box 12/6
Liebeler
5. Senenn
schnitt aus:
nziger Zeitung
ZOMNTOTS
Danziger Stadttheater.
Liebelei — Lottchens Geburtstag.
Schnitzler#Liebelei“ ist in zwanzigjährigem
Lebensalter bereits ein Stück Literaturgeschichte
geworden. Damals, als das Schauspiel neu war
hier in Danzig wurde es 1899 aufgeführt —,
verletzte noch der Mißklang seines Schlusses, die
Härte des Schicksals, das ein vertrauensvoll
liebendes Mädchen trifft, nur weil es liebt. Man
empfand den Mangel der tragischen Schuld.
Heute überwiegt angesichts des Stückes das
Frohgefühl über die Zartheit seines Stimmungs¬
gehaltes, dem sich inniges Mitgefühl über das
Schicksal eines gebrochenen Mädchenherzens bei¬
mischt.
An die Handlung braucht nur mit zwei Worten
erinnert zu werden. Es ist die alte Geschichte,
die ewig neu bleibt: daß ein Mädchen eine zum
Zeitvertreib (hier zum Vertreiben lastender Ge¬
danken wegen einer älteren Liebschaft) ange¬
sponnene Liebelei ernst nimmt und den Nimmer¬
wiederkehrsweg einschlägt, als sie die grausame
ißheit bekommt, daß er für eine andere sein
en verblutete, daß sie nur auch eine in
em Leben war.
Frl. Krulle ließ in der Christine vor dem
Zuschauer das ganze tiefe Gefühlsleben aufleben,
das dem Dichter als das Wesentlichste des
Stückes vorgeschwebt haben mag, mit all den
Lichtern des Glückes und den Schatten des
Kummers und der stillen Entsagung. Sie gab in
der Rolle wiederum den Beweis starken Könnens
und individueller Charakterisierungskunst.
Frl. Kling gab die Mizi Schlager, die minder
schwerblütig sich über „Erfahrungen“ hinwegsetzt
und ein Verhältnis eben nur als ein Verhältnis
ansieht, mit einem Worte zur Grisette geworden
mit sprudelnder Lebendigkeit. Das fesche
Wiener Blut brodelt in ihr. Dazu sprach sie den
unserem norddeutschen Ohre so sympathischen
Wiener Dialekt allerliebst.
Von den beiden jungen Leuten hat der Leicht¬
lebige, der Schatz der Mizi Schlager, den Herr
Wanner gab, die dunkbarere Aufgabe. Wenn
er auch zum Schluß elne Leichenbittermiene auf¬
stecken muß, so bleibt er doch der urfidele, gute
Kerl. Herr Wanner blieb der Aufgabe, ihn dar¬
zustellen, nichts schuldig. Herr Lerch hat einen
kaum minder leichten Wiener darzustellen, aber
einen, den das Schicksal gepackt hat, einen Ge¬
zeichneten. Herrn Lerchs Darstellung traf ebenso¬
sehr den vollendeten Kavalier, wie den im
Grunde guten Kerl, wie endlich den von seiner
Schuld Erdrückten. Herr Doerry gab den
braven Dater Christines, einen ergrauten kleinen
Künstler, recht zutreffend. Die geschwätzige und
klatschsüchtige Strumpfwirkersfrau war nicht
das, was sich aus ihr machen läßt.
In „Lotichens Geburtstag“ hier in Danzig
leichfalls schon bekannt, hat der geistreiche Lud¬
wig Thoma einen ganzen Akt dem Knalleffekt
einer witzigen Ueberraschung zuliebe aufgebaut.
Der Vater und der werbende Freier zerbrechen
sich den Kopf, wie es anzustellen ist, daß Lottchen
nicht als völlig unerfahrenes Kind in die Ehe
geht, und müssen schließlich erfahren, daß Lott¬
chen in allen Ehren sich mit dem Werdegang
allen Geschehens an zuständigster Stelle unter¬
richtet hat.
Die Darstellung war sehr lustig. Da die
Figuren karikaturistisch sind, ist Lebenstreue
von ihnen nicht zu verlangen. Am wenigsten bei
dem verknöcherten Rechtsgelehrten, den Herr
Doerry darzustellen hat. Es genügt, daß er
die komischen Seiten herausholt. Und das ge¬
schah. Ganz reizend war die behäbige Schwäbin
der Frau v. Weber, und auch Frau Bo
mann fand sich in den gleichen gemütlichen
Ton. Here Proft war sehr amüsant als
schüchterner junger Gelehrter. Die, um die sich
alles dreht, Frl. Kunkel, hat am Schluß nur
ein paar Worte zu sagen. Aber sie sichern ihr
die Lacher.
Brave deutsche Blaujacken.
