II, Theaterstücke 5, Liebelei. Schauspiel in drei Akten, Seite 1322

Liebele
box 12/7
5. SS E
Oesterreichische Volks
Wien.
9- 332 270
tomdl. Uriam.

E

K
nn S

mann, und den jungen Herrn zum Duell fordert.!
Es war im Herbst 1894 als Artur Schnitzker Gla
9
Eine Szene von zwei Minuten.
Mer Theaterwoche.
ins Burptheater gehen wollte, dem Direktor die er z##
Daß Damen illegitime Beziehungen zu Herren
Handschrift von „Liebelei“ einzureichen. Er traf eisg
Zur Wiederaufführung von „Liebelei“ im
unterhalten, war im Burgtheater schon oft dagewesen.
ihn mitten am Wege, auf dem Votiokirchenplätz,
Fratz
Burgtheater.
Wie Hotrat Burckhart
Auch daß sie mit ihnen zu Tische sitzen. Aber da trägt
als Dr. Burckhard gerade nach Hause gehen wollte
übe
Schnitzters Stück annahm.
Mitterwurzer
die Männerwelt Smoking und die Damen erscheinen
Die beiden Herren gingen zusammen, denn
Fau
als „Fremder Herr“.
Revolutionär und
in ausgeschnittenen Toiletten; und alles spielt sich in
sie wohnten in einem Hause hinter der Votivkirche,
zu
Bureaukrat.
einem Salon oder in einer chambre particulière
Frankgasse 1.
So ist denn in Erfüllung gegangen, was man ab — nicht in einer Studentenstube! Und da sitzen
„Geben Sie mir das Stück gleich jetzt,“ sagte
zu
in früheren Jahrzehnten als einen schlechten Wir
die Herrschaften bei einem Souper und haben eine
Burckhard, „denn ich fahre heute noch nach Berlin
der
bezeichnet hätte: Girardi ist im Burgeheater in
Liaison, während die Christin und die Mizzi mit ihren
und werde es im Coupé lesen.“
die
einer Sonnen halrolle aufgetreten. Nicht als Nathan
Freunden bloß ein Verhältnis haben, eine Liebelei,
Tags darauf telegraphierte der Direktor dem Den
oder Lear, aber in der wienerisch=tragischen Rolle
und mit ihnen ein Nachtmahl essen! Das aber ist
Dichter, er habe das Stück angenommen, es gefalle in d
des alten Violinspielers Hans Weiring in „Liebelei“
ordinär! Man kann doch beim Volk nicht ruhig an¬
ihm außerordentlich. Gleich nach seiner Rückkeyr ssche
Es sind noch nicht fünfundzwanzig Jahre, daß
sehen, was höchstens bei der höheren Gesellschaft
besprachen die Herren die Besetzung. Da zeigtessicht vei
Artur Schnitzler mit diesem seinen Jugendwerk
hingenommen werden kann!
sofort, daß berühmte Damen und Herren das Stück
ins Burgtheater eingezogen ist. Nur ein jungen
Doch das wär's nicht allein gewesen. Viel und die ihnen zugedachte Rolle aus einer gewissen La
Burgtheaterdirektor, wie es auch der ältere Burck¬
ärgerlicheren Anstoß mußte die Gestalt des alten Furcht nicht mochten. Zu ihnen zählte auch der #
hard war, der die Alten mit deren würdevollen
Weiring erregen. Er wei daß seine junge Tochter ausgezeichnete Bernhard¬
neister, der bat, ihn lich
Ueberlieferungen auch einmal gründlich ärgern
uhristine ganz und gar dem Herrn Fritz sich hin¬ von der Darstellung des Weiring zu entheben. Da
ein
wollte, konnte es wagen, diese Gesellschaft, die
gegeben hat, der sie doch nie heiraten wird. Er weiß
erst sprang Sonnenthal ein. Mit Begeisterung
im
jungen Herren Fritz und Theodor mit ihren
es und geht nicht mit der Faust auf sie los und
sogar, und gab nicht nur den Musiker, sondern
beiden süßen Mädeln aus Währing, dem
jagt sie nicht aus dem Hause. Im Burgtheater aber
übernahm auch die Spielleitung. Es war überhaupt Abg
Publikum der Hofbühne vor die Nase zu setzen.
war man gewohnt, daß ein Vater in solch einem
eine Prachtbesetzung Viktor Kürscher#serschien als
die
Man denke nur: An der klassischen Stätte
Falle seine Tochter zum mindesten ermordet. Und
Fritz (ein paar Jahre später spielts er im Volks¬
der Jamben und Trochäen wurde zum erstenmal
doch hatte der Dichter diese milde Gesinnung des theater den alten Weiring), Adele Sandrock wirkte
wienerisch gesprochen! Und der zweite und dritte Al¬
alten, braven Musikers so moralisch begrundet. als Christine erschütternd, die Kallino“ gab der
Si
spielten sogar in der Dachstube eines Musikers, wer
Weirings einst so schöne Schwester war vor kurzem Mizzi eine liebenswürdige Leichtferligkest. Von der
draußen in der Vorstadt. Gewiß, eine Musikerstune
