II, Theaterstücke 5, Liebelei. Schauspiel in drei Akten, Seite 1270

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5. box 12/6
-ZFEB.
Farntner Tagblatt, Klagentafs
Theater, A#e und Musn.
Jubiläums=Stadttheater. Am gestrigen Abend
ging der neulich schon gewürdigten, komisch sein sol¬
lenden Komödie „Die Garage“ eine hypersenti¬
mentale Komödie „Liebelei“ voraus. Dieses
von dem — bekannten A. S
Akte hinausgedehnte Gejammer einer verschmähten
*Geliebten ist bekanntlich ein neueres Zugstück des
literarisch herabgekommenen Wiener Burgtheaters;
es ist also wieder ein berühmtes Muster, das den
geduldigen Klagenfurtern nicht vorenthalten werden
darf. Schon im ersten Akt merkt man ihm (Herrn
Grieg) an, wie überdrüssig er ihrer (Frl. Nor¬
den) ist. Im zweiten Akt quälen sie sich gegensei¬
tig und die P. T. Zuhökerschaft mit der endlosen
Fortsetzung ihres Zwiegespräches, Bei denselben
wirft sie sich ihm noch ein paarmal an den Hals,
und will er nicht verraten, wer und was er eigent¬
lich ist; am wenigsten, daß er vor dem Duell steht
— wegen einer anderen! Erst der dritte Akt, wo er
von dem betrogenen Gatten des letzteren schon er¬
schossen ist, hietet einige Abwechslung: denn es tritt
außer einer biederen Frau Nachbarin (Frau Fa¬
bro) der wo möglich noch sentimentalere Vater der
Unglücklichen (Herr Schneider) auf. Er will
sie trösten, das gelingt ihm aber nicht; denn nach
froßen Rührszene geht sie ins Wasser. Ein an¬
deres ievenslustiges Pärchen (Herr Keilholz
und Frl. Markl) bilden gleichsam das Gegen¬
stück; und sie vermitteln einigermaßen den Gang
der für die Nicht=Beteiligten ganz belanglosen
Handlung des Stückes". Es ist wirklich merkwür¬
Jig, daß derlei Dichter nicht merken, auf welche
Stufe von Wertlosigkeit ihr verdorbener Geschmack
schon herabgesunken ist. Schade um unsere ganz
trefflichen Schauspielerinnen und Schauspieler, die
ihr zu Besserem geborenes Talent an solche grund¬
satzlose Nichtigkeiten vergenden müssen.
ff.
3. *
2FERI9TE
S
Usgeaueter Zeices
Theater, Kunst und ftüsik.
(Jubiläums=Stadttheater.) Artur Schnitzters¬
„Liebelei“ führte uns gestern in eine etwas
wurmstichige Gesellschaft: Fritz Lobheimer ist
morsch in seinem Innern, sein Freund Theodor
ein flacher Genußmensch, Mitzi Schlager, das
Mädel mit dem unglaublichen Talente zum
Dusagen, ist ein recht leichtfertiges Ding, und
selbst die alte „moralische" Strumpfwirkerin
Binder muß zugestehen, daß sie in ihrer Jugend
nicht ganz geduldig auf ihren Strumpfwirker
gewartet hat. Aber das alles ist nicht die Haupt¬
sache, sie alle dienen nur als Folie für Christine
Weiring und ihren Vater, die rein und unbe¬
rührt im Mittelpunkte des Stückes stehen. Was
an dem Stücke angenehm berührt, ist seire Ein¬
fochheit; trotz genauer Beobachtung uns schar¬
fer Nealistik, trotz aller Ausmalung vor. Milien
und Detail ist doch unnützes Beiwerk nermieden,
die natürliche Beziehung zu dem unbedingt not¬
wendigen Vorgange immer gewahrt. Die Hand¬
lung vollzieht sich natürlich und mit Notwendig¬
keit. Die psychologische Arbeit aber ist dabei
nicht vernachlässigt, sondern ins Feine und
Feinste getrieben und manches Wort erschließt
den tiefsten Grund der Seele. Was redet zum
Beispiel nicht aus den Worten Cheistines am
Schlusse. „Auch von mir hat er gesprochen! —
Für die andere hat er sich totschießen lassen!“
Diesen Egsismus im Angesichte des Todes, diese
Eifersucht an einer Leiche mit diesem einen
Striche so erschütternd zu zeichnen, ist nur ein
Dichter imstande. Die Aufführung stand auf
achtenswerter Höhe und bereitete dem be¬
schämend schwach besetzten Hause einen unge¬
trübten Genuß. Else Norden hat als Chri¬
stine ihr Bestes gegeben diese Hingebung, dieses
völlige Aufgehen in reiner Liebe und das schlie߬
liche wehmütig=stille Unterliegen im über¬
schwenglichen Schmerze schien sie völlig mitzu¬
erleben und ließ es so den gerührten und in
seinem Innersten ergriffenen Zuhörer mit¬
erleben und mitempfinden. Hugo Schneider
unterstützte sie aufs beste in der Rolle des alten
Violinspielers Weiring, des sanfteren, gedrück¬
teren, schwächeren Vetters von Schillers Mu¬
situs Miller. Mitzi Markl war eine prächtige,
frische, aber gut abgetönte Mitzi Schlager,
welche den leichtfertigen Ton vortrefflich traf.
August Keilholz war als Theodor Kaiser
ein lieber Kerl“ durch und durch; Theodor
Grieg entsprach in jeder Hinsicht in der schwie¬
rigen und nicht besondees dankbaren Rolle des
sentimentalen, trotz seines Leichtsinnes dick¬
blütigen Fritz Lobheimer: Melitta Fabro,
die zum erstenmal auf unserer Bühne vor das
Publikum trat, wußte ihre scharf gezeichnete
Strumpfwirkerin von aller Übertreibung, die
der Rolle so nahe liegt, freizuhalten; Felix von
Dombrowsky verlieh dem betrogenen Ehe¬
manne Anstand und Würde. Alles zusammen¬
genommen, eine Aufführung, für die man dem
Spielleiter Hugo Schneider besondere Ay
erkennung zollen muß.