Liebelei
box 12/4
5. J
Ausschnitt auspr
20 m0. Jarg 0 Tientags-Courier,
vom:
Theater und Kunst.
Volksoper. (Liebelei", Text nach dem gleichnami¬
gen Schaupiel von Arthur Schnitzler, Musik von Franz
Neumann). Es mag auf den ersten Blick sonderbar er¬
scheinen, mit Schnitzlers „Liebelei“ musikalisch zu kommen
und wie es jetzt Mode geworden, das Schauspiel auch als
Opernbuch zu benützen. Nachdem sich nun die jungen
Wiener Herren und süßen Mädeln mit Musikbegleitung
gezeigt haben, weiß man, daß das glänzende Schauspiel
schon darum auch ein glänzendes Opernbuch ist, weil die
Situationen als solche so spannend und theatralisch effekt¬
voll find, daß sie chon an und für sich, mögen sie wo und
wie immer erscheinen, jene packende Wirkung haben, die
die Bühne verlangt. Der Komponist brauchte vor allem
nur dazuzusehen, daß er in diese Situationen nicht mit
seiner Musik störend hineinfalle. Er hat #ese Auf¬
mit großem Geschick gelöst; überall, wo sich die Vorgänge
stark dramatisch gestalten — wie in der Szene zwischen
den beiden Nebenbuhlern — tritt er zurück, läßt die Situ¬
ation für sich sprechen und wird gerade dadurch viel ein¬
dringlicher als wenn er mit einem beredten Orchester
alles erklären und erzählen wollte, was auf der Bühne
geschieht. Dadurch ist nun allerdings aus dem Schauspiel
keine rechte Oper geworden es ist im Wesen Schauspiel
geblieben wie denn auch oft die rezitierende Deklamation
an Stelle der gesungenen tritt. Die Musik hat darum auch
wenig selbständige Geltung, ausgenommen einige lyrische
Stellen, wie das Duett zwichen Fritz und Christine im
ersten Akt (wohl die musikalisch hübscheste Stelle im gan¬
zen Werke überhaupt.) Vielleicht ist sie aus diesem Grunde
ohne jedes Profil und ohne Physiognomie, sowohl was
Erfindung, Harckonie, Instrumentation und das Lokalko¬
lorit betrifft. Diese Mängel werden durch die starke Thea¬
terbegabung, die sich schon in der Wahl des Buches äußert,
weniger fühlbar. Nur der Dialog wird sichtlich schwerfällig,
da der hiezu nötige leichte Konversationston in der Musik
fehlt, wobei oft allzu sinnwidrige Betonungen störend
fühlbar werden. Musikalische Höhepunkte sind das er¬
wähnte Duett im ersten sowie die stumme Szene nach dem
Beginne des ersten Aktes, der überhaupt die anderen
musikalisch überragt.
Die Volksoper widmete der Novität eine sehr abge.
rundete und gut inszenierte Vorstellung. Frln. Engel ist
besonders in dramatischen Momenten, vorzüglich als
Christine. Frl. Röder (Mizzi Schlager) findet sich mit
ziemlichen Anstand mit ihrer Rolle ab. Herr Brand als
Theodor war ein singender Kutschera, HerrLußmann stellte
seinen sympathischen und weichen, nur manchmal zu for¬
cierten Tenor dem Fritz zur Verfügung. Sehr gut Herr
Bandler mit einer gemütvollen lyrischen Baßstimme als
alter Weiring. Nicht zu vergessen der „Herr“ (Herr Klein)
mit seinem eleganten und diskreten Spiel und Frl. Macha.
Der Komponist konnte nach allen Aktschlüssen für oftmali¬
zen Hervorruf danken. Ebenso wurde der Dirigent, Herr
Tittel, dem das gute Zusammenwirken zwischen Orchester
und Bühne zu danken ist, sowie der Regisseur der Vor¬
stellung Herr Markovsky gerufen. Am Schlusse erschien
—r.
sogar Schnitzler.
Ausschnite Malel Aeueste Nachrichten
Z0CK11313
vom:
Theater.
