box 12/6
Liebelei
5. Sennn
—.
800 Stimmen, Klagonfur
roms 2 #
1 Munst und Titeratur.
Jubiläums=Stadttheater.
„Liebelei“, Komödie in 3 Akten von
Artur Schnitzler.
Nach ziemlich langer Pause wurde gestern wie¬
der einmal Schnitzlers Liebelei“ aufgeführt.
In keinem seiner vielen Bühnenwerke ist der !
uns im Fühlen und Denken sonst so wesensfremde
Dichter=Aesthet dem wirklichen Leben so nahe ge¬
kommen, als in dieser schlicht=ergreifenden Tra¬
gödie des Wiener „süßen Mädels“, welche im
Verlaufe zweier Jahrzehnte von ihrer starken
Theaterwirkung nichts eingebüßt hat. Wenn
diese Wirkung gestern sich etwas wenen
äußerte, so lag dies nur an der Fehlbesetzung
der Rolle der Christine, welche der reisen Weib¬
lichkeit des Fräuleins Norden so ganz und
gar nicht liegt. Das liebe, halbflügge, erfah¬
rene Kind aus dem Dachstübchen, das##ersten
scheuen Flug in der Liebe W derlang so un¬
säglich hart und bitter büßen muß, verträgt
von Aeußerlichkeiten und der mangelnden Be¬
herrschung des Wiener Dialektes ganz abgesehen
keine tragödienhafte Aufmachung, je einfacher
und natürlicher, je weniger „heldinnenhaft“ diese
arme, herzensreine kleine Dulderin dargestellt
wird, desto unbeabsichtigt=rührender, desto mei sch¬
lich=ergreifender wird die anmutige Gestalt auch
im Spiegel der Bühne erscheinen. Grellere Far¬
ben — um mich bildlich auszudrücken — verträgt
die Christine nun einmal nicht, diese können aber bei
deren Gegenstücke, der leichtfertig=munteren Mizzi
Schlager, aufgetragen werden, was Frl. Markl
denn auch mit viel Geschick zu besorgen wußte.
Als Gegensätze in der schweren und leichten Auf¬
fassung des Lebens sind — gleich wie die beiden
Wiener „süßen Mädeln“ — auch die zwei jun¬
gen Lebemänner Fritz und Theodor gedacht, was
von den Herren Grieg und Keilholz gut
auseinandergehalten und überaus glücklich zum
Ausdruck gebracht wurde. Mit dem gütigen Mu¬
sikus und unglücklichen Vater Weiring, der so
gerne ein bißchen Sonnenschein ins Herz seines
vereinsamten, freudlosen Kindes fallen sehen
möchte, schuf Herr Schneider wieder eine Type
von packender Wahrhaftigkeit und auch Frau Fa¬
bro (Frau Binder) und die Spielleitung ver¬
dienen lobend erwähnt zu werden.
vont 2.
GRAZER TAGBLATT
14%
nn.
(Städtisches Schauspielhaus in Klagenfurt.)
Am 31. Jänner gelangte die dreiaktige Komödie
von Artur Schultle“ zur Auffüh¬
rung. Das Haus war sehr schwach besucht. Die
langen Zustandsschilderungen, einst unentbehr¬
liches Rüstzeug des Naturalismus, und ein
Quentchen falsche Sentimentalität wollen heute
eben nicht mehr verfangen. Wir möchten Willens¬
menschen auf den Brettern sehen, die die Welt be¬
deuten, nicht Schwächlinge, die jedem Ansturm des
Geschickes unterliegen. Die Bretter werden sonst
zum Brettel. Frl. Norden war in die Roll¬
der Christine Weiring gezwängt und konnte in¬
folgedessen nicht ganz befriedigen. Doch soll dies
eher ein Lob als ein Tadel sein. Die Herren
Grieg — als Fritz — und Keilholz — als
Theodor — stellten wie immer ihren Mann und
Schneider war als Vater Weiring tadel¬
4
4TER 1976
Kellung. Wier
*
*Armer Schnitzler! #e##ntarmherzige Kritiker in dem
unlängst Ibsen so
hriftlichsozialen „Kärniner Tagtn
Jetzt muß Arthur
(nergisch zurechtgewiesen hat,
heisen „Liebelei“ der
Schnitzler daran glauben, un
Klagenfurter Wüterich also herfält:
sentimentale
Am gestrige Abend ging eine
ene. Dieses von dem
Komödie „Liebel
hinausgedehnte Gesan
liebten ist bekanntl
A. Schnitzler
literari
einer v
er Burgtheater
ein
s Muster, t
herabge
1
z ist also wieder
gebuldigen Klagenfurtern nicht
6
Forenthalten werden darf. Schon im ersten
Akt merkt man ihm an, wie überdrüssig er ihrer ist. Im
zweiten Alt quälen sie sich gegenseitig und die p. t. Zuhörer¬
schaft mit der endlosen Fortsetzung ihres Zwiegesprächs. Bei
Lenckelben wirft sie sich ihm noch ein parmal an den Hals,
und er will nicht verraten, wer und was er eigentlich ist:!
