II, Theaterstücke 5, Liebelei. Schauspiel in drei Akten, Seite 1260

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Liebelei
5. LEEL1# box 12/6
sid in Hand ein zerfaserter Dialog, ein flinkes Hin
einem raschelnden Allegro, dessen Vorbild wir erkennen,
b Her der Diktion, die nie in die Tiefe geht und auch
dessen Absicht als Proklamation eines Glaubensbekennt¬
4 wo sie (bei den „dämonischen“ Weibern) sich philo¬
nisses aber unverkennbar ist. Neumann hat sich da das
lhierend anstellt, mehr ein prahlerisches Moment ein¬
fugierte, geistvoll sprühende Allegro aus der Einleitung
haltet. Die Formung des Schauspiels zum Opernbuch,
zur Verkauften Braut von Smetana, seinem großen Lands¬
sas alles Wesentliche beibehält und besonders den ersten
manne, als Vorbild gewählt. In ganz anderem Sinne,
Akt in verästelter Konversation auf den ersten Blick opern¬
mit dem Blick des bühnenkundigen Musikers gestaltet, gibt.
feindlich ausfallen läßt, wird man (obwohl die Andeutung
sich das Pathos vorm dritten Bilde und dieses selbst.
fehlt) Schnitzler zuschreiben dürfen. Aber schon dieser erste
Es ist aber nicht zu überhören, daß mancherlei
Ausklang mit den düsteren Schatten, die sich dann im Ver¬
Anregungen für das Knappe und Schlagkräftige, für das
laufe immer mehr verfinstern und über die zwei Bilder
Pathos und die Redekraft der Phrase von den italienischen.
im Dachstübchen der Christine schnell die Vorahnung eines
Veristen, namentlich von Puccini abzuleiten sind. Der
großen Mädchenleides und Vaterschmerzes breiten, zeigt
Duktus, die Handschrift ist darum doch nicht italienisch aus¬
mit seinen Klängen, um was es dem Musiker zu tun war.
gefallen, selbst das Böhmische meldet sich nur in Andeutun¬
Liegt doch über dem ganzen Stück etwas von den heim¬
gen, meist rhythmischer Art. Was der Musik Neumanns
lichen und offenen Wünschen zweier Wiener Madeln und
einen Vorzug leiht bei allem Reichtum, bei harmonischer Fülle
ihren stillen Ahnungen, die an die Bilder aus Murgers
und bei melodischer Tiefe, die bis auf wenige Ausnahmen
Bohéme=Schilderungen erinnern. Ohne die Mimi und
(die um so kräftiger wirken) im Orchester daherfluten, ist
die Musette dorther und ihre gegensätzliche Anziehungs¬
die Wärme der Sprache, das Wollen und Können des
kraft wären Christine und Mizi wohl kaum entstanden.
Komponisten, sich mit seinen Gestalten auf Schritt und
Ohne jene Vorbildlichkeit und ihre zweimalige Operisierung
Tritt zu identifizieren, ihnen persönlichen Anteil mitzu¬
wäre auch wohl Franz Neumann nicht auf den Opernplan
geben. Das gilt von den motivischen Kleinmalereien und
von der kaleidoskopischen Buntheit, wenn das Orchester den
verfallen. Ihn, den Oesterreicher — und musikalisch reich
begabten Böhmen — reizte auch das bunt Verzettelte
zusammenschließenden Faktor darzustellen hat. Ist doch im
ersten Akt nur ein Moment im Text, wo ein Liedchen an
in Fritzens Herrenstübchen, der Wiener Grundton, das
Leichtlebige, Schäkernde und Tändelnde. Vielleicht reizte
sich, aber beziehungsreich zu wirken hat: da, wo ein be¬
rühmtes Zitat aus dem alten Lochheimer Liederbuch Christines
ihn besonders die Möglichkeit, mit seiner unzweifelhaft
garte Seele frei sich kundtun läßt. Dies „All mein' Ge¬
starken Begabung und seinen bunten, dem Volkston abge¬
danken — sind bei dir“ als rein musikalisches Zitat —.
lauschten Einfällen, gerade dieser zerfaserten, in reiner
wirkt vorm letzten Bilde außerordentlich bedeutend. Von
Prosa und ohne Reim dahinhastenden Unterhaltung zu¬
den vielen trefflichen eignen Bildern Neumanns sei wenig¬
Lammenfassende Grundformen zu schaffen, mit dem Or¬
zurger Zeitung
stens der Brüderschaft=Walzer in Es erwähnt, der so eine
shester und einer reichen Individualisierung eine sichere
echte Musikantennatur verrät, über dem aber die Diktion
Basis zu bieten, über der der flinke Dialog und die

