II, Theaterstücke 5, Liebelei. Schauspiel in drei Akten, Seite 1274

Liebelei
5. Mennnn
box 12/6
Neue Tiroler Stimmen, Innsbruck
31 992 1916
Stadttheater.
„Der Ernst des Lebens“, Schauspiel in einem
Aufzug von F. Salten. Dann „Liebelei“, Schauspiel
in 3 Aufzügen und der Einakter „Abschiedssouper“.
Alle Stücke in Szene
beide von A. Schuitzler.
gesetzt von Hans Wilhelm.
Das war das reiche Programm für Dienstag
Abend, von der Direktion mit „Jungösterreichischer
Künstlerabend“ bezeichnet. Die Anziehungskraft, die
es bewits, war nicht übermäßig stark. Wir bedauern
diesen Umstand eigentlich nicht. Was uns die beiden
zu Wort gekommenen Dichter zu sagen haben, ist
ziemlich belanglos und wenig und davon ist kein
kleiner Teil bedenklich. Saltens „Der. Ernst des Le¬
bens“ ist dem Einakterzyklus „Vom andern Ufer“
angehörend und die Moral desselben ist weder neu,
noch tiefsinnig: Stand und Charakter trennen die
Menschen gleich einem Strom und die einen wie die
andern sollen fein unter sich bleiben. Zu tiefst g
faßt ist der Gegensatz zwischen den Vertretern der
beiden Ufer auch nicht; Doktor Hopfner ist im Grunde
ebenso kalter und selbstsüchtiger Egoist und Genu߬
mensch wie Baron Neustift. Der Konflikt aber zwi¬
schen den beiden Arten moderner Menschen: Dem
durch Geburt und Erbschaft in glücklichem Besitz schwel¬
genden und dem rücksichtslos in jene Sphäre des Ge¬
nießens emporstrebenden ist mit größter dramatischer
Wirkung in dem vielleicht allzu konzentrierten Stück
behandelt. Die Aufführung war ganz prächtig. Herr
Groß (Neustift) verdient rückhaltloses Lob. Herr Wil¬
helm (Hopfner) meisterte den ersten Teil seiner Auf¬
gabe mit sichtlicher Leichtigkeit; schwächer war sein
sich in moralischer Wertlosigkeit vor uns enthüllender
Emporkömmling.
So macht uns Salten mit der modernen Lebewelt
bekannt. Schnitzler versteht das, wie männiglich weiß,
nicht schlechter. Die reichen Nichtstuer bilden auch
für ihn den Kreis, dem er den Stoff für seine drama¬
tischen Arbeiten entnimmt. Er geht nur noch einen
Schritt weiter, als Salten in unserm Einalter, und
bringt seine Gestalten in die schwüle, sinnliche Stim¬
mung der modernen Großstadt, ja diese Stimmung
ist eigentlich der Hauptzweck seiner Darstellung, und
die dramatische Form dient vielfach nur dazu, den
Lebemann von allen Seiten zu beleuchten. Daß er
ein Künstler ist. seine Dramen technisch gut gebaut
sind und Theaterblut in sich tragen, bestreitet ihm
niemand ernstlich. Und wem gefiele nicht seine schmieg¬
same, bewegliche Sprache! Sein Stoffkreis aber ist
umschrieben mit den Worten: „Liebeln. Sterben und
Komödieuspieken“ und seine Gestalten sind immer
wieder: Das „süße“ Mädel, die Frau, die ein Ver¬
hältnis hat, der Liebhaber, dessen, Freund der be¬
trogene Gatte, wie gerade in „Liebelei“, welches Stüch
den Dichter berühmt gemacht hat. Auch dieser Drei¬
akter wurde gut gegeben, wenn er auch nicht die Wir¬
kung des vorangehenden Stückes erzielt hat. Kra¬
mer (Weiring) und Czernitz (Binder) altwienerisch
weichlich und behaglich, der erstere etwas schwerfällig,
um nicht zu sagen unbeholfen; Frl. Bergner (Chri¬
stine) als schwermütiges, schwärmerisch den einen lie¬
bendes und nach dessen Ende verzweifelndes „süßes“
Mädel hat zuletzt fast zu erschütternd gewirkt. Wil¬
helm (Lobheimer) und Groß (Kaiser) in den Rollen der
Lebemänner hielten sich auf der Höhe, nur hat Wil¬
helm zu wenig Wärme gezeigt. Frl. v. Asten hat sich
wie immer als gewandte Künstlerin erwiesen und dazu
ihre Aufgabe auf gut wienerisch gelöst. Trotz der
großen Anstrengung spielten Wilhelm und Groß auch
das Schlußstück brav.
Die Direktion wird befriedigt sein, dem Publi¬
kum vor Schluß noch jungösterreichische Dichter vor¬
geführt zü haben. Wir wären ihr nicht böse gewesen,