am wenigsten, daß er vor dem Duell steht — wegen einer
anderen! Erst der dritte Akt, wo er von dem betrogenen
Gatten der letzteren schon erschossen ist, bietet einige Ab¬
wechslung, denn es tritt außer einer biederen Frau Nach¬
barin der wo möglich noch sentimentalere Vater der Un¬
r will sie trösten, das gelingt ihm aber
glücklichen auf.
nicht; denn nach der großen Rührszene geht sie ins Wasser.
Ein anderes lebenslustiges Pärchen bildet gleichsam das
Gegenstück; und sie vermitteln einigermaßen den Gang der
ang¬
für die Richtbeteiligten ganz
losen „Handlung des Stückes“ Es ist wirk¬
lich merkwürdig, daß derlei Dichter nicht merken,
auf welche Stufe von Wertlosigkeit ihr
verdorbener Geschmack schon herab¬
gesunken ist. Schade um unsere gans
trefflichen Schauspielerinnen und Schaus
spieler, die ihr zu Besserem gebornes
Talent an solche grundsatzlose Nichtig;
keiten vergeuden müssen.
Auf die nächste Abschlachtung sind wir nun wirklich
#gefnannt
Liebelei
5. Sennn
—.
800 Stimmen, Klagonfur
roms 2 #
1 Munst und Titeratur.
Jubiläums=Stadttheater.
„Liebelei“, Komödie in 3 Akten von
Artur Schnitzler.
Nach ziemlich langer Pause wurde gestern wie¬
der einmal Schnitzlers Liebelei“ aufgeführt.
In keinem seiner vielen Bühnenwerke ist der !
uns im Fühlen und Denken sonst so wesensfremde
Dichter=Aesthet dem wirklichen Leben so nahe ge¬
kommen, als in dieser schlicht=ergreifenden Tra¬
gödie des Wiener „süßen Mädels“, welche im
Verlaufe zweier Jahrzehnte von ihrer starken
Theaterwirkung nichts eingebüßt hat. Wenn
diese Wirkung gestern sich etwas wenen
äußerte, so lag dies nur an der Fehlbesetzung
der Rolle der Christine, welche der reisen Weib¬
lichkeit des Fräuleins Norden so ganz und
gar nicht liegt. Das liebe, halbflügge, erfah¬
rene Kind aus dem Dachstübchen, das##ersten
scheuen Flug in der Liebe W derlang so un¬
säglich hart und bitter büßen muß, verträgt
von Aeußerlichkeiten und der mangelnden Be¬
herrschung des Wiener Dialektes ganz abgesehen
keine tragödienhafte Aufmachung, je einfacher
und natürlicher, je weniger „heldinnenhaft“ diese
arme, herzensreine kleine Dulderin dargestellt
wird, desto unbeabsichtigt=rührender, desto mei sch¬
lich=ergreifender wird die anmutige Gestalt auch
im Spiegel der Bühne erscheinen. Grellere Far¬
ben — um mich bildlich auszudrücken — verträgt
die Christine nun einmal nicht, diese können aber bei
deren Gegenstücke, der leichtfertig=munteren Mizzi
Schlager, aufgetragen werden, was Frl. Markl
denn auch mit viel Geschick zu besorgen wußte.