als weiße Matrone nach einem freudlosen Dasein alten Besetzung ist nur eine Kraft auf dem Posten
büh
war schon einmal auf der Hofbühne dagewesen, auch
jungfräulich gestorben. Der Bruder hatte sie vor
geblieben: Frau Walbeck als Frau Binder. Denn
Sou
in einem revolutionären Stück, in Schillers „Kabale
„allen Gefahren, aber auch vor allem Glück behütet“.
nunmehr erscheinen Girardi als Weiring,
gefall
und Liebe“ nämlich. Aber da erscheint doch wenigstens
Nun soll es seiner Tochter Christine nicht geradeso Medelsky als Christine, Viktor Kutscheras Tochter
am Schluß ein hoher Präsident und läßt das ganze
gehen. Wenigstens ein Sonnenstrahl von Himmels= als Mizzi Schlager, Herr Gerasch als Fritz, Herr
Gesindel durch die Polizei abführen. Doch hier? Hier
glück soll ihr Antlitz treffen. Eine freudige Erinne= Lackner als Theodor. Endlich der Spielleiter H#r
paar
wagte man es, einen alten Musiker, nicht aus der
rung wenigste soll sie in ihr späreres Dasein mit¬
Deorient als „fremder Herr“.
Scht
Hofoper, sondern aus dem Orchester des Josefstädter nehmen!
szi
Theaters, heraus zu holen und ihn samt seiner nach
In der Tat, Christine geht ins Wasser, als
Mit dieser Zweiminutenrolle hat es bei der Erfo
bürgerlichen Begriffen absolut nicht ehrbaren
sie zwei Tage nach jenem „Nachtmahl“ erfährt,
Uraufführung keine kleine Ueberraschung gegeben.
lang
Tochter zu idealisieren. Das war denn doch ein bisser!
Fritz sei im Duell gefallen. Wegen einer anderen!
Einige Wochen vor jenem Abend hatten sich Burck= nicht
zu stark! Kein Wunder, daß man von bösen Zensur¬
So endet ja das Stück.
hard und Schnitzler spät nachts vor dem gemein= wirk
*
schwierigkeiten sprach.
samen Haustor getroffen. Auf der Treppe sagte in ei
Aber des Dichters und Weirings Entschuldigung der Direktor: „Lieber Doktor Schnitzler, ich habe pflich
Man muß sich nur die Situation in Erinnerung
wollte man damals nicht gelten lassen. Und als Ihnen eine freudige Mitteilung zu machen. Wissen wert
bringen, um die damalige Entrüstung der Hüter
Burckhard mutig die Aufführung durchsetzte, schrieb Sie, wer den „fremden Herrn“ spielen wird? schref
alter Burgtheatermoral zu begreifen. Im ersten
ein sittenstrenger Kritiker, der alte Weiring könnte
Niemand geringerer als Friedrich Mitterwurzer.“ solch
Ak. „Liebelei“ sitzt in der Wiener Wohnang Geschäftsführer eines Nachtkaffees sein. Und
„Sie haben sich getraut, Herr Direktor,“ sagte
des #t oenten Fritz Lobheimer ein lockerer Vier¬
Charlotte Wolter ließ sie interviewen und erklärte
Schnitzler hocherfreut, „ihm diese winzige Rolle au¬ wiss
7
bund: Der junge Hausherr selbst, sein Freund, der
voll Entrüstung, sie sei froh gewesen, als der Vor¬
zubieten?“
theat
Theodor, und die beiden hübschen Vorstadtmädeln,
hang über dem ersten Akt Schnitzlers sich senkte,
„Das hab' ich nicht getan,“ antwortete Doktor
die er mitgebracht hat. Die ernste, hingebungsvolle
denn man hätte am Ende sonst noch scheußlichere
Burckhard. „Er hatte sich das Stück ausgeliehen hab'
Christine Weiring,d Fritz aufrichtig liebt,
Sachen in der Burg zu sehen bekommen.
und es gelesen. Und eines Tages kommt er zu mir
und die leichtlebige Mizzi Schlager, die dem
Ueberhaupt Wiener Dialektstücke — meinten
und meldet sich freiwillig für die Rolle mit den
Jon#
die Hüter der alten Kunst — gehören in die Josef¬
Theodor „gehört“ und nach ihm, wahrscheinlich
paar Sätzen!“
Eine
stadt, nicht auf den Franzensring. Doch bald
bald, einem anderen wohlsituierten Herrn. Die
Natürlich wurde sein Auftritt zu einem Höhe= Neu
darauf erschienen dort auch die Herren Anzengruber,
jungen Leute unterhalten sich bei bescheidenem,
punkt des Abends. Mitterwurzer erschien hoch¬
aber gutem Essen und Trinken und machen ein
Raimund und Nestroy und sprachen, wie ihnen der
elegant, mit gelbem Ueberzieher, aus dem ein hell= aufm
Schnabel gewachsen war.
bißchen Musik. Bis zum Schlusse „der fremde
rotes Cachenez hervorlugte; er trug blonde Coteletts ich se
Herr“ erscheint, ein von Fritz betrogener Ehe¬
und hielt, während der aanzen Szene stebend. den mein