Volksoper. Was wohl den Frankfurter
/Oberkapellmeister Franz Neumann, gebürtig aus
Prirau, gereizt haben mag, gerade zu Schnitzlers
Schauspiel „Liebelei“ eine Musik im Phemistil
zu Schreiben, wird immer etwas rätselhaft bleiben.
4D Schauspiel enthält nichts, was nach einem
mußkalischen Ausdruck unbedingt verlangen würde,
Wirkung und sein geistiger Inhalt liegen im
Wokte und es ist überflüssig die stimmungsvollen
Szenen des Schauspiels zu illustrieren. Wenn ein
routinierter Musiker dennoch dieses Wagnis unter¬
Enahm, so handelt er unkünstlerisch und beging
eine Sünde wieder den guten Geschmack. Aus
Sätzen, wie z. B. „Wo ist denn der Korkzieher?“
der „Du hast ein Konversationslexikon“ oder „Aus
dem Militarismus“, Rezitative zu machen, wirkt
nebenbei ungemein komisch. Der flotte Konversa¬
tionston Schnitzlers wird von der Musik zum
größten Teil erdrückt, nur in der dramatischen
Steigerung des zweiten und dritten Aktes kann
man die Tonmalerei unter prinzipieller Verwahrung
noch hinnehmen, dabei ist jedoch die Musik Neu¬
manns fast durchaus geschickt und verrät überall
den seiner Sache sicheren theaterkundigen Mann.
Direktion und Regie der Volksoper haben alle
Mühe aufgeboten, um dieser Opernaufführung den
Beifall zu sichern, der sich denn auch reichlich ein¬
stellte. Kavellmeister Tittel führte das Orchester
mit staunenswertem Schwung über die Uferlosig¬
keiten dieser Dialogmusik hinweg und die Sänger
setzten alle Kräfte ein, ihr Vorzüglichstes zu leisten.
Aber auch Herrn Lußmanns prächtiger Tenor')und
das charakteristische süße Mädl des Frl. Engel
vermögen nicht über die Unnatur der Neumann¬
Oper hinwegzutäuschen.
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5. J
Ausschnitt auspr
20 m0. Jarg 0 Tientags-Courier,
vom:
Theater und Kunst.
Volksoper. (Liebelei", Text nach dem gleichnami¬
gen Schaupiel von Arthur Schnitzler, Musik von Franz
Neumann). Es mag auf den ersten Blick sonderbar er¬
scheinen, mit Schnitzlers „Liebelei“ musikalisch zu kommen
und wie es jetzt Mode geworden, das Schauspiel auch als
Opernbuch zu benützen. Nachdem sich nun die jungen
Wiener Herren und süßen Mädeln mit Musikbegleitung
gezeigt haben, weiß man, daß das glänzende Schauspiel
schon darum auch ein glänzendes Opernbuch ist, weil die
Situationen als solche so spannend und theatralisch effekt¬
voll find, daß sie chon an und für sich, mögen sie wo und
wie immer erscheinen, jene packende Wirkung haben, die
die Bühne verlangt. Der Komponist brauchte vor allem
nur dazuzusehen, daß er in diese Situationen nicht mit
seiner Musik störend hineinfalle. Er hat #ese Auf¬
mit großem Geschick gelöst; überall, wo sich die Vorgänge
stark dramatisch gestalten — wie in der Szene zwischen
den beiden Nebenbuhlern — tritt er zurück, läßt die Situ¬
ation für sich sprechen und wird gerade dadurch viel ein¬
dringlicher als wenn er mit einem beredten Orchester
alles erklären und erzählen wollte, was auf der Bühne
geschieht. Dadurch ist nun allerdings aus dem Schauspiel
keine rechte Oper geworden es ist im Wesen Schauspiel
geblieben wie denn auch oft die rezitierende Deklamation
an Stelle der gesungenen tritt. Die Musik hat darum auch
wenig selbständige Geltung, ausgenommen einige lyrische
Stellen, wie das Duett zwichen Fritz und Christine im
ersten Akt (wohl die musikalisch hübscheste Stelle im gan¬
zen Werke überhaupt.) Vielleicht ist sie aus diesem Grunde
ohne jedes Profil und ohne Physiognomie, sowohl was
Erfindung, Harckonie, Instrumentation und das Lokalko¬
lorit betrifft. Diese Mängel werden durch die starke Thea¬
terbegabung, die sich schon in der Wahl des Buches äußert,
weniger fühlbar. Nur der Dialog wird sichtlich schwerfällig,
da der hiezu nötige leichte Konversationston in der Musik
fehlt, wobei oft allzu sinnwidrige Betonungen störend
fühlbar werden. Musikalische Höhepunkte sind das er¬
wähnte Duett im ersten sowie die stumme Szene nach dem
Beginne des ersten Aktes, der überhaupt die anderen
musikalisch überragt.
