5. Liebelei
box 12/6
# Velkszeitung
vom: 20 HRZ
tschecer Kreis
1
Stadtthegter.
„Liebelei“ von Arth Schmitzier=Vene¬
fiz Hansi Just. Mit diesem Drama, das 1895 er¬
schien, gelang dem Dichter die stärkste Wirkung. Es
ist das Trauerspiel eines Mädchenherzens, das sich
ganz gegehen und dafür ein ganzes Männerherz
gewonnen zu haben glaubt, jedoch nach dem plötz¬
lichen Tode des Geliebten erfahren muß, daß
für ihn zur eine Liebelei gewesen ist. Das Stuck—
ruht auf (allhemein menschlichen, darum auch ergrei¬
fendem Gründe, ist gut aufgebaut und straff zu
Ende geführt. Es ist bis heute Schnitzlers bedeu¬
tendster Beitrag zum lebendigen Drama der Ge¬
genwart. Lobheimer hat eine Liebschaft mit einer
Frau. Um ihn von diesem gefährlichen Wege ab¬
zubringen, arrangiert sein Freund Theodor eine
Liebelei zwischen ihm und Christine, der Tochter
eines Violinspielers im Glauben, es möchte zwi¬
schen den beiden so gehen, wie zwischen ihm und
der feschen Mizi, wo man im Mai noch nicht weiß,
wen man im August lieben mag. Zwischen Lob¬
heimer aber und Christine erwächst eine richtige
Liebe. Da greift die Vorgeschichte verderbend in
das junge Menschenglück ein. Der betrogene Ehe¬
mann reumet jetzt mit Lobheimer ab und fordert
ihn. Dieser nimmt in Vorausahnung seines To¬
des von Christine Abschied. Er fällt im Duell.
Der harrenden und bangenden Christine bringt erst
der Vater die halbe, Theodor dann die ganze
Wahrheit. Das liebe Mädchen hat die dunkle
Ahnung, daß sie geopfert wurde, sie geht das Grab
des Geliebten besuchen und kommt nicht mehr wie¬
der. — Die Aufführung war ganz gut vorbereiter.
Die beiden Freunde wurden von den Herren Gal¬
lina und Kliwar, jeder nach seiner Eigenart cha¬
rakterisiert. Die Mizi Schlager, Typus eines ech¬
ten Wiener Mädels, spielte fesch und gewandt Frl.
Anderle, die 1. Soubrette, die etwas stillere und
sanfte Christine Frl. Just. Die Stellen des
Schmerzes und Worte des inniger Tröstung wur¬
den recht verständlich gesprochen, wodurch die große
dramatische Seene des dritten Aktes in ihrer gan¬
zen Tiefe wirkte. H. Hartig stellte den Weiling
recht gut dar, die Klatschbase des Frl. Tomaschek
war zutreffend.
Ausschnitt aus
gerer Zeitung
130574
vom:
„Liebelet“. Schauspiel in 3 Akten von Artie#
Ein zärtlich, inniges Stück, in das man verliebt sein muß,g
weil es so ganz unpathetisch die stärksten Akzente beschwbö¬
render Innigkeit findet. Es ziehr durch dasselbe eine leise,
süße, allerdings auch recht traurige echt Schnitzler'sche Wiener
Melodie. Auf alle Fälle ist es das beste der Schnitzler'schen
Wramatik; denn die oft gespielten „Der einsame Weg“ oder
gar das grobschlächtige, nach Knalleffekten zielende Theater¬
stück „Der Ruf des Lebens“ erreichen nicht die Höhe des
vorhergenannten. Interessieren dürfte es, daß Fritz Neu¬
mann nach diesem Schauspiel eine Oper schuf, die in der
Wiener Volksoper bei ihrer Erstaufführung einen ziemlichen
Achtungserfolg erzielte.
Die Leichtigkeit, Natürlichkeit und Sorglosigkeit der
Mehrzahl der in „Liebelei“ vorkommenden Rollen geben
dem Stücke eine echt wienerische Färbung. Hohenau als
Fritz fand sehr gut die Leichtigkeit und F ische der so tragisch
zerbrochenen Jugend, Walter René war ein eleganter,
humorvoller Theodor, Toni Horwitz eine samose Figur der
hlagermizi, ein leichtsinniges, gutmütiges, süßes Mädel.
Die Rolle der Christine (Fredda Börken) hätte etwas mehr!
Natürlichkeit vertragen. Berta Hettler, Juhn und Hofstetter
sekundierten in ihren kleineren Rollen auf's beste; von ihnen
sind wir's ja auch nicht anders gewohnt.
Ueber die Ausstattung soll diesmal der Mantel tiefen
Schweigens gebreitet sein.
„Liebelei ist ein schönes Schauspiel und nachdem
sehr flott gespielt wurde, war es für die Zuhörer ein recht!
vergnügter Abend.
ere Waricht
Joole
Ausschnitt aus:
edeburgische Zeitung
vn 511
Theater
Zentraltheater
Arthur Schnitzler, Liebelel.
