II, Theaterstücke 5, Liebelei. Schauspiel in drei Akten, Seite 1317

5. Liebelei
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nn Treie Prosse, Widh bia
Theater= und Kunstnachrichten.
[Burgtheater.] Alexander Girardi hat heute, als
zwelte Antrittsrolle am Burgtheater, den alten Violinspieler
Miring in Artur Schnitzlers neueinstudierter „Liebelei“
dergestellt. Girardi erfäßt
#mit sicherem Gefühl in
ihren Volksursprüngen. Er betont das Einfäche schon in der
Erscheinung, die halb einem gütigen Lehrer, halb einem Orgas
'nisten gleicht. Von der nämlichen Ungesuchtheit ist sein Spiel,
durch Schlichtheit ergreifend, mit dem Reiz des Oesterreichischen,
das vielleicht um so natürlicher wirkt, weil er jeder Schwere)
und eigentlichen Tiefe ausweicht. Weirings schlichte Lebenserkennt
nis, die so viel Verstehendes und Verzeibendes birgt, äußert er
ohne Unterstreichung als etwas Selbstverständliches. Sein
Echtestes gab Girardi im letzten Akt in der behutsamen Zartheit,
mit der er die Tochter auf das Unglück vorbereitet,
und in der erschütternden Resignation am Schluß, nach dem
Scheiden Christinens, im Gegensatze zu dem sonst hier üblichen
Aufschrei der Verzweiflung. Die übrigen Neubesetzungen suchten
die „Liebelei“ nicht eben zum Vorteil des Ganzen im derberen
Sinn zu verwienerischen. Herr Lackner ist ein frischer
Theodor, dessen allzu vitale Art aber die spielerische Eleganz
auch dieses leichten Lebensbejahers vermissen läßt. Fräulein
Kutscheras Schlager=Mizzi ist beweglich munter, ohne be¬
sondere neue Züge. Das dichtbesuchte Haus nahm Girardis
und die Leistung Frau Medelskys als Christine mit Er¬
egriffenheit entgegen, die sich in dem Lustspiel „Literatur“ willig
in Behagen und Heiterkeit auflöste.
W n
„Der Abend“
Wien
Theater und Kunst.
Burgtheater.
„Liebelei.“ — „Literatur.“ Von Arthur
Schnil
Max Burckhard erschloß 1895 dem jungen Schnitz¬
Jer das Burgtheater; er wagte es, „Liebelei“ zu spielen, und
Alfred v. Berger verteidigte das damals hart angefochtene
Schauspiel gegen den Vorwurf, es gehöre in die Vorstadt, in
der Christine wohnt. In der Tat gab Schnitzler hier ein kleines
Meisterwerk, das die sentimentale Grobkörnigkeit der Anton
Langer und O. F. Berg ebenso welt hinter sich läßt wie
Raimund im „Bauer als Millionär“ die Altwiener Zauber¬
ffe deren technische Form er benützt, aber mit neuem Geist
erfüllt. Auch heute schneidet das Los der unbedingt Hingegebe¬
nen ins Herz und gerade das töricht Knabenhafte des Studen¬
ten Fritz verstärkt den Eindruck unverantwortlicher Hinopfe¬
rung, nicht aus kalt=sinniger Frivolität, nein, aus überlegungs¬
loser Laune. Wie innig war Lotte Medelsky als Christine
noch vor einem Jahrzehnt, wie entzückend wäre ihr Zusammen¬
spiel mit dem ebenso wienerisch echten Vater, mit Girardi,
schielte ihre Tragik seither nicht ins Hysterische hinüber. So
ergriff der Vater stärker als die Tochter, auch in Deutlichkeit
der Rede ein Vorbilb. Girardis Weiring ist nicht so weich
wie Sonnenthal, doch seine halb versterlte Innerlichkeit noch
überzeugender. Gerasch tat recht, den hübschen Frauen¬
liebling Fritz nicht mit geistiger Bedeutung zu belasten, die
ihm der Dichter klug versagte; Ahnungsschwere lag über ihm.
Lackner ist ein überreifer Theodor, Tilly Kutschera
eine halbreife Mizzi, sie vertraten jenes Wienerium, das mit
Dialekttreue und Leichtsinn aufhaut, während das wahrhaft
liebenswerte, naturnah Herzliche des Wieners und des Alpen¬
deutschen in Weirings bescheidenem Heim wurzelt und vor
allem in Girardis Vaterlieb= und Vatersorge hell auf¬
leuchtet. Dieser bemerkenswerten Neueinstudierung folgte
„Literatur", von Lilli Marberg, Heine, Treßler
glänzend gespielt, übles Literatentum geistvoll verhöhnend,
was der Dichter Schnitzler unangefochten durfte. Emil Reich.
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Oesterreichische Vollsseitung
Wien.
(Theater und Kunst.
Burgtheater. Gestern spielte Girardi in
Schwitzlers kleinem Drama „Liebelei“ der
alten Mittiter, die unvergeßliche Rolle Sonnenthals
Der Künstler schenkte uns mit zarten, schlichter
Strichen ausgeführt ein rührendes Bildnis, aus
dem treuherzige und verstehende Augen auf unsere
harte Welt sehen. Gegen den Schlüß hin fand¬