Die Volksoper widmete der Novität eine sehr abge.
rundete und gut inszenierte Vorstellung. Frln. Engel ist
besonders in dramatischen Momenten, vorzüglich als
Christine. Frl. Röder (Mizzi Schlager) findet sich mit
ziemlichen Anstand mit ihrer Rolle ab. Herr Brand als
Theodor war ein singender Kutschera, HerrLußmann stellte
seinen sympathischen und weichen, nur manchmal zu for¬
cierten Tenor dem Fritz zur Verfügung. Sehr gut Herr
Bandler mit einer gemütvollen lyrischen Baßstimme als
alter Weiring. Nicht zu vergessen der „Herr“ (Herr Klein)
mit seinem eleganten und diskreten Spiel und Frl. Macha.
Der Komponist konnte nach allen Aktschlüssen für oftmali¬
zen Hervorruf danken. Ebenso wurde der Dirigent, Herr
Tittel, dem das gute Zusammenwirken zwischen Orchester
und Bühne zu danken ist, sowie der Regisseur der Vor¬
stellung Herr Markovsky gerufen. Am Schlusse erschien
—r.
sogar Schnitzler.
Ausschnite Malel Aeueste Nachrichten
Z0CK11313
vom:
Theater.
Volksoper. Was wohl den Frankfurter
/Oberkapellmeister Franz Neumann, gebürtig aus
Prirau, gereizt haben mag, gerade zu Schnitzlers
Schauspiel „Liebelei“ eine Musik im Phemistil
zu Schreiben, wird immer etwas rätselhaft bleiben.
4D Schauspiel enthält nichts, was nach einem
mußkalischen Ausdruck unbedingt verlangen würde,
Wirkung und sein geistiger Inhalt liegen im
Wokte und es ist überflüssig die stimmungsvollen
Szenen des Schauspiels zu illustrieren. Wenn ein
routinierter Musiker dennoch dieses Wagnis unter¬
Enahm, so handelt er unkünstlerisch und beging
eine Sünde wieder den guten Geschmack. Aus
Sätzen, wie z. B. „Wo ist denn der Korkzieher?“
der „Du hast ein Konversationslexikon“ oder „Aus
dem Militarismus“, Rezitative zu machen, wirkt
nebenbei ungemein komisch. Der flotte Konversa¬
tionston Schnitzlers wird von der Musik zum
größten Teil erdrückt, nur in der dramatischen
Steigerung des zweiten und dritten Aktes kann
man die Tonmalerei unter prinzipieller Verwahrung
noch hinnehmen, dabei ist jedoch die Musik Neu¬
manns fast durchaus geschickt und verrät überall
den seiner Sache sicheren theaterkundigen Mann.
Direktion und Regie der Volksoper haben alle
Mühe aufgeboten, um dieser Opernaufführung den
Beifall zu sichern, der sich denn auch reichlich ein¬
stellte. Kavellmeister Tittel führte das Orchester
mit staunenswertem Schwung über die Uferlosig¬
keiten dieser Dialogmusik hinweg und die Sänger
setzten alle Kräfte ein, ihr Vorzüglichstes zu leisten.
Aber auch Herrn Lußmanns prächtiger Tenor')und
das charakteristische süße Mädl des Frl. Engel
vermögen nicht über die Unnatur der Neumann¬
Oper hinwegzutäuschen.