II, Theaterstücke 5, Liebelei. Schauspiel in drei Akten, Seite 1243

5. Liebelei
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Ausschnitt aus: Wiener Tagk####, Wien
Neuer
SE8 1915
vo
Theafer, Runst und Titeratur.
Deutsches Volksth##ter. Früher als in
Friedenszeiten hat das Deutsche Volkstheater in
diesem Sommer die Ferien beendigt, und seine
Tätigkeit wieder aufgenommen. Aber mit Neuheiten
hält die Bühne länger als somt zurück. Sie be¬
sehrünkte sich bis jetzt darauf, ältere Bühnenwerke in
neuer Einstudierung und Besetzung w.eder auf¬
zunehmen. So bekam man gestern zwei Stücke von
Artur Schnitzler, die seit zweleinhals Jahren
nicht gespielt worden waren, wieder zu sehen: das
populärste Werk des Wiener Dichters, das deei¬
aktige, schon längst als Volksstück anerkannte Schau¬
spiel „Liebelei“, und die einaktige Komödie
„Komtesse Mitzi“. Fast genau zwanzig Jahre
sind verstrichen, seit „Liebelei“ im Burgtheater zur
ersten Aufführung gelangte. Kutschera, der damals
dieser Hofbühne angehörte, gab den jungen Lebe¬
mann Fritz Lobheimer, Zeska den Theodor Kaiser,
Adele Sandrock die Christine, Frau Kallina die
Mitzi Schlager, Sonnenthal den vom Daseind¬
kampfe zermürbten alten Musikanten und der kleinen,
aber wichtigen Rolle des unbekannten Eebemannes,
dessen Austritt wie ein Blihschlag wirken muß,
wurde von einem Großen von Mitterwurzer, zur
gebührenden Bedeutung verholfen. Vierzehn Jahre
später fügte das Deische Volkstheater das Wien
Sittenbild, das mitelerweile kaum noch einer aus¬
wärtigen Bühne fremd geblieben war, seinem Spiel¬
plan ein Hier gaben Kramer und Edthofer die
jungen Lebemänner, Fräulein Hannemann die
Christine, Fräulein Waldow die Mitzi Schlager, und
Kutschera, der erste Darsteller des Fritz Lobheimer,
verwandelte sich in den alten Musikanten Weirina.
Nachdem das Werk in seiner neuen Heimstätte nahe¬
zu vierzig Aufführungen erlebt hatte, erschien es,
vom Komponisten Franz Neumann vertont, als
musikalisches Drama in der Wiener Volksoper.
Schnitzlers Schauspiel, in dem leichtfertige Jugend
sich wie in einem Spiegel abgebildet sehen kann, hat
auch gestern wieder Rührung hervorgerufen; der
tragische Abschluß des als Lustspiel beginnenden Werkes
hat abermals tief ergriffen. Neu waren nur Frau
v. Wagner als eine Christine von hingebungs¬
voller Innigkeit, und Herr Huber in der Rolle
des Theodor Kaiser, als jugendfrischer Vertreter
bedenkenloser Lebenslust. Die Besetzuug der übrigen
Rollen —ar mit gutem Grunde unverändert ge¬
blieben. Herr Kutschera findet als gebeugter
Vater Töne tiefer Herzensqual, Fräulein Wal¬
dow macht mit scharfem Witz aus der Mitzi
Schlager eine echte, bodenständige Figur und Herr
Edthofer wirkt als Fritz Lobheimer durch die
Natürlichkeit seines Spieles sehr angenehm. Wie eine
Art Gegenstück folgte dem Schauspiel Schnitzlers
eine viel jüngere, aber auch schon wohlbekannte
Komödie des Dichters, sein vor sechs Jahren er¬
schienener Einakter „Komtesse Mitzi“, der auch ganz
gut den Titel „Liebeleien“ führen könnte. Die
Komödie ist eine satirische Schilderung von Lebens¬
verhältnissen, die durch ihre Ueppigkeit keine
Empfindsamkeit aufkommen lassen, und Liebeleien
aller Art gefahrlos machen, weil sie eine Lösung
jeder erotischen Verwicklung, sie sei noch so be¬
denklich, unschwer ermöglichen. Die Anmut des
Dialogs mag auch den versöhnen, der den satirischen
Absichten des Dichters nicht in allem beizupflichten
vermag, und die Figuren bieten durch die Lebendig¬
keit, mit der sie gezeichnet sind, den Schauspielern
dankbare Aufgaben. Fräulein Waldow, welche die
Titelrolle spielt, und Herr Kramer als ihr
fürstlichen Verehrer gleiten behutsam überheikle Be¬
kenntnisse hinweg, Herr Edthofer ist als früh¬
reifer Gymnasiast sehr drollig in Aussprüchen von
fast knabenhaftem Uebermut, Herr Lackner, der
früher den verliebten Fiaker gab, hat diese Rolle
Herrn Huber abgetreten und ist dafür Graf
Pazmandy geworden den er mit ungarisch=deutschen
Jargon spricht, und Frau Glöckner charakterisiert
sehr gut im Ton und im Gebaren die in den Ruhe¬
*
stand tretende Balle ttänzerin.