II, Theaterstücke 5, Liebelei. Schauspiel in drei Akten, Seite 1105

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Liebelei
5. Seeennn
burg, Toronto.
(Quellenangabe ohne Gewähr.)
Ausschnitt aussemeiner Tiroler Anzeiger
vom:
Innsbruck
K

*VLiebelei“. — „Abschiedssouper“ von-AeturSchnitz¬
Etwas ganz Wesentliches fehlte dem gestrigen?“
Kheaterabend. Es ist das Wienerische. Schnitzler kann
man schlechterdings von Wien nicht trennen. Er ist
funter den Lebenden der klassische Wiener Dichter. Alle
die konträren Eigenschaften, die den heutigen Wiener
charakterisieren, hat er in seinen Werken sozusagen kri¬
stallisiert. Seine Gestalten sind leichtlebig=ernst, ober¬
flächlich=nachdenksam, spielerisch=strebsam. In seinem
Einakter „Weihnachtseinkäufe“ nannte Schnitzler zum
erstenmal die Liebste das „süße Mädel“. Mit seiner
„Liebelei“ hat er die Tragödie des Wienertums, des
„süßen Mädel“ geschrieben. Mit scharf sehendem Blick
hat er die Gestalten der vier jungen Leute erfaßt und
festgehalten. Zu Hunderten läuft diese Art in Wien
herum und da Schnitzler sie gut kennt, konnte er die
Stimmung auch voll ausschöpfen. In Ton und Lokal¬
farbe atmet hier alles Wiener Luft und Wiener Leicht¬
lebigkeit. Ergreifend und rührend zeigt Schnitzler, wie
diese leichtsinnige und gedankenlose Liebelei einem tiefer
fühlenden und empfindenden Mädchen das Herz bricht.
Der Kontrast mit der ausgelassenen Mizi wirkt um so
eindringlicher. — Also wie gesagt, das wesentliche Wie¬
ner Colorit kam nicht heraus. Eine Ausnahme muß
allerdings gemacht werden. Mila Waldheim, die
als Mizi debutierte, traf den Wiener Ton ganz prächtig;
sie hat ihn ja am Orte selbst studieren können. Für
Martha Newes war die Christine eine schwierige Auf¬
gabe. Die Hauptszene im dritten Akt ist für eine junge
Kraft schon deshalb anstrengend, weil der lang anhal¬
tende Affekt auf keinen Fall ermüdend einförmig her¬
auskommen darf. Ihre sentimentale Veranlagung läßt
Martha Newes zwar zu Herzen gehende Töne finden,
aber sie auch eine Klippe für die Schauspielerin werden.
Mit dem wienerisch angehauchten Dialekt der Aus¬
sprache war es gar nichts. Ebensowenig bei Framer
(Fritz), der überhaupt mehr aus sich herausgehen soll,
um nicht den Eindruck von Einseitigkeit zu erwecken.
Mit Daurer (Theodor) ging es noch gut. Noch besser
war Emmy Morocutti (Katharina). Ein guter, al¬
ter Vater von rührender Schlichtheit war der Weiring
Hellmuths. — Der Einakter „Abschiedssouper“
dem Ziklus „Anatol“ entnommen, ist frivol, „voll lie¬
benswürdigem Zynismus“, wie man gerne sachte cha¬
rakterisierend ausdrückt. Seder war als Anatol
ganz Lebemann, „einfach entzückend“ in seiner Selbst¬
verständlichkeit. Die Annie (Waldheim) ist die Ver¬
treterin jenes gewissen Wiener Frauentypus, der ge¬
rade in der Phäakenstadt ein breites und üppiges Da¬
sein lebt. Die Darstellung entsprach dem völlig. Das
Haus war gut besucht, der Beifall nach dem ersten Stück
andauornk
in Berlin, Basel, Budap.
Genf, Kopenhagen, London
New-Vork, Paris, Rom, San Francisco, Stockholm, St. retcis
burg, Toronto.
(Quellenangabe ohne Gewähr.)
Ausschnitt aus:
cter Stlumen, Laushrut
vom:
1à 10 1912
M
Stadttheater.
