II, Theaterstücke 5, Liebelei. Schauspiel in drei Akten, Seite 1176

auf der Leinwand nicht dargestellt werden könnte,
keine Situation muß unausgedrückt hleiben auf dem
Film, dessen Technik heute bereits so sehr vollendet
ist, daß die üppigste Phantasie eigentlich doch nur
Kinderspiele zur darstellerischen Lösung beisteuern
kann. Es ist also selbstverständlich, daß man sich
im Bewußtsein kinemalogrophischer Ausdrucksmächte
einfach an jene Männer, die heute in Deutschland
als die Häupter der Kunst gelten, mit dem Ersuchne
um bestimmte Lieferungen dieser Kunst wendet. Ein
vereinigtes Marschieren von Kino und Kunst: das
war's, was der äußersten Vollkommenheit noch
fehlte. Und seit wenigen Tagen ist denn auch die
Verbrüderung von Kientopp und Dichtern end¬
gültig zur schönen Tatsache geworden..
In besonderer Versammlung hat der „Ver¬
band deutscher Bühnenschriftsteller“ zu Berlin die
Gründung eines „Lichtspielvertriebs“ beschlossen,
dessen Aufgabe es sein wird, die Beziehungen e.—
matischer Autoren zu den Kinofabriken und Kine¬
matographentheatern zu regeln. Sicherlich wird
sich diese Aufgabe zu einer überaus segensreichen
gestalten, denn man darf annehmen, daß eine ganze
Reihe mehr und minder bekannter dramatischer Au¬
toren sich aufmerkiam und liebevoll dem ihrer Muße
neuerschlossenen Gebiete werden nähern wollen, seit
die Führer des dramatischen Deutschland kein Be¬
denken mehr tragen sich kinematographisch aufführen
zu lassen. Zwar ist's erstaunlich zu hören daß sich
Gerhart Hauptmann, Arthur Schnitzler, Hugo von
Hofmannsthal in unvermutet aufkeimender Liebe
für den Kino entschlossen haben. Aber was die
Meister selbst tan, ist nur ganz selbstverständlich für
Jünger und Schuler eder Rivalen ein Sporn zur
Nachohmung. So weit ist die Gründung eines
„Lichtspielvertriebes“ für die deutschen Bühnen¬
schriftsteller ohne Zweifel eine Notwendigkeit. Denn
vermutlich wird's in der nächsten Zeit eine wahre
Hausse geben: die Dichter, die alle werden für den
Kino Dramen dichten wollen.
Die Angelegenheit, die der neue Lichtspiel¬
vertrieb so klug und hilfreich regeln will, hat aber
nicht nur die schutzbedürftige, wirtschaftlike Seite.
Da bei ihrer Erörterung gar so viel von der Ver¬
edlung, von der ethischen, neuzuschaffenden Kino¬
grundlage gesprochen wurde, muß man untersuchen,
wie weit denn überhaupt eine solche Veredelung des
Films möglich wäre. Und just die Technik, die
nmdervare Technik, auf die sich der Kino so über¬
aus viel einbildet wird hier den Wirten einen
Strich durch die Rechnung machen. Man muß nicht
etwa an Arthur Schnitzler, denken, an diesen fein¬
sten aller dramatischen Stimmungskünstler, an
diesen Meister andeutender und halbgesprochener
Dialoge, um der Auführbarkeit dramatischer Werke
in wirklich künstlerischem Sinne überhaupt mit
einiger Skepsis zu begegnen Wenn man die dra¬
matische Dichtung des gesprochenen Worts berauben
will, so könnte man ebenso gut Opern ohne Musik
aufführen oder den Malern die Farbe für ihre
Bilder verwehren. So vollendet die Kinotechnik in
ihrer ganzen Art auch sein mag, sie ist dennoch
trotz mancherlei Entgegenkommens in Bezug auf die
darzustellenden Stoffe eine durchaus andere, als die
des wirklichen Drama :. In jeder Tragödie, in je¬
dem Schauspiel wird es Dinge geben, die zwischen
den handelnden Personen nicht durch eine Grimasse
oder durch ein Achselzucken verständlich gemacht
werden können. Das Gebiet des Films ist das
Physisch=Phantastische. Seine Stärke lieat in der
Möglichkeit, auch noch die unwahrscheinlichsten Si¬
tuationen mit Leichtigkeit in tadellos ineinander¬
schließenden Bildern erstehen zu lassen. Tauchende
Unterseeboote und karambolierende Lokomotiven,
machen gewiß keinem Filmregisseur irgendwie Kopf¬
zerbrechen. Aber die Filmtechnik wird primitiv
hölzern und monoton, so wie der Uebergang vom
Physischen ins Psychische gewagt wird. Gewiß wird
manche an der „Duse des Kino“ das Gesicht an sich
durch eindringlichen Ausdruck rühren können. Aber
im Allgemeinen werden doch die Verständlichkeits¬
zeichen für die verschiedenen Affekte so ziemlich
immer die gleichen bleiben. Zornige stampfen auf
den Boden, Sehnsüchtige schmachten mit vorgebo¬
genem Oberleib und lyrisch verbogenn Armen und
Leute, die heimlich etwas Böses vorhaben, schütteln
drohend die Faust, wenn der Bedrohte geoßartig ab.
ging. Auf solche Art wird man kaum Schnitzlers
„Weites Land“ oder Hofmannsthals Frau im
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