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5. Liebelei
—
Ausschnitt Dme Freie Presse, Wien
vom:
1
B
Theater= und Kunstnachrichten.
Wien, 4. September.
[Deutsches Volkstheater.] Artur Schuiblers
Schauspiel „Liebelei“ ist heute, neu in Szene gesetzt, wieder auf¬
genommen worden. Schnitzler hat seit diesem seinem ersten drama¬
tischen Erstlingswerke im Seelischen tiefer geschürft, seine Technik
ist reicher und kräftiger geworden, aber die volkstümliche, weit
über die Greuzen unserer Heimat reichende Wirkung ist keinem
späteren Werke so unmittelbar zuteil geworden. Heute, mehr als
zwanzig Jahre seit der denkwürdigen Burgtheaterpremiere, ist
dieses Stück in der zarten Aquarellfarbe unverblaßt, es hat nichts
an Helle und Lebendigkeit, an Grazie und Wahrheit der Empfin¬
dung eingebüßt. Es st wie jedes wirkliche Kunstwerk wahr und
jung geblieben, viellticht, weil eine ganze Jugend hier spielerisch¬
wehmutig widerklang. Noch heute wird man von diesen jungen
Leuten, der noch immer köstlich echten Schlager=Mizzi, dem ernsten
Fritz und dem übermütigen Theodor, ergötzt und gerührt; man
fühlt die Fremdheit zwischen der Welt Christinens und ihres Ge¬
liebten, der für eine fremde Frau in den Tod gegangen ist. Und
man fühlt wieder jenen besonderen heimatlichen Duft, der vielleicht
jetzt, auch drüben im Reich, inniger als jemals vorher verstanden
wir. Will man dem Werdegang Schnitzlers folgen, merken,
wie seine Hand — eine überlegen gestaltende Künstlerhand —
immer leichter, immer freier den Piniel führt, so braucht man nur
„Komtesse Mizzi“, diese allerliebste Gesellschaftspersiflage, zu be¬
trachten, die heute der „Liebelei als Satirspiel folgte. Zwischen
der Schlager=Mizzi und der ein wenig schmppischen und keines¬
wegs tugendreichen „Komtesse Mizzi“, die ihr Vater sein „Möderl“
nennt, während sie selbst in der Stille bereits ein recht erwachsenes
—
Bübchen besitzt
zwischen diesen beiden amüsanten
Figuren spielen kleine, boshafte Zusammenhänge; darum sind
s#, nebeneinander gestellt, besonders wirksam. Fräulein Waldow
spielt die Schlager=Mizzi um ein paar Nuancen zu laut, als
Komtesse Mizzi wirkt sie besonders durch ihre spöttische Dis¬
kretion. Fräulein v. Wagner hält sich als Christine ein wenig
zu starr an die heroische Linie, erst in den letzten Szenen war sie
von überzeugender Schlichtheit. Herr Edthofer (Fritz) gibt
ein Kabinettstück an Delikatesse, Herr Klitsch läßt das
Dämonische in der Erscheinung des fremden Herru ein wenig
vermissen, Herr Huber ist ein lustiger Theodor. Die Leistungep¬
der Herren Kuischera und Lackner, der Damen Glöckuer
und Thaller sind bekannt und gewürdigt. Das dicht befüchte
Haus nahm den Schnitzler=Abend mit Wärme entgegen.“
Wuchenangabe oeine Gewahr.)
Ausschnitt a#s:
Zenes Wisder Jourhal, Wie
181910
vom:
(Deutsches Volkstheater.) Arthur Schnitzlers Schau¬
Lspiel „Liebelei“ wurde (gestern neutaszeniert dem Spiekplan ein¬
gefügt. Man erfreut (sich immer wieder an den. unverblaßten
Glanze dieser stillen Dichtung.
In Zauhef der Jugend hat.
Mit poetischer Zartheit is hite die Wiener-A mosphäre ein¬
gesangen und die Luft des Milieus hat hier ihren eigenen Duft.
Frau Erika v. Wagner spielte zum ##stenmal die Cheistine. Man
keumnt ihre tiefere Schlichtheit und ihren persönlichen Ton im Lyrischen
Der dunkle Hintergrund eines großen Schicksals, das hier ein kleines
Mädel erlebt, war in der ganzen Gestaltung zu verspüren. Der
Ausschrei im letzten Alt liegt ihrem Naturell wohl am besten
er Kutschera hielt den alten Beirtag in Linien edler Einfachheit“
sencheschimmernde Philosorz
Menschen
east.
ein Walben
hatts #s
*
— bel 1915
Nr. 7855
Mizzi für strotzende Echtheit zu sorgen Die Herren Ediho#er.
Huber, Klitsch und Frau Thaller schlossen sich mit hübschen
Leistungen an. Die Regie des Herrn Rosenthal wurde den
intimen Stimmungen des Stückes in geschickter Weise gerecht.