(Das heurige Jahr ist ein Jahr jubilierender
Dichter. Maurice Macierlinck hat seinen fünfzigsten
Geburtstag bereits gefeiert, Arthur Schnitzler ebenso;
Gerhart Hauptmann wird ihn demnächst feiern. Man¬
muß sich beeilen; kurz ist das Leben und wer weiß,
ob die Nachwelt nicht nur den Mimen, sondern auch
den Schaffenden keine Kränze flicht. Also feiert, jubi¬
liert, laßt leben. Unser Theater kann und will natür¬
lich derlei Gelegenheiten nicht sang= und klanglos vor¬
übergehen lassen und so hat man am vergangenen
Freitag wahrscheinlich in pietätvoller Erinnerung an
die 50 Jahre Arthur Schnitzlers diedrei#tige Tra¬
gödie „Liebelei“ und das einattige Lustspiel „Ab¬
schiedssouper“ gegeben. Die Tragödie des süßen
Mädels. Schnitzler ist ja der Sänger dieser Mädchen¬
gattung; er hat sie in die Literatur eingeführt, hat sie
literaturfähig gemacht. Es ist nicht gerade korrupt,
dieses süße Mädel, leichtsinnig allerdings; es will
nur leben, angenehm, gemütlich, lustig leben, denkt
nur an das Heute und an den Geliebten, schaut nicht
nach dem Morgen und nach der Zukunft, ja es dürften
ihm auch die geistigen Fähigkeiten für einen derartigen
Weitblick mangeln. Lebenslustig und stets fidel,
flatterhaft wie ein Schmetterling und in Wonne schwim¬
mend, wenn man ihm das Höchste auf der Welt, ein
Glas Sett reicht. Eine Abart ist das melancholische
süße Mädel, mit den traurigen melancholischen Augen,
das nur den einen Mann kennt und für denselben durch
das Feuer ginge; eine Art Kätchen von Heilbronn, nur
nicht so tugendhaft, aber seinem Herrn ebenso hündisch
folgsam und ergeben; ist mißtrauisch und eifersüchtig
über die Maßen und kennt keine andere Furcht, als daß
er untreu werden möchte. Im Grunde genommen ein
armes Geschöpf, das den ganzen Tag arbeitet und
schafft, nur an ihn denkt und die Stunde der Zusam¬
menkunft kaum erwarten kann. Gutmütig und nicht
gerade korrupt, aber überspannt, mit einem gewissen
Zug ins Hysterische. Diese arme Mädeln tragen schon
von Anfang an den Todeskeim in sich, denn der Mann
betrachtet das arme Geschöpf nur als seinen Spielball,
als sein Kätzchen, mit dem er sich eine Zeitlang spielt
und das er dann beiseite stößt; er schwört ihr zwar
ewige Liebe und Treue. Aber diese Liebe und Treue
währt nur von der Zimmertür bis zur Hausflur:
das bekannte Ringelspiel. Man spielt mit diesen
armen Geschöpfen wie mit kleinen Feuerwerken. Ihm
macht es nichts, aber dem armen Geschöpf verbrennt es
die Flügel und flügellahm endet dasselbe entweder in
einem der verrufenen Häuser oder in einer Wasserlache.
Frl. Newes gab am vergangenen Freitag dieses¬
melancholische süße Mädel; treuherzig und schlicht,
aber zu tiefernst, zu melancholisch, mit einer Leichen¬
bittermiene, als wenn es bereits im voraus wüßte,
daß es sich im letzten Akt erhängt oder ertränkt.
Daß Frl. Newes mit dem Wiener Dialekt auf sehr ge¬
spanntem Fuße stand, wäre das Schrecklichste gerade
nicht. Schrecklich war aber der Schmerzensschrei im
letzten Akt. Der gellte einem zwei Stunden lang in den
Ohren. Herr Framer gab den Fritz. Herr Framer
hat sich von der Kollege Crampton=Aufführung bis
zum vergangenen Freitag nicht geändert. Damals ist
uns sein etwas eckiges, stelzenhaftes, linkisches Spiel
aufgefallen. Wir haben dies damals auf das Konto
der Aufregung anläßlich der ersten Begegnung mit!
einem total neuen Publikum gesetzt. Allein Herr
Framer hat bis heute noch nicht die Natürlichkeit, die
Ungezwungenheit, das freie Spiel gefunden; und so
ist die Annahme gewiß nicht von der Hand zu weisen,
daß die Sache tiefer sitzt. Herr Framer wird also vor
allem darauf sehen, das Ungelenke, das Hölzerne
„gab