II, Theaterstücke 5, Liebelei. Schauspiel in drei Akten, Seite 1323

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Liebelei
5. L1-1 box 12/7
an ttemmi.

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mann, und den jungen Herrn zum Duell fordert.
Es war im Herbst 1894 als Artur Schnitzler [Glanzzylinder in der behandschuhten Rechten. Als
te.
Eine Szene von zwei Minuten.
ins Burgtheater gehen wollte, dem Direktor die
er zu Fritzen nach einigen einleitenden Ironien mit
Daß Damen illegitime Beziehungen zu Herren
ei“ im
Handschrift von „Liebelei“ einzureichen. Er traf
eisiger Ruhe plötzlich die Worte spricht: „Meine
uinterhalten, war im Burgtheater schon oft dagewesen.
ihn mitten am Wege, auf dem Votiokirchenplatz,
chart
Frau hat ihren Schleier bei Ihnen vergessen“, da
Auch daß sie mit ihnen zu Tische sitzen. Aber da trägt
als Dr. Burckhard gerade nach Hause gehen wollte.
rwurzer
überlief es die Zuschauer kalt. Und als er dann die
die Männerwelt Smoking und die Damen erscheinen
Die beiden Herren gingen zusammen, denn
bür und
Faust gegen Kutschera=Fritz erhob, wagte man nicht
in ausgeschnittenen Toiletten; und alles spielt sich in
sie wohnten in einem Hause hinter der Votivkirche,
zu atmen.
einem Salon oder in einer chambre particulière
Frankgasse 1.
vas man
ab — nicht in einer Studentenstube! Und da sitzen
Jawohl, ein Löwe braucht nur seine Pranke
„Geben Sie mir das Stück gleich jetzt,“ sagte
ten Wis
die Herrschaften bei einem Souper und haben eine
zu zeigen Schnitzler war glückleh, als er bei
Burckhard, „denn ich fahre heute noch nach Berlin
cater in
Liaison, während die Christin und die Mizzt mit ihren
der Erstaufführung in der ersten Kulisse verborgen
und werde es im Coupé lesen.“
Nathan
Freunden bloß ein Verhältnis haben, eine Liebelei,
die wuchtige Wirkung dieser Szene wahrnahm.
A
Tags darauf telegraphierte der Direktor dem
en Rolle
und mit ihnen ein Nachtmahl essen! Das aber ist
Denn seine jungen Freunde vom Café Griensteidl
Dichter, er habe das Stück angenommen, es gefalle
Viebelei“
ordinär! Man kann doch beim Volk nicht ruhig an¬
in der Herrengasse, dem damaligen Sitz des literari¬
re, daß
ihm außerordentlich. Gleich nach seiner Ruckkeyrs'schen Jung=Wien, hatten befürchtet, dieser Auftrüt
sehen, was höchstens bei der höheren Gesellschaft
besprachen die Herren die Besetzung. Da zeigte sich
gendweri
hingenommen werden kann!
verde belacht werden, denn er sei voll Pathos und
sofort, daß berühmte Damen und Herren das Stück
jungen
Doch das wär's nicht allein gewesen. Viel
Thegter, er drohe Effekt! Und das galt in je
und die ihnen zugedachte Rolle aus einer gewissen
Burck=järgerlicheren Anstoß mußte die Gestalt des alten
Tagen, da der Naturalismus noch in die Tafs
Furcht nicht mochten. Zu ihnen zählte auch der
rdevollen
Weiring erregen: Er wei, daß seine junge Tochter
klasse ging, als unwahr. Als ob nicht auch im w
ausgezeichnete Bernhard Baumeister, der bat, ihn
ärgern Ahristine ganz und gar dem Herrn Fritz sich hin¬
lichen Leben, in der „Gesellschaft“ gleichwie im Volke
von der Darstellung des Weiring zu entheben. Da
ein anständiger Mann den Verführer seiner Frau
haft, die gegeben hat, der sie doch nie heiraten wird. Er weiß erst sprang Sonnenthal ein. Mit Begeisterung
ihren
es und geht nicht mit der Faust auf sie los und
im ersten Augenblick mit der Faust züchtigte!
sogar, und gab nicht nur den Musiker, sondern
dem
jagt sie nicht aus dem Hause. Im Burgtheater aber
Als dann einige Minuten nach Mitterwurzers
übernahm auch die Spielleitung. Es war überhaupt
setzen war man gewohnt, daß ein Vater in solch einem
Abgang der erste Akt schloß und warmer Beifall auf
eine Prachtbesetzung. Viktor Kutscheraserschien als
Stante Falle seine Tochter zum mindesten ermordet. Und
die Bühne strömte, da sagte der wohlerfahrene
Fritz (ein paar Jahre später spielte er im Volks¬
erstenmal doch hatte der Dichter diese milde Gesinnung des
Spielleiter Sonnenthal zu Schnitzler:
theater den alten Weiring), Adele Sandrock wirkte
ritte Ak
alten, braven Musikers so moralisch begründet.
„Ich atme auf, lieber Freund, jetzt ist Ihr
als Christine erschütternd, die Kallina“ gab der
ers, wer Weirings einst so schöne Schwester war vor kurzem
Stück gerettet!“
Mizzi eine liebenswürdige Leichtfertigkeit. Von der
sikerstune als weiße Matrone nach einem freudlosen Dasein alten Besetzung ist nur eine Kraft auf dem Posten
Und warum? Das Stammpublikum der Hof¬
sen, auch jungfräulich gestorben. Der Bruder hatte sie vor
bühne hatte das „Nachtmahl“ an Stelle des
geblieben: Frau Walbeck als Frau Binder. Denn
„Kabale „allen Gefahren, aber auch vor allem Glück behütet“
Soupers, das „Verhältnis“ statt der Liaison sich
nunmehr erscheinen Girardi als Weiring, die
enigstens Nun soll es seiner Tochter Christine nicht geradeso Medelsky als Christine, Viktor Kutscheras Tochter
gefallen lassen. Und das war die Hauptsache.
as ganze gehen. Wenigstens ein Sonnenstrahl von Himmels= als Mizzi Schlager, Herr Gerasch als Fritz, Herr
er? Hier glück soll ihr Antlitz treffen. Eine freudige Erinne¬
Nichtsdestoweniger konnte man nach den ersten
Lackner als Theodor. Endlich der Spielleite¬
Heer
aus derrung wenigstens soll sie in ihr späteres Dasein mit¬
Deorient als „fremder Herr“.
waar Aufführungen der „Liebelei“ nur einen
sefstädter nehmen!
Achtungserfolg feststellen. Auch die Meinung der

