Liebelei
5. Mnenennnne
box 12/6
mensch wie Baron Neustift. Der Konflitt aber zwi¬
schen den beiden Arten moderner Menschen: Dem
durch Geburt und Erbschaft in glücklichem Besitz schwel¬
genden und dem rücksichtslos in jene Sphäre des Ge¬
nießens emporstrebenden ist mit größter dramatischer
Wirkung in dem vielleicht allzu konzentrierten Stück
behandelt. Die Aufführung war ganz prächtig. Herr
Groß (Neustift) verdient rückhaltloses Lob. Herr Wil¬
helm (Hopfner) meisterte den ersten Teil seiner Auf¬
gabe mit sichtlicher Leichtigkeit; schwächer war sein
sich in moralischer Wertlosigkeit vor uns enthüllender
Emporkömmling.
So macht uns Salten mit der modernen Lebewelt
bekannt. Schnitzler versteht das, wie männiglich weiß,
nicht schlechter. Die reichen Nichtstuer bilden auch
für ihn den Kreis, dem er den Stoff für seine drama¬
tischen Arbeiten entnimmt. Er geht nur noch einen
Schritt weiter, als Salten in unserm Einalter, und
bringt seine Gestalten in die schwüle, sinnliche Stim¬
mung der modernen Großstadt, ja diese Stimmung
ist eigentlich der Hauptzweck seiner Darstellung, und
die dramatische Form dient vielfach nur dazu, den
Lebemann von allen Seiten zu beleuchten. Daß er
ein Künstler ist, seine Dramen technisch gut gebaut
sind und Theaterblut in sich tragen, bestreitet ihm
niemand ernstlich. Und wem gefiele nicht seine schmieg¬
same, bewegliche Sprache! Sein Stoffkreis aber ist
umschrieben mit den Worten: „Liebeln. Sterben und
Komödicuspieten“ und seine Gestalten sind immer
wieder: Das „süße“ Mädel, die Frau, die ein Ver¬
hältnis hat, der Liebhaber, dessen, Freund der be¬
trogene Gatte, wie gerade in „Liebelei“, welches Stück
den Dichter berühmt gemacht hat. Auch dieser Drei¬
akter wurde gut gegeben, wenn er auch nicht die Wir¬
kung des vorangehenden Stückes erzielt hat. Kra¬
mer (Weiring) und Czernitz (Binder) altwienerisch
weichlich und behaglich, der erstere etwas schwerfällig,
um nicht zu sagen unbeholfen; Frl. Bergner (Chri¬
stine) als schwermütiges, schwärmerisch den einen lie¬
bendes und nach dessen Ende verzweifelndes „süßes“
Mädel hat zuletzt fast zu erschütternd gewirkt. Wil¬
helm (Lobheimer) und Groß (Kaiser) in den Rollen der
Lebemänner hielten sich auf der Höhe, nur hat Wil¬
helm zu wenig Wärme gezeigt. Frl. v. Asten hat sich
wie immer als gewandte Künstlerin erwiesen und dazu
ihre Aufgabe auf gut wienerisch gelöst. Trotz der
großen Anstreugung spielten Wilhelm und Groß auch
das Schlußstück brav.
Die Direktion wird befriedigt sein, dem Publi¬
kum vor Schluß noch jungösterreichische Dichter vor¬
geführt zu haben. Wir wären ihr nicht böse gewesen,
wenn sie sich Salten und Samitzler geschenkt, dafür
andere ausgewählt hätte. Wenn die einen darben,
bluten und sterhen, wirkt es nicht gerade erhebend,
von der Bühne aus an die wenigen andern erinnert
zu werden; die unbekümmert um alles Leid des Näch¬
sten und unberührt von aller Not der Zeit sich aus¬
toben. Jungösterreich muß anders werden auch in
jenen Regionen, die wir in der Poesie Saltens uno
besonders Schnitzlers wie im Spiegel erschauen. Sonst
hat auch Jungösterreich keine Zukunft, ebensowenig,
iie diese Literaten eine haben werden. Wie sagt doch
Schönbach in Rücksicht auf die Fortentwicklung und
einen etwa kommenden Aufstieg unserer heute so ver¬
worrenen Literatur? „Unsere Literatur muß ein¬
büßen, was ein Merkmal der Greisenhaftigkeit ist, nicht
der Ueberfülle jugendl. Stärke, nämlich die übermäßige
Ausdehnung und Geltung der rein sexuellen Inter¬
essen, diese seuile Lüsternheit bedarf dringend des
Eindämmens. Und da scheint es kein besseres Gegen¬
mittel für gesunde Menschen zu geben als ein stärkeres
Anspannen zur Arbeit.“ Navigare necesse est, vivere
sk.
non necesse.
