II, Theaterstücke 5, Liebelei. Schauspiel in drei Akten, Seite 1315

Liebe
5. MSei box 12/7
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2-MR2 19 78
Deuusches Volk-binn.
Wien
(Sheater, Kunst und Literatur.
Hofburgtheater. Der gestrige Abend brachte Alexander
Girardis zweite Antrittsrolle in der neu einstudierten
„Liebelei“ von Scchi#ler, Das Hauptinteresse
lenkte sich selbstvernändlich auf Girardi in der Rolle des
alten Masikers Weiring. Wer seinen Weigl in „Mein
Leopold“ kennt, wußte im vorhinein, daß er mit dem
Weiring ein würdiges Seitenstück zu ersterer Figur bieten
werde, und dies war denn auch der Fall. Er zeichnete die
Gestalt des braven alten Wiener Musikers, der für seine
Schwester alles gelan hat und sein Kind innig liebt, mit
der ihm eigenen köstlichen Schlichtheit, die weit ab von
aller Theate pielerei liegt und ihn deshalb auf die Sonnen¬
hö der Künstlerschaft erhebt. Jedes Wort war da von
##ese durchdrungen, jeder Ton ließ Herzens chlag
Gapren. Es war eine prächtige Leintung, die den schon
bei offener Szeue gespendeten Beifall vollauf verdient hat.
Stät ist Girardi an die erste deutiche Bühne gekommen,
an der er schon längst hätte sein sollen, freuen wir uns
aber, ihn endlich dort zu haben. Neu waren in der Be¬
rletzung des Schauspieles noch Fräulein Kutschera
(Schlager Mizzi) und die Herien Gerasch (Lobheimer)
Lund Lackner (Kaiser). Fräulein Kutschera, schon
durh ihre zierliche Ercheinung für das süße Mädel ge¬
schaffen, spielte die Rolle mit sprudelnder Munterkeit und
plauichte dos mit Hochdeutich vermengte Wienerische,
wie es sich für ein Wiener Schnäbelchen geziemt
Herr Gerasch war ein fescher Don Juan der Gegen¬
wrt, stolzierte jedoch manchesmal zu sehr auf dem Kothurn
des Heidendarst llers einher. Her Lackner gab dem
Freunde vurichikoe Zuge und flotte Spielweise. Ausge¬
zeichnetes, wie schon in den früheren Aufführungen des
Stückes, leistete wieder Frau Medelsky als Christine.
Ihr Schmeizensausbruch ist höchste Lebenswahrheit. Frau
Walbeck und Herr Devrient hatten ihre Rollen
von früher inne und boten Vorzügliches. Den Abend be¬
schloß der Einakter „Literatur“ aus der gleichen
Autorenfeder. Die breitspurige Geistreicherei wurde von
Fräulein Marberg und den Herien Treßler und
Heine glänzend gespeelt. Das ausberkaufte Haus ver¬
einte in seinen Räumen die herv#rragendste Gesellschaft
Wiens. In der Hofloge wehnte Erzherzog Max mit Ge¬
Sch—r.
matlin der Vorstellung bei.
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(Burgtheater.) Axtur Schnitzlers „Liebelei“ ist nun
bald fünfundzwanzig Jahre alt. Aber die Melodie dieses Spiels
tönt in ihrem süßen, melancholischen Klang so schön und rein wie
am ersten Tag; ist jung geblieben über die Zeit hinaus wie ein
Volkslied, ist so ganz wienerisch in der Anmut, in der Gemüts¬
tiefe, in der Tändelei zwischen Tragik und Heiterkeit. Das
Schickfal der armen Christine, die an ihrer Liebe verblutet, greift
immer von neuem ans Herz, und die blitzenden Funken, die über
die kleinen Menschlichkeiten all jener huschen, die mit
dem Leben und Erleben dieser empfindsamen Weiblichkeit
verknüpft sind, haben noch nichts an Leuchtkraft ein¬
gebüßt. Girardi ist jetzt der al. Violinspieler Weyring,
der gütige und durch schmerzliche Erkenutnis zur Glücksbejahung
gereifte Vater des kleinen süßen Mädels. Da hat er wiederum
seinen einfachen, in der Schlichtheit doppelt stark packenden
Herzenston. Wenn er aus der inneren Traurigkeit heraus,
klug und erfahren, zu seinem in Seelenangst bebenden und um
ein stilles Liebesglück betrogenen Mädel spricht, und nur ein
wehes Lächeln für jene armseligen Begriffe von äußerem Schein¬
im Ausleben findet, gewinnt sein Wort tiefste weisheitsvollste
Bedeutung. Blos zuweilen schraubt er den Ton merkwürdig
pathetisch. Aber die Figur hat dennoch Plastik; der Mensch
Weyring bekommt lebendigsten Atem. Eine andere Neubesetzung im
Schauspiel ist der Fritz des Herrn Gerasch. Der melancholische
jungwienerische Lebensgenießer bekommt bei ihm einen stark öligen
Beigeschmack; es ist mehr ein gezierter Komödienheld von Suder¬
mann als von Schnitzler. Die unbekümmerte Lustigkeit und
Frivolität des Theodor ist bei Herrn Lackner in sicheren
schauspielerischen Händen; er spielt die Rolle auf Wirkung hin.
Fräulein Kutschera gibt als Schlager=Mizzi mit angenehmem
Vorstadthumor das leichtherzige Gegenstück Christinens und man glaubt
ihr die naive bewußte Wurstigkeit, mit der sie ihr
macht. Frau
Liebeln dem Augenblick allein dienstbar
Medelsky ist, wie früher, die Christine; schon ein bißchen
dem süßen Mädel entwachsen, schon ein bischen zu tränenfeucht,
aber ihre Innigkeit blüht wundervoll, und die dramatische Kraft,
die sie im letzten Akt entfaltet, gibt den stärksten und nachhaltigsten
Eindruck. So rundet sich durch sie das Spiel dieser Schnitzlerschen
„Liebelei“ zu neuem Erfolg. Dem Schauspiel folgte der Akt „Literatur“,
diese witzige Bosheit auf ästhetisches Gigerltum und Sportgehirne.
Situation und Wort trugen in der charakteristischen Darstellung
durch Fräulein Marberg und die Herren Treßler und
Heine die alte Heiterkeit in den Zuschauerraum. —
* Die Spielpläne der Hoftheater für die kommende
Woche wurden wie folgt festgesetzt: Burgtheater: Sonn¬
tag: Nachmittags „Die verlorene Tochter", abends „Frau
Suitner"; Montag: „Könige"; Dienstag: „Die versunkene Glocke“
Mittwoch: „Der Bauer als Millionär“: Donnerstag: „Clavigo“
Freitag: „Die Braut von Messina“; Samstag: „Was ihr wollt";
Sonntag: „Liebelei", „Literatur“. — Hofoper: Sonntag:
„Violanta, Faun und Nymphe", „Die Puppenfee“: Montag:
Der Barbier von Sevilla“; Dienstag: Elektra“: Mittwoch:
„Jenufa“; Donnerstag: „Coppelia“, „Die Prinzessin von
Tragant", „Klein Idas Blumen“; Freitag: „Der Rosenkavalier“:
Samstag: „Die Königin von Saba“; Sonntag (nachmittags
2 Uhr) Matinee: Die Schulreiterin", „Konzert“, zum erstenmal
„Irrlichter“, abends 7 Uhr: „Don Junn X