ner nach
In der Tat, Chrissine geht ins Wasser, als
Kritik we geteilt. Erst später zeigte sich der große
ehrbaren
sie zwei Tage nach jenem „Nachtmahl“ erfährt,
Mit dieser Zweiminutenrolle hat es bei der Erfolg. L#ckhard selbst liebte das Stück sein Leben
n bisser!
Uraufführung keine kleine Ueberraschung gegeben.
Fritz sei im Duell gefallen. Wegen einer anderen!
lang und sah sich jede Neubesetzung an, auch als er
Zensur¬
So endet ja das Stück.
Einige Wochen vor jenem Abend hatten sich Burck¬
nicht mehr Direktor war, sondern Kritiker. Ich
hard und Schnitzler spät nachts vor dem gemein¬
wirkte in jenen Jahren gemeinsam mit Burckhard
samen Haustor getroffen. Auf der Treppe sagte
in einer Redaktion. Er hatte sich vertragsmäßig ver¬
Aber des Dichters und Weirings Entschuldigung der Direktor: „Lieber Doktor Schnitzler, ich habe
1
pflichtet, über „jede Neuaufführung und bemerkens¬
Ennerung wollte man damals nicht gelten lassen. Und als! Ihnen eine freudige Mitteilung zu machen. Wissen
Hüter
werte Neubesetzung des Burgtheaters“ eine Kritik zu
Burckhard mutig die Aufführung durchsetzte, schrieb Sie, wer den „fremden Herrn“ spielen wird:
ersten
schreiben. Da ersuchte er mich nun, ihn auf jede
ein sittenstrenger Kritiker, der alte Weiring könnte
Niemand geringerer als Friedrich Mitterwurzer.“
solche Neubesetzung aufmerksam zu machen.
Pohnang Geschäftsführer eines Nachtkaffees sein. Und
„Sie haben sich getraut, Herr Direktor,“ sagte
„Aber, verehrter Hofrat,“ erwiderte ich, „Sie
er Vier= Charlotte Wolter ließ sie interviewen und erklärte
Schnitzler hocherfreut, „ihm diese winzige Rolle an¬
wissen mindestens ebenso gut wie ich, welche Burg¬
und, der voll Entrüstung, sie sei froh gewesen, als der Vor¬
zubieten?“
theaterbesetzung bemerkenswert ist!“
mädeln, hang über dem ersten Akt Schnitzlers sich senkte,
„Das hab' ich nicht getan,“ antwortete oktor
„Nein, nein,“ sagte er lächelnd, „solche Sachen
nzsvolle denn man hätte am Ende sonst noch scheußlichere
Burckhard. „Er hatte sich das Stück ausgeliehen
hab' ich gern schriftlich!“
g liebt,
Sachen in der Burg zu sehen bekommen.
und es gelesen. Und eines Tages kommt er zu mir
die dem
Der ästhetische Revolutionär konnte auch als
Ueberhaupt Wiener Dialektstücke — meinten
und meldet sich freiwillig für die Rolle mit den
cheinlich die Hüter der alten Kunst — gehören in die Josef¬
Journalist den alten Bureaukraten nicht verleugnen.
paar Sätzen!“
Eines Tages kündigte die Direktion Schlenther eine
. Die stadt, nicht auf den Franzensring. Doch bald
Natürlich wurde sein Auftritt zu einem Höhe¬
Neubesetzung in „Liebelei“ an.
idenem,
darauf erschienen dort auch die Herren Anzengruber,
punkt des Abends. Mitterwurzer erschien hoch¬
hen ein
Raimund und Nestroy und sprachen, wie ihnen der
„Auf die Verstellung brauchen Sie mich nicht
elegant, mit gelbem Ueberzieher, aus dem ein hell¬
Schnabel gewachsen war.
fremde
aufmerksam zu machen,“ sagte Burckhard „da geh'
rotes Cachenez hervorlugte; er trug blonde Coteletts
ich schon von selber gern hinein! Die „Liebelei“ ist
r Ehe¬
und hielt, wäbrend der aanzen Szene stebend. den mein Stück!“.
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