ganz ungezwungen dahinflutet. Dieser Franz Neumann,
huschenden Einfälle im Chambre séparée sich zu Bildern
heute ein Frankfurter Kapellmeister, war vor fast 20
jund mancherlei Einheiten zusammenzufügen hätten. Das

Jahren am Hamburger Stadttheater „Korrepetitor“, ließ
Heim, die Aermlichkeit, die Traulichkeit beim alten Musikus
damals eine verheißungsvolle kleine Orchestersuite auf¬
*Weiring — sie brachten die musikalisch tieferen Anregungen
Wolks-Oper.
führen und hat sich auswärts mit der „Liebelei“ vor etwa
von selbst. Es ist jedenfalls bezeichnend für die Absichten
Franz Neumann;
fechs Jahren bekannt gemacht — mit wechselndem Glück
des starken Musikus Neumann, daß er jedem dieser beiden
viel Schnitzlers.
allerdings. Hier war ihm der Erfolg günstig. Der Ein¬
Bilder zwei symphonische Stücke voransetzte. Und es spricht
druck war sehr stark. Die von Herrn Moris geleitete Spiel¬
zu seinen gunsten als Musiker und Theatermann, daß er
ei=Szenen sind neben dem
einrichtung und Ausstattung, die Abwägung des Lichts,
nicht bloß szenisch bühnengemäß schaute, sondern auch in
und neben der Gustl=Novelle
jedes Requisits zugunsten einer die Handlung vertiefenden
jener Symphonik in ihrer Gegensätzlichkeit die Handlung
die mit Vorliebe gelesenen
Umwelt im kleinen, auch die Zurückverlegung der Hand¬
des Folgenden als Richtschnur sich bestimmte. „Bescheiden
n da „ein Herr“, der Duell¬
lung um einige Jahrzehnte (statt „Gegenwart"), alles
und nett“ wie Christines Zimmer, so geht es da anmutend
das harmlose Liebesmahl und
trug neben einer unter Herrn Pfeiffer exakt und mit Gefühl
musikalisch zu vorm zweiten Akt. Die zärtlichen Klarinett¬
eren gerät, trotz dieser stark
und diskret unterstützenden Musikleistung zum Erfolge bei.
und Violin=Terzen (auch ihr Rhythmus ist bezeichnend)
„Liebelei“ mehr novellistisch
Von den Einzelleistungen müssen die des Frl. Schlemüller,
gelten einer Erinnerung des braven alten Weiring, der
giebig, ist sie in ihrer klein¬
die mit starker, auch von Zartheiten gesättigter Empfindung.
seine Schwester vor allen Gefahren behütet hat und doch
en ersten Blick nicht heraus¬
mit einer Schauspielleistung von eindrucksvollstem Gepräge,
Reue empfindet, sie damit vor — „allem Glück“ bewahrt
Opernstoffen auslugt und
mit klanglicher Frische und musikalischem Geschmack
zu haben. Die innere Erregung Christines, die sich zum
er Hauptsache novellistischen,
1 Stelldichein vorbereitet, wird dann trefflich illustriert in 1 Christine gab, und die von Herrn Waschmann als Fei“
nmatischen Fügung geht eben
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