Liebe
box 12/6
5. S
, Kom, Sen Pronelsec, Sletauele. —
(Gaedionengabe vane Gowuns).
Ausschaltt aus: Deutsche Warte, Berli
vom: 10. APRIL 1915
Theater und Musik.
Theater am Rollendorfplatz.
Eine interessante Vorstellung hatte gestern ein vor¬
nehmes Publikum im Theater am Nollendorsplatz zusammen¬
geführt. Die Aufführung galt wohltätigen Zwecken und die
Darsteller waren Künstler mit klangvollen Namen und aus
verschiedenen Lagern. Die Vorstellung fand zum Besten des
Deutschen Frauenvereins vom Roten Kreuz
für die Kolonien statt, der unter dem Protektorat der
Kaiserin steht. Eine erlesene Zuschauerschar, in eleganter
Toilette, füllte das schöne Theater; auch der Staatssekretär des
Reichskolonialamtes Dr. Solf war ####esend. Keine Ge¬
ringere als Agnes Sorma hatte sich in din Dienst der Wohl¬
tätigkeit gestellt, und mit ihr bildeten Kurt Stieler vom Lessing¬
Theater und neben Rosa Valetti und Franz Blei noch die
drei Hauptkräfte des Theaters am Nollendorsplatz: Fritzi
Massary, Max Pallenberg und Carl Pfann ein außergewöhn¬
liches Ensemble. Gegeben wurde Schnitzlers Schauspiel
„Liebelei“. Allzu oft mag wohl nsicht geprobt worden
sein, aber die routinierten Krafte fanden sich bald, wenn sie
auch in dem Bestreben, recht diskret und naturlich zu spielen,
zu weit gingen. Der Ton war zu gedämpft, es fehlte die
Frische, das Tempo war zu gemächlich, es fehlte die faszinie¬
rende Kraft. Fritzi Massary brachte in der Rolle der
feschen, lebensfrohen und leichtgesinnten Mizi Schlager einiges
Leben auf die Bühne und in die Stimmung der Zuhörer.
Agnes Sorma verlieh der Christine, dem süßen Wiener
Mädel, die innigsten Züge, aber sie traf den Ton herben
Schmerzes und bitterer Verzweiflung besser, als die zärtlichen
Ausdrücke einer naiven, liebenden Mädchenseele. Kurt
Stieler gelang es nicht, die Rolle des Fritz Lobheimer zu
vertiefen und sympathisch zu gestalten. Karl Pfann fand
sich mit der Uldankvären Figli des Theodor Kaiser dure
legeres Spiel ab. Max Pallenberg verkörperte der
alten Weiring mit dem Humor und der Gute des abgetlärter
Menschenkenners und Lebensphilosophen; nur hin und wieder sal
durch das liebenswürdige Gesicht der Komiker hindurch. Di¬
Episodenrollen der Katharina Binder und des namenloser
Herrn waren durch Rosa Valetti bzw. Franz Blei an
gemessen besetzt.
13 ANEn=O Peituug, Berit
vom:
„Liebelei“ im Theater am Rollendorfplatz.
J. A. B. Es war eine Wohltätigkeilsvorstellung voller
Pikanterien,“ Hoffentlich hat das „„Rote Kreuz“ Freude an ihr
gehabt. Uns-war es, eine Freude, Ahnee Sorma als Christine
wiederzüsehen. Eine rührende Volksgestalt, umzittert von allen
Melancholien bürgerlicher Enge. So treue, unmittelbar erregte
Kunst hilft (wenn auch die Augenblicke blutjunger Zärtlichkeiten
mehr angedeutet als erlebt erscheinen) selbst über Dialektfernen
und über —— — Jahre hinweg. Das jüngste Herz kann Leid
der Liebe nicht heftiger empfinden und empfinden lassen als
dieses. Drei Operettensänger bewiesen ihr reines künstlerisches
Geblüt durch die Ungesuchtheit, mit der sie hier dem Schauspiel
dienten. Fritzi Massary war als Mizzi Schlager in jedem
Takt: Leben. Scharf, nie überscharf. Ein notwendiges
soziales Ergebnis. Herr Pallenberg ein liebes, altes¬
Tatterchen aus Mariahilf. Zuletzt schon an gefährlicher Stotter¬
Grenze. Aber auch eine Volksgestalt. Eine Verkörperung be¬
haglichsten Schlendrians, von entwaffnend gutmütiger Unbe¬
deutendheit (nur nicht immer vernehmlich genug) war der
Theodor des Herrn Pfann. Den Fritz spielte Herr Stieler
korrekt wie stets; die Todesgewißheit wich nie von ihm. Und
auf mich hat auch Franz Blei als der unheimliche Herr, der
seine Wohierzogenheit mühsam meistert, starken Eindruck ge¬
macht. Das Ungewöhnliche, das die Bühne für diesen Schrift¬
steller ist, spielte hier um ihn und für ihn. Und mehr als
Illussion, hier durch die hagere und noble Erscheinung sehr ge¬
fördert, kann man nicht verlangen. Man ahnte während der
drei Akte oft Fugen, die undicht geblieben waren; dennuch hat
der Regisseur, Franz Zavrel, aus diesem Material, das aus drei
Welten kam, eine überraschende Stimmungs=Einheit aufgebaut.