Als Gegensätze in der schweren und leichten Auf¬
fassung des Lebens sind — gleich wie die beiden
Wiener „süßen Mädeln“ — auch die zwei jun¬
gen Lebemänner Fritz und Theodor gedacht, was
von den Herren Grieg und Keilholz gut
auseinandergehalten und überaus glücklich zum
Ausdruck gebracht wurde. Mit dem gütigen Mu¬
sikus und unglücklichen Vater Weiring, der so
gerne ein bißchen Sonnenschein ins Herz seines
vereinsamten, freudlosen Kindes fallen sehen
möchte, schuf Herr Schneider wieder eine Type
von packender Wahrhaftigkeit und auch Frau Fa¬
bro (Frau Binder) und die Spielleitung ver¬
dienen lobend erwähnt zu werden.
vont 2.
GRAZER TAGBLATT
14%
nn.
(Städtisches Schauspielhaus in Klagenfurt.)
Am 31. Jänner gelangte die dreiaktige Komödie
von Artur Schultle“ zur Auffüh¬
rung. Das Haus war sehr schwach besucht. Die
langen Zustandsschilderungen, einst unentbehr¬
liches Rüstzeug des Naturalismus, und ein
Quentchen falsche Sentimentalität wollen heute
eben nicht mehr verfangen. Wir möchten Willens¬
menschen auf den Brettern sehen, die die Welt be¬
deuten, nicht Schwächlinge, die jedem Ansturm des
Geschickes unterliegen. Die Bretter werden sonst
zum Brettel. Frl. Norden war in die Roll¬
der Christine Weiring gezwängt und konnte in¬
folgedessen nicht ganz befriedigen. Doch soll dies
eher ein Lob als ein Tadel sein. Die Herren
Grieg — als Fritz — und Keilholz — als
Theodor — stellten wie immer ihren Mann und
Schneider war als Vater Weiring tadel¬
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4TER 1976
Kellung. Wier
*
*Armer Schnitzler! #e##ntarmherzige Kritiker in dem
unlängst Ibsen so
hriftlichsozialen „Kärniner Tagtn
Jetzt muß Arthur
(nergisch zurechtgewiesen hat,
heisen „Liebelei“ der
Schnitzler daran glauben, un
Klagenfurter Wüterich also herfält:
sentimentale
Am gestrige Abend ging eine
ene. Dieses von dem
Komödie „Liebel
hinausgedehnte Gesan
liebten ist bekanntl
A. Schnitzler
literari
einer v
er Burgtheater
ein
s Muster, t
herabge
1
z ist also wieder
gebuldigen Klagenfurtern nicht
6
Forenthalten werden darf. Schon im ersten
Akt merkt man ihm an, wie überdrüssig er ihrer ist. Im
zweiten Alt quälen sie sich gegenseitig und die p. t. Zuhörer¬
schaft mit der endlosen Fortsetzung ihres Zwiegesprächs. Bei
Lenckelben wirft sie sich ihm noch ein parmal an den Hals,
und er will nicht verraten, wer und was er eigentlich ist:!
am wenigsten, daß er vor dem Duell steht — wegen einer
anderen! Erst der dritte Akt, wo er von dem betrogenen
Gatten der letzteren schon erschossen ist, bietet einige Ab¬
wechslung, denn es tritt außer einer biederen Frau Nach¬
barin der wo möglich noch sentimentalere Vater der Un¬
r will sie trösten, das gelingt ihm aber
glücklichen auf.
nicht; denn nach der großen Rührszene geht sie ins Wasser.
Ein anderes lebenslustiges Pärchen bildet gleichsam das
Gegenstück; und sie vermitteln einigermaßen den Gang der
ang¬
für die Richtbeteiligten ganz
losen „Handlung des Stückes“ Es ist wirk¬
lich merkwürdig, daß derlei Dichter nicht merken,
auf welche Stufe von Wertlosigkeit ihr
verdorbener Geschmack schon herab¬
gesunken ist. Schade um unsere gans
trefflichen Schauspielerinnen und Schaus
spieler, die ihr zu Besserem gebornes
Talent an solche grundsatzlose Nichtig;
keiten vergeuden müssen.
Auf die nächste Abschlachtung sind wir nun wirklich
#gefnannt