Sonntag Nachmittag die volkstümliche Posse „Er
und seine Schwester“
Als nächste Schauspielvorstellung Sil=Varas
Schauspiel „Die Frau von 40 Jahren“.
e ene en
EA SAAk
5. Mnenennnne
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mensch wie Baron Neustift. Der Konflitt aber zwi¬
schen den beiden Arten moderner Menschen: Dem
durch Geburt und Erbschaft in glücklichem Besitz schwel¬
genden und dem rücksichtslos in jene Sphäre des Ge¬
nießens emporstrebenden ist mit größter dramatischer
Wirkung in dem vielleicht allzu konzentrierten Stück
behandelt. Die Aufführung war ganz prächtig. Herr
Groß (Neustift) verdient rückhaltloses Lob. Herr Wil¬
helm (Hopfner) meisterte den ersten Teil seiner Auf¬
gabe mit sichtlicher Leichtigkeit; schwächer war sein
sich in moralischer Wertlosigkeit vor uns enthüllender
Emporkömmling.
So macht uns Salten mit der modernen Lebewelt
bekannt. Schnitzler versteht das, wie männiglich weiß,
nicht schlechter. Die reichen Nichtstuer bilden auch
für ihn den Kreis, dem er den Stoff für seine drama¬
tischen Arbeiten entnimmt. Er geht nur noch einen
Schritt weiter, als Salten in unserm Einalter, und
bringt seine Gestalten in die schwüle, sinnliche Stim¬
mung der modernen Großstadt, ja diese Stimmung
ist eigentlich der Hauptzweck seiner Darstellung, und
die dramatische Form dient vielfach nur dazu, den
Lebemann von allen Seiten zu beleuchten. Daß er
ein Künstler ist, seine Dramen technisch gut gebaut
sind und Theaterblut in sich tragen, bestreitet ihm
niemand ernstlich. Und wem gefiele nicht seine schmieg¬
same, bewegliche Sprache! Sein Stoffkreis aber ist
umschrieben mit den Worten: „Liebeln. Sterben und
Komödicuspieten“ und seine Gestalten sind immer
wieder: Das „süße“ Mädel, die Frau, die ein Ver¬
hältnis hat, der Liebhaber, dessen, Freund der be¬
trogene Gatte, wie gerade in „Liebelei“, welches Stück
den Dichter berühmt gemacht hat. Auch dieser Drei¬
akter wurde gut gegeben, wenn er auch nicht die Wir¬
kung des vorangehenden Stückes erzielt hat. Kra¬
mer (Weiring) und Czernitz (Binder) altwienerisch
weichlich und behaglich, der erstere etwas schwerfällig,
um nicht zu sagen unbeholfen; Frl. Bergner (Chri¬
stine) als schwermütiges, schwärmerisch den einen lie¬
bendes und nach dessen Ende verzweifelndes „süßes“
Mädel hat zuletzt fast zu erschütternd gewirkt. Wil¬
helm (Lobheimer) und Groß (Kaiser) in den Rollen der
Lebemänner hielten sich auf der Höhe, nur hat Wil¬
helm zu wenig Wärme gezeigt. Frl. v. Asten hat sich
wie immer als gewandte Künstlerin erwiesen und dazu
ihre Aufgabe auf gut wienerisch gelöst. Trotz der
großen Anstreugung spielten Wilhelm und Groß auch
das Schlußstück brav.
Die Direktion wird befriedigt sein, dem Publi¬
kum vor Schluß noch jungösterreichische Dichter vor¬
geführt zu haben. Wir wären ihr nicht böse gewesen,
wenn sie sich Salten und Samitzler geschenkt, dafür
andere ausgewählt hätte. Wenn die einen darben,
bluten und sterhen, wirkt es nicht gerade erhebend,
von der Bühne aus an die wenigen andern erinnert
zu werden; die unbekümmert um alles Leid des Näch¬
sten und unberührt von aller Not der Zeit sich aus¬
toben. Jungösterreich muß anders werden auch in
jenen Regionen, die wir in der Poesie Saltens uno
besonders Schnitzlers wie im Spiegel erschauen. Sonst
hat auch Jungösterreich keine Zukunft, ebensowenig,
iie diese Literaten eine haben werden. Wie sagt doch
Schönbach in Rücksicht auf die Fortentwicklung und
einen etwa kommenden Aufstieg unserer heute so ver¬
worrenen Literatur? „Unsere Literatur muß ein¬
büßen, was ein Merkmal der Greisenhaftigkeit ist, nicht
der Ueberfülle jugendl. Stärke, nämlich die übermäßige
Ausdehnung und Geltung der rein sexuellen Inter¬
essen, diese seuile Lüsternheit bedarf dringend des
Eindämmens. Und da scheint es kein besseres Gegen¬
mittel für gesunde Menschen zu geben als ein stärkeres
Anspannen zur Arbeit.“ Navigare necesse est, vivere
sk.
non necesse.
Sonntag Nachmittag die volkstümliche Posse „Er
und seine Schwester“
Als nächste Schauspielvorstellung Sil=Varas
Schauspiel „Die Frau von 40 Jahren“.
e ene en
EA SAAk