II, Theaterstücke 5, Liebelei. Schauspiel in drei Akten, Seite 1219

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Ausschallt absh
rliner, Local Anzei,
12 Mnit
VOM:
Dihastpile Wahitant.
nn. Im Theater am Nollendorfplatz fand
Hestern (Freitag) abend zugunsten des unter dem
Protektorat der Kaiserin stehenden Deutschen
Frauenvereins vom Roten Kreuz für die Kolo¬
nien eine Aufführung von Arth#
dreiaktigem Schauspiel „Liebelei all dis
hätie erwarten sollen, daß bei einer Veranstal¬
tung, bei der der Logenplatz 50 M. und der Par¬
kettplatz in den vorderen Reihen 20 M. kostete,
ein geschlossenes gesellschaftliches Bild zu erzielen
gewesen wäre. Doch war leider nichts davon zu
spüren. Nur wenige Damen waren in Gesell¬
schaftsrobe und nur vereinzelte Herren im Frack
erschienen, im übrigen herrschten Smoking und das
sogenannte gute Kleid vor, doch konnte man im
Parkett auch Herren im grauen Straßenanzug
und in
den Logen Damen im, sagen
wir, Straßenkostüm sehen. Um so einheitlicher
war das Bild, das sich von der Bühne bot.
Eine Anzahl vortrefflicher Künstler hatte sich in
den Dienst der guten Sache gestellt und führte ihre
Aufgaben mit voller Hingabe an das Werk durch.
Allen voran Agnes Sorma, deren Christine als
eine Meisterleistung längst bekannt und gewürdigt
ist, und die auch gestern wieder mit ihren echten
Herzenstönen tief zu rühren und zu erschüttern
wußte. In der Rolle des Fritz war auch Kurt
Stieler kein Neuling mehr, und es bleibt deshalb
nur übrig, zu sagen, daß er auch diesmal ein vor¬
treffliches Charakterbild dieses im Kerne ehrlichen,
aber an seiner inneren Schwäche zugrunde
gehenden jungen Offiziers schuf. Der Gewinn
des Abends war Fritzi Massarys ganz ausgezeich¬
nete Mizi. Es zeigte sich hier, welch einen
Fonds echten Künstlertums in dieser Darstellerin
steckt, die ihre besten Kräfte leider in seichten
Soubrettenrollen erschöpfen muß. Und eine nicht
weniger angenehme Ueberraschung waren der
ae
schlichte und ergreifende Weinig Max Pallenbergs
und Karl Pfanns diskret und vornehm durch¬
geführter Theodor Kaiser. In den kleinen Episo¬
den der Frau Binder und des Barons fügten sich
Rosa Valetti und Franz Blei dem vorzüglichen
Ensemble wirkungsvoll ein. Das sehr zahlreich:
erschienene Publikum lohnte die Vorstellung, die
sicher auch einen reichen klingenden Erhagse¬
liefert hat, mit starkem Beifall.
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Berlinex,Morgenpost, Beri¬
m: 12.
B

Die Horma als süßes Mädel.
Zu wohltatigm Zwed. Artan
“ im Theater am Rollen¬
dorfplatz.
Frau Agnes Sorma und Schnitzlers „Süßes
Mädel“ Christine sind beide älter geworden, seit
man sie zum letztenmal in Berlin sah. Das
Schnitzlerstück scheint heute, wo es schon eine
ganze Tradition gezeugt hat, wo der „Liebelei“¬
Dichter zuletzt ein ganz von Gedanken erfülltes,
männliches und unsentimentales Drama wie den
„Professor Bernhardi“ geschrieben hat, wie eine
sehr liebe, sehr zarte, aber durch die leichte Art,
mit der sie sich kopieren ließ, ein bißchen uninter¬
essant gewordene Arbeit. Frau Agnes Sorma
ihrerseits hat leider keine schauspielerische Tra¬
dition hinterlassen; vergeblich würde man unter
ihren jüngeren Kolleginnen eine suchen, die dem
Glanz und der Gnadenfülle ihrer früheren Jahre
gleichkäme. Frau Sorma ist eine große, Künst¬
lerin noch heute, und wenn ihr auch für das
süße Mädel Christine die herbe, halbaufgeblühte
Grazie nicht mehr zu Gebote steht, wenn ihr
härteres Schlesisch auch nicht mehr sich allen
Rhythmen des wienerischen Geplauders an¬
schmiegen kann, respektiert man noch immer ihre!
vornehme Weiblichkeit und wird durch ihren
tiefen Schmerz mitergriffen.
Für diese Aufführung hatte Direktor Zavrel,
der im nächsten Jahr wohl das Theater am
Rollendorfplatz und die Kunst wieder mit¬
einander aussöhnen dürfte, die schauspielerischen
Energien freigelegt, die in den Stars seines
Operettenensembles schlummern. Man sah Max
Pallenberg als den alten Musiker Weiring,
ein Kabinettstück, wie aus einer Kriehuberschen
Lithographie geschnitten, von Alter und Leiden,
zergilbt, bis in den Kern rührende Einfalt. Man
sah die Massary als Schlager=Mizzi, kokett¬
und zutraulich, wenn auch mit recht viel Selbst¬
bewußtsein, und Herrn Pfann, der den Wiener
Lebejüngling ganz aus dem Handgelenk spielen
kann. Nur mit dem deutlichen Sprechen stehen
die Herrschaften von der Operette ein wenig auf
Kriegsfuß. Eine Art mißglückter Sensation war
das Auftreten des Schriftstellers Dr. Franz
Blei (ohne Hornbrille), dem der „fremde Herr“
zugedacht war. Er war, wie Bernhard Shawz
sagen würde: „Patrizier und Dilettant".
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