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5. S
, Kom, Sen Pronelsec, Sletauele. —
(Gaedionengabe vane Gowuns).
Ausschaltt aus: Deutsche Warte, Berli
vom: 10. APRIL 1915
Theater und Musik.
Theater am Rollendorfplatz.
Eine interessante Vorstellung hatte gestern ein vor¬
nehmes Publikum im Theater am Nollendorsplatz zusammen¬
geführt. Die Aufführung galt wohltätigen Zwecken und die
Darsteller waren Künstler mit klangvollen Namen und aus
verschiedenen Lagern. Die Vorstellung fand zum Besten des
Deutschen Frauenvereins vom Roten Kreuz
für die Kolonien statt, der unter dem Protektorat der
Kaiserin steht. Eine erlesene Zuschauerschar, in eleganter
Toilette, füllte das schöne Theater; auch der Staatssekretär des
Reichskolonialamtes Dr. Solf war ####esend. Keine Ge¬
ringere als Agnes Sorma hatte sich in din Dienst der Wohl¬
tätigkeit gestellt, und mit ihr bildeten Kurt Stieler vom Lessing¬
Theater und neben Rosa Valetti und Franz Blei noch die
drei Hauptkräfte des Theaters am Nollendorsplatz: Fritzi
Massary, Max Pallenberg und Carl Pfann ein außergewöhn¬
liches Ensemble. Gegeben wurde Schnitzlers Schauspiel
„Liebelei“. Allzu oft mag wohl nsicht geprobt worden
sein, aber die routinierten Krafte fanden sich bald, wenn sie
auch in dem Bestreben, recht diskret und naturlich zu spielen,
zu weit gingen. Der Ton war zu gedämpft, es fehlte die
Frische, das Tempo war zu gemächlich, es fehlte die faszinie¬
rende Kraft. Fritzi Massary brachte in der Rolle der
feschen, lebensfrohen und leichtgesinnten Mizi Schlager einiges
Leben auf die Bühne und in die Stimmung der Zuhörer.
Agnes Sorma verlieh der Christine, dem süßen Wiener
Mädel, die innigsten Züge, aber sie traf den Ton herben
Schmerzes und bitterer Verzweiflung besser, als die zärtlichen
Ausdrücke einer naiven, liebenden Mädchenseele. Kurt
Stieler gelang es nicht, die Rolle des Fritz Lobheimer zu
vertiefen und sympathisch zu gestalten. Karl Pfann fand
sich mit der Uldankvären Figli des Theodor Kaiser dure
legeres Spiel ab. Max Pallenberg verkörperte der
alten Weiring mit dem Humor und der Gute des abgetlärter
Menschenkenners und Lebensphilosophen; nur hin und wieder sal
durch das liebenswürdige Gesicht der Komiker hindurch. Di¬
Episodenrollen der Katharina Binder und des namenloser
Herrn waren durch Rosa Valetti bzw. Franz Blei an
gemessen besetzt.
13 ANEn=O Peituug, Berit
vom:
„Liebelei“ im Theater am Rollendorfplatz.
J. A. B. Es war eine Wohltätigkeilsvorstellung voller
Pikanterien,“ Hoffentlich hat das „„Rote Kreuz“ Freude an ihr
gehabt. Uns-war es, eine Freude, Ahnee Sorma als Christine
wiederzüsehen. Eine rührende Volksgestalt, umzittert von allen
Melancholien bürgerlicher Enge. So treue, unmittelbar erregte
Kunst hilft (wenn auch die Augenblicke blutjunger Zärtlichkeiten
mehr angedeutet als erlebt erscheinen) selbst über Dialektfernen
und über —— — Jahre hinweg. Das jüngste Herz kann Leid
der Liebe nicht heftiger empfinden und empfinden lassen als
dieses. Drei Operettensänger bewiesen ihr reines künstlerisches
Geblüt durch die Ungesuchtheit, mit der sie hier dem Schauspiel
dienten. Fritzi Massary war als Mizzi Schlager in jedem
Takt: Leben. Scharf, nie überscharf. Ein notwendiges
soziales Ergebnis. Herr Pallenberg ein liebes, altes¬
Tatterchen aus Mariahilf. Zuletzt schon an gefährlicher Stotter¬
Grenze. Aber auch eine Volksgestalt. Eine Verkörperung be¬
haglichsten Schlendrians, von entwaffnend gutmütiger Unbe¬
deutendheit (nur nicht immer vernehmlich genug) war der
Theodor des Herrn Pfann. Den Fritz spielte Herr Stieler
korrekt wie stets; die Todesgewißheit wich nie von ihm. Und
auf mich hat auch Franz Blei als der unheimliche Herr, der
seine Wohierzogenheit mühsam meistert, starken Eindruck ge¬
macht. Das Ungewöhnliche, das die Bühne für diesen Schrift¬
steller ist, spielte hier um ihn und für ihn. Und mehr als
Illussion, hier durch die hagere und noble Erscheinung sehr ge¬
fördert, kann man nicht verlangen. Man ahnte während der
drei Akte oft Fugen, die undicht geblieben waren; dennuch hat
der Regisseur, Franz Zavrel, aus diesem Material, das aus drei
Welten kam, eine überraschende Stimmungs=Einheit aufgebaut.