II, Theaterstücke 5, Liebelei. Schauspiel in drei Akten, Seite 1118

5. Liebelei
KteLSer box 12/4
Ausschnitt aus: Die Zeit, Wien
15 1. 1315
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Seeneen

mmmenn
Stück mit seinen Figuren von der Wiener
strichen und dadurch zu hochtrabender Lächer¬
lichkeit.
Straße verträgt eine Musik von pathetischer
Szenen, die im Schnitzlerischen
Theater und Kunst.
Schauspiel durch ihr düstere Knappheit wir¬
musikdramatischer Faktur nicht. Fritz und Dori,
ken, wie der plötzliche Besuch des fremden Herrn
Christine und Mizzi, zu solchen Namen läßt sich
Volksoper.
bei Fritz, werden breitgetreten und aufgedon¬
keine Musik im großen Stil komponieren. Die
(„Liebelei.“ Oper in drei Akten nach dem Schau¬
Musik der Puccinischen „Bohème“, das etwa
nert. Die Souperlzene, die durch das Tempo
spiel von Artur Schnitzler Musik von Franz
des Dialogs wirken muß mit Bleigewichtern
wären die Töne, die man sich zur „Liebelei“
Meumann.)
belastet. Der überbildete Walzer mit seiner un¬
denken könnte. Die flotten Rhythmen, die
mg Fritz Lobbeimer und Theodor Kaiser,
witzigen Motive des ersten Aktes, würden sich
ruhigen Chromatik und seiner Orchesterpoly¬
Christine Weiring und Mizzi Schlager...
vortrefflich der Soupenzene anpassen, Fritz und
phonie, zu dem sich der Komponist in der
welchem Wiener Theaterbesucher waren das
Souperszene herabläßt, ist wirklich nichts
Christine müßten sich in jener zart par¬
nicht wohlvertraute Figuren? Aus dem Schnitz¬
weniger als lustig und wer aus der reizenden
fümierten, elegischen und sentimentalen melo¬
lerischen Schauspiel sind die beiden jungen
Sauperszene musikalisch nichts herausschlägt.
iösen Sprache unterhalten, wie Rudolf und
Wiener Herren mit ihren süßen Mädeln,
hat gewiß keinen Witz und keine Leichtigkeit.
Mimi, und selbst die tragischen Momente
lustigen Mizzi und der sentimentalen Christine,
ohne die man ein Schnitzlerisches Stück nicht
dürften nicht ernsthafter behandelt sein als die
auf die Opernbühne übersiedelt, und Herr Fritz
in Musik setzen kann.
der „Bohém.“. Nur müßte die „Bohème“=Musik
muß nicht mehr zwischen dem zweiten und dem
Das Lob eines gebildeten Musikers kann man#
ins Wienerische übertrogen werden, und der
dritten Akt sang= und klanglos sterben, sondern
Franz Neumann, der als Kapellmeister in
Duft der schweren Holukkderblüten, die über
erhält sein großes symphonisches Leichenbegäng¬
Frankfurt wirkt nicht vorenthalten. Er kann,
das Gitter des Volksgartens sich herabsenken,
nis erster Klasse mit feierlich drapierten Mo¬
was sich lernen läßt, schreibt ein Orchester, das
und der Rosen im Stadtpark dürfte nicht
tiven, heroischen Massenklängen, pompösen
oft vortrefflich klingt, wandelt seine Notive
fehlen. Wo aber ist der Wiener Puccini, der sich
Bleapotheosen, als ob er ein alter Wikinger
nach allen Regeln der Kunst ab, füllt seine Parti¬
am Lachen der Wiener Mädchen inspirieren
oder Normannenherzog wäre und nicht die
tur mit Stimmen und Gegenstimmen, mit
würde? Franz Neumann, ein gebildeter und
modernsten Krawatten trüge und die neuesten
effektvollen und nagelneuen Klangmischungen,
technisch kultivierter Mus#er, ist es gewiß nicht.=
Bücher aus dem Fischerischen Verlag auf dem
kurz, er ist ein beschlagener und erfahrener
Dazu fehlt ihm die originelle Erfindung, das
Tisch liegen hätte. Die beiden süßen Mäde!
Musiker mit moderner Technik, wie es deren in
melediöse Talent, der wärmere, herzliche Ein¬
tragen jetzt moderne Leitmotive: Mizzi ein
Deutschland besonders unter den Opernkapell¬
fall. Gaben, die durch keinerlei Orchester¬
plapperndes und schwatzendes, das vermutlich
meistern nicht wenige gibt. Manchmal nimmt
mischung und Motivtechnik ersetzt werden
von ihrer Vorlibe für Mokkacremietocten er¬
er sogar einen Polauf zu breiterer Melodik,
können. Welch ein geschmackloser Einfall über¬
zährt. Christine ein schmachtendes Hörnermotiv.
schreibt er eine äftigere Phrase nieder, eine
dies, Schnitzlers „Liebelei“ wortwörtlich
Aus Christinens Zimmer blickt man noch immer
schwungvollere Wendung, aber als Ganzes im
Musik zu setzen! Ein Hauptreiz des Schnitzle¬
auf den Kahlenberg, aber der Kahlenberg
ganzen genommen, ist seine Musik vollständig
rischen Werkes ist sein Dialog, der jetzt in
wundert sich vermutlich nicht wenig, daß Fritz
unversönlich. Sie packt nicht und erwärmt nicht,
unnatürlichster Weise musikalisch aufgeblasen
Christine ein motivisches Liebesduett wie
hat keine eigentliche poetische Stimmung und
und dadurch seiner Grazie, seiner Anmut und
stan und Isolde anstimmen. Es ist eine
wenig melodische Substanz. Wie schön wäre es
seines Witzes beraubt wird. Man stelle sich Sätze
sonderbars Welt, diese Opernbearbeitung von
aber gewesen, wenn die süßen Mädel den ge¬
wie „Neulich war ich in der Josofstadt“
Schnitzlers bestem Schauspiel, das im Grunde
bildeten Kapellmeister zu einer herrlichen Me¬
oder „Wo ist denn der Stoppelzieher?“ oder
trotz allen seinen Geistes, trotz seines witzigen
lodie inspiriert hätten, für die wir alle kontra¬
„Wann gehst du mit mir ins Orpheum?“ in
Dialogs und seiner gepflegten Sentimentalität
punktierenden Nebenstimmen, die Harfen¬
den modernsten deklamatorischen Stil über¬
doch ein echtes Wiener Volksstück ist und nun
tragen vor! „Im August hab' ich so wie so
alissandi, gedämpften Bläserklänge, schnattern¬
von einem jungen, modernen Musiker mit dem
Waffenübung...“ „Na, du, aus dem Schematis¬
den Holzbläser, hohe, sordinierte und geteilte
Aufgebot aller neuen technischen Mittel als
Geigen und alle die technischen Hausmittel des
mus hast du die Sachen nicht gelernt“: alle
Musikdrama mit durchgeführter Motivarbeit in
modernen Musikers gern hingeben würden. Und
diese realistischen Sätze, die gesprochen so
Musik gesetzt wurde.
natürlich und anheimelnd klingen, werden
wenn die Melodie auch noch poetisch und aus¬
pathetisch deklamiert, orchestral untermalt,
Ein empfindlicher Mangel an Stilgefühl zeigt
drücksvoll wäre, wenn sie ein wenig wienerische
sich in dieser Art der Vertonuna. Schnitzlers motivisch kommentiert, ausgedeutet, unter¬ Anmut besäße, wenn man aus ihr das Lachen