— Hierauf folgte das kecke Lustspiel „Komiesse Mizzt“ oder
„Der Familientag.“ In die i reizender Einakter steckt mehr
Komödiengeist als in menchen abendsüllenden Stücke. Der Dinge
Ja und Nein wird hier oft in einem Satze ausgesprochen. Mit
tieferer Ironie werden die vornelmen Sprünge des Zufalls
beleuchtet. Die seelischen Enthüllungen sind im literorischen
Sinne amüsant. Und wenn man genauer hinsieht, bemerkt man
ganz deutlich, daß in diesem kleinen Werk bereits die
Bausteine zum
„Weilen Land“ gelegt sind Die
Komödie wurde von den Damen Waldow und Glöckner sowie von
den Herren Kramer Edihoser. Klitsch und Huber in sein groteskem
Ton heruntergeplaudert. Besonders trot Herr Lackner hervor, der
als Graf Pazmandy churakteristisch in jeder Geste und frei von
allem Theatralischen war. Der anregende Abend fand reichen
Beifall.
(Stadttheater.) Gertrecd Ereldt erschieneen in 2—
Frassanit-aus.
Fremdenblatt, Wien
-SSEE 1915
vom:
—.
(Deutsches Volkstheater.) „Schnitzlers „Liebelei“
und „Komtesse Mizzi“, sind in soygfältiger Neustudierung
wieder dem Spielplan des Deutschen Volsstheaters einver¬
leibt worden. Es ist nicht angebracht, (llei Theaterstücken,
die sich der besten Zugkraft erfreuen, Vergleiche zu- ziehen
zwischen dem Gester., und dem Heute, denn sie gehören der
Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft an und sind dem
Wechsel in der Darstellung beständig unterworfen. Eines
steht fest: daß Frau Waldow sowohl als Schlager Mizi
wie als Komtesse gleich ausgezeichnet war und da wie dort
Stil und Stimmung wahrte. Fräulein Wagner bedenkl
die Christine mit ein wenig zu viel Sentimentalität und
zieht dadurch den dritten Akt zu sehr in die Länge. Der tieft
packende Abschluß, das ergreifende Aufschluchzen Kutsche¬
Schauspiel und
ras, r#tet ihn vor dem Abfellen.
Komödie fanden reichen Beifall, für welchen auch die Herrer
[Edthofer, Huber und Kramer — ein scharmanter
und schneidiger Ravenstein — danken konnten.
u d.-I. I
5. Liebelei
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Ausschnitt Dme Freie Presse, Wien
vom:
1
B
Theater= und Kunstnachrichten.
Wien, 4. September.
[Deutsches Volkstheater.] Artur Schuiblers
Schauspiel „Liebelei“ ist heute, neu in Szene gesetzt, wieder auf¬
genommen worden. Schnitzler hat seit diesem seinem ersten drama¬
tischen Erstlingswerke im Seelischen tiefer geschürft, seine Technik
ist reicher und kräftiger geworden, aber die volkstümliche, weit
über die Greuzen unserer Heimat reichende Wirkung ist keinem
späteren Werke so unmittelbar zuteil geworden. Heute, mehr als
zwanzig Jahre seit der denkwürdigen Burgtheaterpremiere, ist
dieses Stück in der zarten Aquarellfarbe unverblaßt, es hat nichts
an Helle und Lebendigkeit, an Grazie und Wahrheit der Empfin¬
dung eingebüßt. Es st wie jedes wirkliche Kunstwerk wahr und
jung geblieben, viellticht, weil eine ganze Jugend hier spielerisch¬
wehmutig widerklang. Noch heute wird man von diesen jungen
Leuten, der noch immer köstlich echten Schlager=Mizzi, dem ernsten
Fritz und dem übermütigen Theodor, ergötzt und gerührt; man
fühlt die Fremdheit zwischen der Welt Christinens und ihres Ge¬
liebten, der für eine fremde Frau in den Tod gegangen ist. Und
man fühlt wieder jenen besonderen heimatlichen Duft, der vielleicht
jetzt, auch drüben im Reich, inniger als jemals vorher verstanden
wir. Will man dem Werdegang Schnitzlers folgen, merken,
wie seine Hand — eine überlegen gestaltende Künstlerhand —
immer leichter, immer freier den Piniel führt, so braucht man nur
„Komtesse Mizzi“, diese allerliebste Gesellschaftspersiflage, zu be¬
trachten, die heute der „Liebelei als Satirspiel folgte. Zwischen
der Schlager=Mizzi und der ein wenig schmppischen und keines¬
wegs tugendreichen „Komtesse Mizzi“, die ihr Vater sein „Möderl“
nennt, während sie selbst in der Stille bereits ein recht erwachsenes
—
Bübchen besitzt
zwischen diesen beiden amüsanten
Figuren spielen kleine, boshafte Zusammenhänge; darum sind
s#, nebeneinander gestellt, besonders wirksam. Fräulein Waldow
spielt die Schlager=Mizzi um ein paar Nuancen zu laut, als
Komtesse Mizzi wirkt sie besonders durch ihre spöttische Dis¬
kretion. Fräulein v. Wagner hält sich als Christine ein wenig
zu starr an die heroische Linie, erst in den letzten Szenen war sie
von überzeugender Schlichtheit. Herr Edthofer (Fritz) gibt
ein Kabinettstück an Delikatesse, Herr Klitsch läßt das
Dämonische in der Erscheinung des fremden Herru ein wenig
vermissen, Herr Huber ist ein lustiger Theodor. Die Leistungep¬
der Herren Kuischera und Lackner, der Damen Glöckuer
und Thaller sind bekannt und gewürdigt. Das dicht befüchte
Haus nahm den Schnitzler=Abend mit Wärme entgegen.“
Wuchenangabe oeine Gewahr.)