(Gastspiel des „Kleinen Theaters“, Berlin.)
Dieses Spiel wird jung bleiben, wenn es auch einmal der
Zeit nach altern sollte. Denn die alltägliche Großstadtgeschichte,
die der Anfänger Schnitzler da zum Schauspiel formte, hat
einen Hauch vom Erlebnis wit auf den Weg bekommen. Und
solche Stücke behalten ihren Duft und Zauber, wenn sie auch
sonst nicht in jeder Linie Wunsch und Vorteil bezwingen. —
Daher auch der Anteil, den „Liebelei“ nach der neuerlichen
Wiederaufnahme in den Spielplan findet. Und der sich auch
auf die Magdeburger Bevölkerung übertrug, wie das stark be¬
suchte Haus belegte. —
Die Wiedergabe hatte die Selbstverständlichkeit einer durch
ofte Wiederholungen gut eingespielten Truppe. Hier „stand“
jeder Ton, jede Bewegung fand den Ausdruck ungezwungenster
Natürlichkeit. Solch abgetöntes, ausgereiftes Spiel ist ja (lei¬
der) nur den Theatern beschieden, die des schnell wechselnden
Spielplans entraten können und so die ganze Kunst aus zin
Werk für lange Zeit zusammenschließen.
Leonore Ehn traf den Ton der schwerblütigen Christine,
die an der ersten Liebe zerbricht, mit all seiner Verliebtheit und
Verschwärmtheit und mit dem endlichen Erkennen einer Wahr¬
heit, die ja auch, wenn der Theaterzufall nicht gar so grausam
spielen wollte, über kurz oder lang hätte durch die niedere
Stubentür treten müssen, lieb, wahr und zum bitteren Ende
ergreifend. Ihre kleine gutmütig=weltkluge Gegenspielerin
(Mia Hellmuth) war ein echtes Weaner Madl, anmutig und
leichtsinnig, lustig und bequem. Die beiden Freunde Fritz und
Theodor (Paul Otto und Julius Falkenstein) gingen
beide vielleicht um einen Ton zu weit, der eine in seiner Zer¬
quältheit, die zu wenig von Jugend an sich hatte, der andere
in seiner leis an den Komiker gemahnenden Art. Mit fried¬
licher Milde und schlichter Natürlichkeit war die Figur des
alten Violinspielers (Emil Marx) gezeichnet.
Der schönste Gewinn des Abends freilich blieb das bis
zum letzten Worte abgeklärte Zusammenspiel. — Der Beifall
E. F.
war verdient.
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# Velkszeitung
vom: 20 HRZ
tschecer Kreis
1
Stadtthegter.
„Liebelei“ von Arth Schmitzier=Vene¬
fiz Hansi Just. Mit diesem Drama, das 1895 er¬
schien, gelang dem Dichter die stärkste Wirkung. Es
ist das Trauerspiel eines Mädchenherzens, das sich
ganz gegehen und dafür ein ganzes Männerherz
gewonnen zu haben glaubt, jedoch nach dem plötz¬
lichen Tode des Geliebten erfahren muß, daß
für ihn zur eine Liebelei gewesen ist. Das Stuck—
ruht auf (allhemein menschlichen, darum auch ergrei¬
fendem Gründe, ist gut aufgebaut und straff zu
Ende geführt. Es ist bis heute Schnitzlers bedeu¬
tendster Beitrag zum lebendigen Drama der Ge¬
genwart. Lobheimer hat eine Liebschaft mit einer
Frau. Um ihn von diesem gefährlichen Wege ab¬
zubringen, arrangiert sein Freund Theodor eine
Liebelei zwischen ihm und Christine, der Tochter
eines Violinspielers im Glauben, es möchte zwi¬
schen den beiden so gehen, wie zwischen ihm und
der feschen Mizi, wo man im Mai noch nicht weiß,
wen man im August lieben mag. Zwischen Lob¬
heimer aber und Christine erwächst eine richtige
Liebe. Da greift die Vorgeschichte verderbend in
das junge Menschenglück ein. Der betrogene Ehe¬
mann reumet jetzt mit Lobheimer ab und fordert
ihn. Dieser nimmt in Vorausahnung seines To¬
des von Christine Abschied. Er fällt im Duell.
Der harrenden und bangenden Christine bringt erst
der Vater die halbe, Theodor dann die ganze
Wahrheit. Das liebe Mädchen hat die dunkle
Ahnung, daß sie geopfert wurde, sie geht das Grab
des Geliebten besuchen und kommt nicht mehr wie¬
der. — Die Aufführung war ganz gut vorbereiter.
Die beiden Freunde wurden von den Herren Gal¬
lina und Kliwar, jeder nach seiner Eigenart cha¬
rakterisiert. Die Mizi Schlager, Typus eines ech¬
ten Wiener Mädels, spielte fesch und gewandt Frl.