Girardi herzergrei'ende Tone. Eine vollgelungene
Leistung war die Schlager Mizzi des Fräuleins
Kutschera. Da sehlte kein Zug, da störte kein
##lscher Klang. Dies frühreife süße Mädel war
üibermütig lustig bis zum einschläsernzen Rausch,
kater man glaubte ihm auch die jähne, scharfe,
Rleptische Art, mit der es seine nüchterne Auffassung
von Liebesdingen vernehmen ligß,
v
2 bc. 4978
Breindenbistt, Wien
Abendblatt
Theater und Kunft.
— Der gestrigen Vorsiellung im Hofburgtheater, in
der Girardi zum erstenmal den Violinspieler Weiring in
Artut Sch#i####s „Liebelei“ spielte, wohnten der Bruder des
Kaisers Erzherzog Max und dessen Gemahlin Erzherzogin
Franziska, ferner der Erste Obersthofmeister Prinz Konrad
zu/Hohenlohe mit Gemahlin bei. Nach Schluß der Aufführung
fand sich Artur Schnitzler in der Garderobe Girardis ein
und sprach dem Künstler seinen Dank und seine Glückwünsche aus.
8-0
Fremdemiblatt, Wien

(Burgtheater.) Die Gestau ger „alten Weyring in
Schnitzlers „Liebelei“ leuchtet jetzt durch Girardi in ihrer
schönsten Echthert auf. Wenn Girardi einmal solch eine Rolle
spielt, die nicht dominiert, nicht im Mittelpunkt der Hand¬
lung steht, sonderen dem Stück nur („nur“) den Stützpfeiler
einer wahren Menschlichkeit geben soll, spürt man die seltene
Kraft seines Wesens auf eine zwar ungewohnte, aber reizvoll
intensive Art. Er betritt die Bühne und man hat sogleich“?
nicht bloß die augenblickliche Gestalt, sondern eine wirkliche¬
Existenz vor sich, einen Menschen, den man längst zu kenne#
glaubt, dessen ganzes Leben gleichsam mitschwingt bei jedem“
Wort, jedem Blick und jeder Gebärde. Von einer wunder¬“
baren Milde ist Girardis Weyring wie von einem zarten
Schimmer umwoben und die letzten Worte sprach er mit un¬
vergeßlich ergreifender Einfachheit. Unvergeßlich einfach, mit
einer reisen Meisterschaft, deren keusche, von jeder theatralischen
Wirkung abgewendete Innigkeit nicht jedem verständlich ist,
steht die Medelsky als Christine neben ihm. Herr Gerasch ist
ein gut lyrischer Fritz, Herr Lackner als Theodor endlich im
Element seines Könnens, Fräulein Kutschera als Schlager
Mizzi sehr spaßig. — Nachher wurde Schnitzlers Komödie
„Literatur" von Treßler, Heine und der Marberg pät
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sprühender Laune einsach entzückend aespielt.