II, Theaterstücke 5, Liebelei. Schauspiel in drei Akten, Seite 1106

Liebelei
5. Sneenennnne
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Glas Seit reicht. Eine Abart ist das melänchölische
süße Mädel, mit den traurigen melancholischen Augen,
das nur den einen Mann kennt und für denselben durch
das Feuer ginge; eine Art Kätchen von Heilbronn, nur
nicht so tugendhaft, aber seinem Herrn ebenso hündisch
folgsam und ergeben; ist mißtranisch und eifersüchtig
über die Maßen und kennt keine andere Furcht, als daß
er untreu werden möchte. Im Grunde genommen ein
armes Geschöpf, das den ganzen Tag arbeitet und
schafft, nur an ihn denkt und die Stunde der Zusam¬
menkunft kaum erwarten kann. Gutmütig und nicht
gerade torrupt, aber überspannt, mit einem gewissen
Zug ins Hysterische. Diese arme Mädeln tragen schon
von Anfang an den Todeskeim in sich, denn der Mann
betrachtet das arme Geschöpf nur als seinen Spielball,
als sein Kätzchen, mit dem er sich eine Zeitlang spielt
und das er dann beiseite stößt; er schwört ihr zwar
ewige Liebe und Treue. Aber diese Liebe und Treue
währt nur von der Zimmertür bis zur Hausflur;
das bekannte Ringelspiel. Man spielt mit diesen
armen Geschöpfen wie mit kleinen Feuerwerken. Ihm
macht es nichts, aber dem armen Geschöpf verbrennt es
die Flügel und flügellahm endet dasselbe entweder in
einem der verrufenen Häuser oder in einer Wasserlache.
Frl. Newes gab am vergangenen Freitag dieses
melancholische süße Mädel; treuherzig und schlicht,
aber zu tiefernst, zu melancholisch, mit einer Leichen¬
bittermiene, als wenn es bereits im voraus wüßte,
daß es sich im letzten Akt erhängt oder ertränkt.
Daß Frl. Newes mit dem Wiener Tialekt auf sehr ge¬
spanntem Fuße stand, wäre das Schrecklichste gerade
nicht. Schrecklich war aber der Schmerzensschrei im
letzten Akt. Der gellte einem zwei Stunden lang in den
Ohren. Herr Framer gab den Fritz. Herr Framer
hat sich von der Kollege Crampton=Aufführung bis
zum vergangenen Freitag nicht geändert. Damals ist
uns sein etwas eckiges, stelzenhaftes, linkisches Spiel
aufgefallen. Wir haben dies damals auf das Konto
der Aufregung anläßlich der ersten Begegnung mit
einem total neuen Publikum gesetzt.
Allein Herr
Framer hat bis heute noch nicht die Natürlichkeit, die
Ungezwungenheit, das freie Spiel gefunden; und so
ist die Annahme gewiß nicht von der Hand zu weisen,
daß die Sache tiefer sitzt. Herr Framer wird also vor
allem darauf sehen, das Ungelenke, das Hölzerne
seines Spieles abzustreifen.
Den alten Weiring gab
Herr Hellmuth schlicht und einfach und Herr
Daurer den Georg mit der nötigen humorvollen
Nonchalance. Eine lustige resche Schlager Mizzi war
Frl. Waldheim.
Die Regie würde gut daran tun, zum Schluß
des letzten Aktes den Rotstift gehörig in die Hand zu
neh nen. Denn diese übermäßig lange Flennerei und
Heulerei wirkt, da sie sich immer in den gleichen
Tönen bewegt, langweilig und ermüdend und man
ist froh, wenn das Mädel endlich zur Türe hinaus¬
stürzt, wenn man ihm auch ein besseres Los wünscht.
Den Schluß des Abends bildete Schnitzlers: „Ab¬
schiedssouper“, ein nicht allzu witziges und allzu geist¬
Herren Seder und Framer und dem Frl. Waldheim.
Aus der Theaterkanzlei wird uns geschrieben:
Heute: „Der Liebeswalzer“. (Serie gelb.)
Mittwoch: Gilberts Operette „Die keusche Susanne“.
Donnerstag: Die Operette „Heimliche Liebe“ von
Paul Ottenheimer.
Freitag: „Der Erbförster“, Trauerspifl von Otto
Ludwig.