Ausschnitt a#s:
Zenes Wisder Jourhal, Wie
181910
vom:
(Deutsches Volkstheater.) Arthur Schnitzlers Schau¬
Lspiel „Liebelei“ wurde (gestern neutaszeniert dem Spiekplan ein¬
gefügt. Man erfreut (sich immer wieder an den. unverblaßten
Glanze dieser stillen Dichtung.
In Zauhef der Jugend hat.
Mit poetischer Zartheit is hite die Wiener-A mosphäre ein¬
gesangen und die Luft des Milieus hat hier ihren eigenen Duft.
Frau Erika v. Wagner spielte zum ##stenmal die Cheistine. Man
keumnt ihre tiefere Schlichtheit und ihren persönlichen Ton im Lyrischen
Der dunkle Hintergrund eines großen Schicksals, das hier ein kleines
Mädel erlebt, war in der ganzen Gestaltung zu verspüren. Der
Ausschrei im letzten Alt liegt ihrem Naturell wohl am besten
er Kutschera hielt den alten Beirtag in Linien edler Einfachheit“
sencheschimmernde Philosorz
Menschen
east.
ein Walben
hatts #s
*
— bel 1915
Nr. 7855
Mizzi für strotzende Echtheit zu sorgen Die Herren Ediho#er.
Huber, Klitsch und Frau Thaller schlossen sich mit hübschen
Leistungen an. Die Regie des Herrn Rosenthal wurde den
intimen Stimmungen des Stückes in geschickter Weise gerecht.
— Hierauf folgte das kecke Lustspiel „Komiesse Mizzt“ oder
„Der Familientag.“ In die i reizender Einakter steckt mehr
Komödiengeist als in menchen abendsüllenden Stücke. Der Dinge
Ja und Nein wird hier oft in einem Satze ausgesprochen. Mit
tieferer Ironie werden die vornelmen Sprünge des Zufalls
beleuchtet. Die seelischen Enthüllungen sind im literorischen
Sinne amüsant. Und wenn man genauer hinsieht, bemerkt man
ganz deutlich, daß in diesem kleinen Werk bereits die
Bausteine zum
„Weilen Land“ gelegt sind Die
Komödie wurde von den Damen Waldow und Glöckner sowie von
den Herren Kramer Edihoser. Klitsch und Huber in sein groteskem
Ton heruntergeplaudert. Besonders trot Herr Lackner hervor, der
als Graf Pazmandy churakteristisch in jeder Geste und frei von
allem Theatralischen war. Der anregende Abend fand reichen
Beifall.
(Stadttheater.) Gertrecd Ereldt erschieneen in 2—
Frassanit-aus.
Fremdenblatt, Wien
-SSEE 1915
vom:
—.
(Deutsches Volkstheater.) „Schnitzlers „Liebelei“
und „Komtesse Mizzi“, sind in soygfältiger Neustudierung
wieder dem Spielplan des Deutschen Volsstheaters einver¬
leibt worden. Es ist nicht angebracht, (llei Theaterstücken,
die sich der besten Zugkraft erfreuen, Vergleiche zu- ziehen
zwischen dem Gester., und dem Heute, denn sie gehören der
Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft an und sind dem
Wechsel in der Darstellung beständig unterworfen. Eines
steht fest: daß Frau Waldow sowohl als Schlager Mizi
wie als Komtesse gleich ausgezeichnet war und da wie dort
Stil und Stimmung wahrte. Fräulein Wagner bedenkl
die Christine mit ein wenig zu viel Sentimentalität und
zieht dadurch den dritten Akt zu sehr in die Länge. Der tieft
packende Abschluß, das ergreifende Aufschluchzen Kutsche¬
Schauspiel und
ras, r#tet ihn vor dem Abfellen.
Komödie fanden reichen Beifall, für welchen auch die Herrer
[Edthofer, Huber und Kramer — ein scharmanter
und schneidiger Ravenstein — danken konnten.
u d.-I. I