II, Theaterstücke 5, Liebelei. Schauspiel in drei Akten, Seite 1148

Liebelei
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5. Aenennnnn
asschnitt aus: Der Hamierist, Wien
21011812
Feuilleton.
„Liebelei“
Oper in drei Akten, nach dem gleichnamigen Schauspiel von Artur
Schuitler, Musik von Franz Neumann. (Zum ersten Male aufge¬
führt in der Volksoper am 14. Oktober 1913.)
Es war ein kühnes Unternehmen, Schnitzlers warmblütiges,
im täglichen Leben wurzelndes und dazu mit einem zarten Hauch
wienerischer Poesie übergossenes Stück, von wenigen Kürzungen
abgesehen, so wie es steht in Musik zu setzen. Die Schwierigkeiten,
welche der musikalischen Gestaltung entgegenstehen, sind so enorme,
daß ein restloses Gelingen fast ausgeschlossen erscheint und die zum
großen Teile sehr gelungene Lösung der schwierigen Aufgabe
durch Herrn Neumann alles Lob verdient. Die Hauptschwierigkeit
besteht in dem musikalischen Erfassen des flotten Konversations¬
tones und da versagt naturgemäß die Musik stellenweise überhaupt,
weniger der Musiker, welcher sich nur, wenn er ganz in die Enge
getrieben, hie und da mit gesprochenenen melodramatischen Sätzen
helfen muß. Weit günstigeren Boden für die musikalische Be¬
arbeitung bieten die gefühlswarmen Liebesszenen und die drama¬
tischen Höhepunkte, welche gesteigerte Akzente zulassen. In dem
ununterbrochen fließenden Gewebe illustrierender Musik tauchen
charakterisierende Themen auf, welche teilweise zu Leitmotiven
heranwachsen. So tönt in die leichten, heiteren Klänge, welche
die lustige Stimmung in Fritzens Wohnung, die übermütige
Mizzi und die lyrischere Christine begleiten, schon ein drohendes
Motiv, welches an die gefahrvolle Verbindung Fritzens mit der ge¬
heimnisvollen Frau und das daraus entstehende Unheil gemahnt;
es wird, nachdem es die gewaltig gesteigerte Szene mit dem
„Herrn“ fundamentiert, zum dramatischen Hauptmotiv. Viel
Schönes bringt die große Liebesszene des zweiten Aktes, welche
für den Abschied ergreifenden, von stärkstem Pathos erfüllten
Ausdruck findet. Hier nimmt die Musik auch geschlossenere Formen
an, welche sonst meist in den Ansätzen stecken bleiben. Trotzdem
findet der Komponist Gelegenheit, sich ungehindert auszubreiten,
am meisten in dem ausführlichen Vorspiel zum dritten Akt, welches
das Duell und Fritzens Tod schildert. Außerdem stellt er noch im
ersten Akte einen artigen Walzer bei, läßt ein altes Lied und den
bekannten „Doppeladlermarsch“ zur Geltung kommen, macht mit
einem fließenden Fugato in der Introduktion zum zweiten Akte
der „Tabulatur“ sein Kompliment und bringt noch hie und da
zarte, melodische Blüten. Herr Neumann ist jedenfalls ein begabter
Komponist, der die Technik gründlich beherrscht, das Orchester ganz
meisterlich handhabt und mit seiner, wenn auch nicht dankbaren,
so doch interessanten und schwierigen Arbeit aufmunterndes Lob
verdient. Er strebt nicht nach gesuchten, übermodernen Bizarrerien,
bleibt gerne natürlich und daher auch dem großen Publikum ver¬
ständlich.
Der Aufführung der „Liebelei“ erwächst neben dem musika¬
lischen Teil noch eine große Schwierigkeit: die Opernsänger müssen
moderne Menschen im modernen Gewande darstellen und sowohl
großen stimmlichen Anforderungen wie auch dem Konversations¬
ton gewachsen sein. Glücklicherweise verfügt die Volksoper über
solche Kräfte. Die „Schlager=Mizzi“, das süße wiener Mädel, von
einer norddeutschen Sängerin verkörpern zu lassen, ist allerdings
ein arger Mißgriff, doch wäre es ungerecht, das musikalisch und
gesanglich tüchtige Frl. Roeder dafür verantwortlich zu machen,
daß die Wirkung dieser reizenden, echten Figur ausblieb. Frl. Engel
gab mit der Christine eine erschütternde schauspielerische Leistung
aus einem Gusse. Ihre mangelnde Gesangstechnik trat leider
wieder (besonders in dem Liede am Klavier) störend hervor.
Große Fortschritte hat Herr Lußmann gemacht. Seine Stimme
hat an Kraft und Volumen zugenommen, sie wird noch stärkere
Wirkungen erzielen, wenn er einen weniger forcierten Gebrauch
davon macht. Herr Brand als Theodor war einfach und sym¬
pathisch, Herr Klein als „ein Herr“, abgesehen von der ungünstigen
Maske, sehr eindringlich und energisch in Ton und Gebärde.
Frl. Macha gab der bösen Nachbarin die richtige spitze Schärfe
und Herr Bandler fand für den guten Vater Weiringer warme
Töne. Die Regie (Herr Markowsky) sorgte, vom Dichter
unterstützt, für die richtigen szenischen Bilder und das Orchester
unter Kapellmeister Tittel löste seine gewiß schwierige Aufgabe
mit wohltuender Eraktheit und Diskretion.
Die Aufnahme der Novität war eine sehr freundliche. Nach
den Aktschlüssen wurde mit allen Mitwirkenden auch der Kom¬
ponist unzählige Male stürmisch gerufen und bejubell. V. Se