II, Theaterstücke 5, Liebelei. Schauspiel in drei Akten, Seite 1147

Liebelei
5. 1

box 12/4
Ausschnitt aus:pb Blät.), Wien
20.0KT1913
vom:
Müd# WITiebelei“
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(Oper in drei Akten (nach dem gleichnamigen Schauspiel von Arthur
hnitzler) von Franz Neumann. Erstaufführung an der
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Volksoper.)
Es war kein geringes künstlerisches Wagnis, Schnitzlers ruhm¬
bedecktes Schauspiel „Liebelei“, dessen Zauber nicht in sanglicher
Schönheit der Sprache liegt, sondern in anmutiger tiefer Mensch¬
lichkeit, traumerischer Wehmut und graziösem Wienertum, die wie
ein zarter Schleier über die Dichtung als Ganzes gebreitet sind,
in Töne zu formen. Der durch das Milieu bedingte Dialog mit
seinen oft absichtlich alltäglichen Wundungen — vom Dialekt ganz
abzusehen — sträubt sich gegen das Pathos der Musik. Es galt
also einen Prosa=Text durchzukomponieren, wie dies Richard Strauß
(und die Anlehnung an ihn wie an Puccinni ist unverkennbar)
zuerst mit Erfolg gewagt hat.
Franz Neumann, ein junger Komponist, gegenwärtig als
Kapellmeister in Frankfurt tätig, wo auch die Uraufführung des
Werkes vor drei Jahren stattfand, hat, offenbar von der Tragik
des Schnitzlerschen Buches angeregt, dieses zur fast unveränderten
Grundlage seines Melodrams gemacht. Bei dem Charakter des dich¬
terischen Vorwurfes mußte sich die Musik naturgemäß mehr auf
das szenisch Untermalende beschränken. Dennoch ist der Komponist
nicht im dahinfließenden Parlando stecken geblieben, sondern findlet
Ansätze zu charakteristischen Themen und weiß die lyrischen Stim¬
mungsmomente durch Töne von reizvoller Melodik zu illustrieren.
So besonders in der Klavier=Romanze des ersten Aktes, im Liebes¬
duett des zweiten Aktes, in der schwermütigen Stimmungsmalerei
des dritten Aktes. Auch in den dramatischen Szenen der Dichtung,
deren tragische Wucht allerdings für sich allein so mächtig wirkt, daß
sie durch die Musik kaum zu überbieten ist, findet Neumann
packende Akzente. Namentlich ist im ersten Akt der Uebergang von der
ausgelassen heiteren Stimmung zum furchtbaren Ernste der Situation,
den das Erscheinen des Genugtuung fordernden Ehegatten mit sich
bringt, von lebendiger Wirkung und dramatischer Schlagkraft. Auch
der Akt, der durch ein breit ausgesponnenes, Duell und Tod illu¬
strierendes Vorspiel eingeleitet wird, mit seiner kunstvollen Stei¬
gerung zeigt dramatisches Talent und Ursprünglichkeit der musikalischen
Erfindung.
Die Aufführung stand unter allen Anzeichen eines großen Er¬
folges. Direktor Simons hat auch alles aufgeboten, um die
Premiere erfolgreich zu gestalten. Das künstlerisch ausgestattete In¬
terieur des ersten Aktes, das überaus stimmungsvolle Bühnen¬
bild des zweiten und dritten Aktes bildjeten den effektreichen sceni¬
schen Nahmen der Vorstellung. Von den Darstellern ragt vor allem
Fräulein Engel hervor durch die schlichte Innigkeit, mit der sie
die stille hingebende Mädchenliebe der Cchristine verkörpert und, durch
den Wohllaut ihres blühenden, kultivierten Organs. Fräulein Roe¬
der wirkte zwar wie beim ersten Auftreten durch ihre schöne Stimme,
doch fehlt ihr vollständig die jugendfrische Naivität und das
prickelnde kecke Temperament der „Schlager=Mizzi“ dieses köstlichen
Juwels eines „Wiener Mädels“, Auch Herr Lußmann, des¬
sen breiter glänzender Tenor in der Partie des „Fritz“ eine dankbare
gesangliche Aufgabe fand, ist mehr schwerblütiger als „leichtsinniger
Melancholiker“. Ergreifend der Weiring des Herrn Bandler,
der den alten Violinspieler mit sonniger Wärme und kindlicher Güte
ausstattete und bewies, daß er neben den Schätzen seiner Kehle die
Fähigkeit intimster Charakterisierung besitzt. Herr Klein als.
„fremder Herr“ unheimlich wie ein Symbol des rächenden Schick¬
sals, von köstlicher Wirkung die boshafte Katharina des Fräulein
Macha. Das ausverkaufte Haus feierte den Komponisten und den
Autor, der endlich auch vor der Rampe erscheinen mußte und rief
alle Mitwirkenden oft und oft vor die Gardine. Ein besonderes
Loh gebührt Herrn Kapellmeister Tittel, der das vorzügliche
Orchested mit hinreißendim Esan dixigierte.
EAK