1
dus Ood Dalan##nh
Liebeler
5. Senenn
schnitt aus:
nziger Zeitung
ZOMNTOTS
Danziger Stadttheater.
Liebelei — Lottchens Geburtstag.
Schnitzler#Liebelei“ ist in zwanzigjährigem
Lebensalter bereits ein Stück Literaturgeschichte
geworden. Damals, als das Schauspiel neu war
hier in Danzig wurde es 1899 aufgeführt —,
verletzte noch der Mißklang seines Schlusses, die
Härte des Schicksals, das ein vertrauensvoll
liebendes Mädchen trifft, nur weil es liebt. Man
empfand den Mangel der tragischen Schuld.
Heute überwiegt angesichts des Stückes das
Frohgefühl über die Zartheit seines Stimmungs¬
gehaltes, dem sich inniges Mitgefühl über das
Schicksal eines gebrochenen Mädchenherzens bei¬
mischt.
An die Handlung braucht nur mit zwei Worten
erinnert zu werden. Es ist die alte Geschichte,
die ewig neu bleibt: daß ein Mädchen eine zum
Zeitvertreib (hier zum Vertreiben lastender Ge¬
danken wegen einer älteren Liebschaft) ange¬
sponnene Liebelei ernst nimmt und den Nimmer¬
wiederkehrsweg einschlägt, als sie die grausame
ißheit bekommt, daß er für eine andere sein
en verblutete, daß sie nur auch eine in
em Leben war.
Frl. Krulle ließ in der Christine vor dem
Zuschauer das ganze tiefe Gefühlsleben aufleben,
das dem Dichter als das Wesentlichste des
Stückes vorgeschwebt haben mag, mit all den
Lichtern des Glückes und den Schatten des
Kummers und der stillen Entsagung. Sie gab in
der Rolle wiederum den Beweis starken Könnens
und individueller Charakterisierungskunst.
Frl. Kling gab die Mizi Schlager, die minder
schwerblütig sich über „Erfahrungen“ hinwegsetzt
und ein Verhältnis eben nur als ein Verhältnis
ansieht, mit einem Worte zur Grisette geworden
mit sprudelnder Lebendigkeit. Das fesche
Wiener Blut brodelt in ihr. Dazu sprach sie den
unserem norddeutschen Ohre so sympathischen
Wiener Dialekt allerliebst.
Von den beiden jungen Leuten hat der Leicht¬
lebige, der Schatz der Mizi Schlager, den Herr
Wanner gab, die dunkbarere Aufgabe. Wenn
er auch zum Schluß elne Leichenbittermiene auf¬
stecken muß, so bleibt er doch der urfidele, gute
Kerl. Herr Wanner blieb der Aufgabe, ihn dar¬
zustellen, nichts schuldig. Herr Lerch hat einen
kaum minder leichten Wiener darzustellen, aber
einen, den das Schicksal gepackt hat, einen Ge¬
zeichneten. Herrn Lerchs Darstellung traf ebenso¬
sehr den vollendeten Kavalier, wie den im
Grunde guten Kerl, wie endlich den von seiner
Schuld Erdrückten. Herr Doerry gab den
braven Dater Christines, einen ergrauten kleinen
Künstler, recht zutreffend. Die geschwätzige und
klatschsüchtige Strumpfwirkersfrau war nicht
das, was sich aus ihr machen läßt.
In „Lotichens Geburtstag“ hier in Danzig
leichfalls schon bekannt, hat der geistreiche Lud¬
wig Thoma einen ganzen Akt dem Knalleffekt
einer witzigen Ueberraschung zuliebe aufgebaut.
Der Vater und der werbende Freier zerbrechen
sich den Kopf, wie es anzustellen ist, daß Lottchen
nicht als völlig unerfahrenes Kind in die Ehe
geht, und müssen schließlich erfahren, daß Lott¬
chen in allen Ehren sich mit dem Werdegang
allen Geschehens an zuständigster Stelle unter¬
richtet hat.
Die Darstellung war sehr lustig. Da die
Figuren karikaturistisch sind, ist Lebenstreue
von ihnen nicht zu verlangen. Am wenigsten bei
dem verknöcherten Rechtsgelehrten, den Herr
Doerry darzustellen hat. Es genügt, daß er
die komischen Seiten herausholt. Und das ge¬
schah. Ganz reizend war die behäbige Schwäbin
der Frau v. Weber, und auch Frau Bo
mann fand sich in den gleichen gemütlichen
Ton. Here Proft war sehr amüsant als
schüchterner junger Gelehrter. Die, um die sich
alles dreht, Frl. Kunkel, hat am Schluß nur
ein paar Worte zu sagen. Aber sie sichern ihr
die Lacher.
Brave deutsche Blaujacken.
1
dus Ood Dalan##nh