig klingt hier ein Saitenspiel von Liebe.
in der asketischen Literatur begegnet. Dem sterbenden Toren
Auf ewig ist hier eine Laube der Träume aufgerichtet, deren
erscheinen der Reihe nach Mutter, Geliebte und Freund, die sein
Lieblichkeit die Jahre steigern, ein Schauplatz, benannt mit
Leben hätten verschönern, veredeln können, würde er ihre Liebe
süßen griechischen Namen und doch zeitlos, befremdlich und
beachtet und gewürdigt haben. Aber er merkte nicht die Schmer¬
einleuchtend, wie jene Schauplätze, die nachts in unserem Hirn
zen und Sorgen der Mutter, nicht die innige Treue der Braut,
sich aufschließen.“
S.
nicht den idealen Schwung des Freundes. So hat sein krasser
Egoismus ihn eigentlich am furchtbarsten betrogen und be¬
stohlen, er, der das Leben genießen wollte, hit es eigentlich
Das Grazer Schauspiel=Ensemble in Triest. Die Auf¬
gar nie gekannt. Die Regie kann nur sehr schwer dem mystischen
führung von Schönherrs „Glaube und Heimat“ in Triest durch
dämmerhef u Stimmungsgehalt dieses Einakters gerecht wer¬
unser Schauspiel=Ensemble erntete einen auch für südliche Verz
den. Schon gar nicht in einem großen Hause. Trotzdem leistete
hältnisse ganz ungewöhnlich stürmischen Erfolg, der sowohl dem
die Kunst der Burgtheatergäste das Möglichste. Herr Korff
Werke wie den Künstlern — Blanche, Brecher und Pater wurden
als Tor in der schwermütigen Beseelung seiner Verse, Herr
nach Schluß dreißigmal gerufen — galt. Das Haus war ganz
Heine als Tod, nicht der gespenstige Knochenmann, sondern ausverkauft.
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