Anderle, die 1. Soubrette, die etwas stillere und
sanfte Christine Frl. Just. Die Stellen des
Schmerzes und Worte des inniger Tröstung wur¬
den recht verständlich gesprochen, wodurch die große
dramatische Seene des dritten Aktes in ihrer gan¬
zen Tiefe wirkte. H. Hartig stellte den Weiling
recht gut dar, die Klatschbase des Frl. Tomaschek
war zutreffend.
Ausschnitt aus
gerer Zeitung
130574
vom:
„Liebelet“. Schauspiel in 3 Akten von Artie#
Ein zärtlich, inniges Stück, in das man verliebt sein muß,g
weil es so ganz unpathetisch die stärksten Akzente beschwbö¬
render Innigkeit findet. Es ziehr durch dasselbe eine leise,
süße, allerdings auch recht traurige echt Schnitzler'sche Wiener
Melodie. Auf alle Fälle ist es das beste der Schnitzler'schen
Wramatik; denn die oft gespielten „Der einsame Weg“ oder
gar das grobschlächtige, nach Knalleffekten zielende Theater¬
stück „Der Ruf des Lebens“ erreichen nicht die Höhe des
vorhergenannten. Interessieren dürfte es, daß Fritz Neu¬
mann nach diesem Schauspiel eine Oper schuf, die in der
Wiener Volksoper bei ihrer Erstaufführung einen ziemlichen
Achtungserfolg erzielte.
Die Leichtigkeit, Natürlichkeit und Sorglosigkeit der
Mehrzahl der in „Liebelei“ vorkommenden Rollen geben
dem Stücke eine echt wienerische Färbung. Hohenau als
Fritz fand sehr gut die Leichtigkeit und F ische der so tragisch
zerbrochenen Jugend, Walter René war ein eleganter,
humorvoller Theodor, Toni Horwitz eine samose Figur der
hlagermizi, ein leichtsinniges, gutmütiges, süßes Mädel.
Die Rolle der Christine (Fredda Börken) hätte etwas mehr!
Natürlichkeit vertragen. Berta Hettler, Juhn und Hofstetter
sekundierten in ihren kleineren Rollen auf's beste; von ihnen
sind wir's ja auch nicht anders gewohnt.
Ueber die Ausstattung soll diesmal der Mantel tiefen
Schweigens gebreitet sein.
„Liebelei ist ein schönes Schauspiel und nachdem
sehr flott gespielt wurde, war es für die Zuhörer ein recht!
vergnügter Abend.
ere Waricht
Joole
Ausschnitt aus:
edeburgische Zeitung
vn 511
Theater
Zentraltheater
Arthur Schnitzler, Liebelel.
(Gastspiel des „Kleinen Theaters“, Berlin.)
Dieses Spiel wird jung bleiben, wenn es auch einmal der
Zeit nach altern sollte. Denn die alltägliche Großstadtgeschichte,
die der Anfänger Schnitzler da zum Schauspiel formte, hat
einen Hauch vom Erlebnis wit auf den Weg bekommen. Und
solche Stücke behalten ihren Duft und Zauber, wenn sie auch
sonst nicht in jeder Linie Wunsch und Vorteil bezwingen. —
Daher auch der Anteil, den „Liebelei“ nach der neuerlichen
Wiederaufnahme in den Spielplan findet. Und der sich auch
auf die Magdeburger Bevölkerung übertrug, wie das stark be¬
suchte Haus belegte. —
Die Wiedergabe hatte die Selbstverständlichkeit einer durch
ofte Wiederholungen gut eingespielten Truppe. Hier „stand“
jeder Ton, jede Bewegung fand den Ausdruck ungezwungenster
Natürlichkeit. Solch abgetöntes, ausgereiftes Spiel ist ja (lei¬
der) nur den Theatern beschieden, die des schnell wechselnden
Spielplans entraten können und so die ganze Kunst aus zin
Werk für lange Zeit zusammenschließen.
Leonore Ehn traf den Ton der schwerblütigen Christine,
die an der ersten Liebe zerbricht, mit all seiner Verliebtheit und
Verschwärmtheit und mit dem endlichen Erkennen einer Wahr¬
heit, die ja auch, wenn der Theaterzufall nicht gar so grausam
spielen wollte, über kurz oder lang hätte durch die niedere
Stubentür treten müssen, lieb, wahr und zum bitteren Ende
ergreifend. Ihre kleine gutmütig=weltkluge Gegenspielerin
(Mia Hellmuth) war ein echtes Weaner Madl, anmutig und
leichtsinnig, lustig und bequem. Die beiden Freunde Fritz und
Theodor (Paul Otto und Julius Falkenstein) gingen
beide vielleicht um einen Ton zu weit, der eine in seiner Zer¬
quältheit, die zu wenig von Jugend an sich hatte, der andere
in seiner leis an den Komiker gemahnenden Art. Mit fried¬
licher Milde und schlichter Natürlichkeit war die Figur des
alten Violinspielers (Emil Marx) gezeichnet.
Der schönste Gewinn des Abends freilich blieb das bis
zum letzten Worte abgeklärte Zusammenspiel. — Der Beifall
E. F.
war verdient.