II, Theaterstücke 5, Liebelei. Schauspiel in drei Akten, Seite 1279

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Liebelei
5. A e hennnnuk

sie ist nur ein gutes, herziges Mädel, das den gepflegten Händen, aber „ungepflegtem Hirn“
Rausch des jauchzend Sich=Nehmens und Sich¬
Frl. Reichert verkörperte mit viel Laune
Verschenkens kennt, seit der Stunde, da es den
und Beweglichkeit die vom Weib zum „Weib¬
Fritz liebt mit der ganzen Inbrunst und selbst¬
chen“ herabgesunkene Margarete. Herr Tae¬
verständlichen Hingebung seiner ersten tiefen
ger war köstlich in seiner urwüchsigen Eigen¬
und wahren Liebe. Sie weiß nicht, daß sie
L. S=s.
art als „Dichter“.
für Fritz nur eine leichte, gefällige, flüchtige
Liebschaft bedeutet, nur einen Zeitvertreib, der
den jungen Mann von seiner Leidenschaft zu
einer verheirateten Frau ablenken und kurieren
soll. Es ist ihr bitter ernst mit ihrer Liebe,
obwohl sie aus jenen Kreisen stammt, wo es
angeblich „keine großen Szenen und tragischen
Verwicklungen“ gibt.
Frl. Ferron gab dieser Christine die
innige Güte und sinnige Ernsthaftigkeit einer
stillen, gefühlvollen Natur, aber auch die ver¬
zweifelte Entschlossenheit eines um sein Herzens¬
glück betrogenen Weibes. Hervorragend gestaltete
die Künstlerin die Schlußszene des letzten Aktes.
Wie in der Seele des Mädchens langsam, aber
stetig die Erkenntnis der wahren Zusammen¬
Denzelen6(
hänge dämmert, wie schließlich die quälenden
Zweifel und baugenden Befürchtungen un¬
erbittliche Gewißheit werden und alle Altäre
SSeGen
zertrümmern, die ein liebendes Mädel in seinem
Innern errichtet, das zeichnete Frl. Ferron in
eindrucksvollster Steigerung, erschütternd echt.
1# 4. 1.
Einen wirksamen Gegensatz zu dem schwer¬
blütigen Naturell der Christine schuf das leichte
Gemüt, die muntere Ausgelassenheit der von
Frl. Glasel ausgezeichnet verkörperten Mizi.
Die Künstlerin zeichnete ganz famos, nur
Theater,
anfangs fast zu beiveglich, den Typus eines
echten Weauer Mädels, das im Mai nicht
Kunst und Wissenschaft.
daran denken mag, ob man sich im August
noch lieben wird. Herr Ewald Bach führte
die Figur des Fritz mit jener Gewandtheit
Allonger Stadt=Theater.
und geistigen Ueberlegenheit durch, die ihm
Neu einstudiert.
eigen ist, die aber diesmal doch nicht darüber
hinwegtänschen konnte, daß der Künstler keine
(Arthur Schnitzler:
rechte innere Fühlung zu seiner Rolle gewinnen
„Aebelei" und „Literatur“.
konnte. Man denkt sich den Fritz jünger und
Die (Motive, die in den Werken Arthur
weniger pathetisch. Herr Modes fand für
Schultzters angeschlagen werden, kreisen
die lebensfrohe unbekümmert=sorglose Art des
Theodor im allgemeinen den rechten Ton, wenn
dauernd um zwei Begrisse: Liebe und Tod.
Typisch ist dabei, daß die Konflikte, die sich
man sich auch da und dort noch eine schärfere
aus den mit psychologischer Meisterschaft kom¬
Nuancierung gewünscht hätte. Rührend=schlicht,
binierten und behandelten Problemen zusammen¬
mit warmem Empfinden spielte Herr Wil¬
ballen und entladen, meist auf einen gedämpf=shelmi den Vater. Die schauspielerisch un¬
ten Ton abgestimmt sind.
Es fehlt sowohl gemein heikle Figur des fremden Herrn wurde
das Pathetische wie das Brutal=Naturalistische.
von Herrn Taeger vortrefflich dargestellt.
Mirgends laute Explosionen.
Nur ein paar Worte, ein paar Gesten! Aber
Fast still und
spurlos zerbricht das Schicksal die Menschen.
wie brachte sie dieser tüchtige Darsteller!
Recht gut war auch Frau Gude=Bran¬
Leise, wie wenn eine Saite zerspringt, nicht
anders, und das Spiel des Lebens ist beendet.
in der Episodenfigur der Frau Binder. Um
Eine Ausnahme bildet gewissermaßen Schnitz¬
die Inszenierung machte sich Herr A. Weh¬
lin verdient.
lers Schauspiel „Liebele
, das am Mon¬
tag abend im Altonaer Stad=Theater, neu
Als Nachspeise für Feinschmecker gab es
einstudiert, in Szene ging. Hier greift in die
dann noch den geistreichen, von Lichtern der
zarten, weichen Farben, in die lachende Welt
Ironie umspielten Einakter von Schnitzler
Anatols, wie sie uns im ersten Akt entgegen¬
„Literatur“. Der Dichter gibt hier dem
tritt, doch auch eine kräftigere, saktere Tönung
1 Thema „Wie stehen die Künstler zum inneren
hinein.
1
Der Flor halber Andeutungen und
Erlebnis?“, das er in seinem Zyklus „Leben¬
leiser Worte wird zerrissen. Unverhüllt zeigt
dige Stunden“ behandelt, eine feine, satirische
sich uns eine erschütternde Seelentragödie, in
Wendung. Herr Brügmann, der auch die
deren Mittelpunkt Christine steht. Sie ist nicht Regie führte, zeichnete den Baron Clemens¬
kaszinierend schön, nicht sonderlich geistreich, 1 mit sicheren Strichen als einen Mann mit wohl¬