II, Theaterstücke 5, Liebelei. Schauspiel in drei Akten, Seite 1333

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Generalanzdger für Hambug-Alten:
Ham
Schiller-Theafer.
Liebelei.
Schauspiel von Arthur=Echnitzler.
Das Schiller=Theater brachte am Montag eins
sorgfältig vorbereitete und bis ins Kleinste wohl¬
gelungene Aufführung von „Liebelei". Schnitzler ist
kein Dramatiker, der mächtige Steigerungen bringt,
der mit elementarer Gewalt packt. Seine Stärke
liegt in der Feinheit, in der Treffsicherheit der
Milieuschilderung, im geistvollen Dialog,
en
Grazie. Weich, wienerisch, behaglich ist die mn¬
mung in Liebelei, gepaart mit ein wenig Fri tät.
Fehlte die, wäre die Großstadtschilderung nic echt.
Der Schluß streift ans Banale, wird aber vom iblig
kum akzeptiert. Die feine, ernste, tiefan egte
Christine, deren erste Liebe zugleich ihre le ist,
spielte Frl. Zorn sehr lieb und überzeugend Das
kecke, leichtlebige Sprühteufelchen Mizi Schlager, das
zum ersten Mal ernstfst angesichts des Todes, gah
Frl. Döscher mit viel Temperament und Natür¬
lichkeit. Eine echte, stille, sinnige Künstlernatur schuf
Herr Haller in seinem Hans Weiring, eine Figur,
die in ihrer Güte und (Innigkeit rührte. Den Fritz
Lobheimer spielte Hers' Endlein, wie es die Rolle
heischte: schwankend, unentschlossen und doch sym¬
pathisch. Glänzend war Herr Schmitz als Theodor
Kaiser; seine Frivolität war so weich wienerisch,
daß sie nicht weh tat. Fein gesehen hatte Frau Harl,
die Strumpfwirkersgattin Katharina Binder.
Das ausverkaufte Haus folgte der Vorstellung
mit großem Interesse, aber nicht mit großer Ruhe,
Der Beifall am Schlusse war lebhaft und wohl¬
verdient.
E. M.
2100
7-SER 19.3
Na### Hamburger Zeitung
H#mburg,
W. V
— Schiller=Theater. „Liebelei“. Diese Schnitzlex=Auf¬
führung hatte zwiefache Melancholie. Wie doch alles so ver¬
gänglich ist. Liebesglück, ein Augenblick, umsprüht vom Taft
der Unendlichkeit, und doch wartet schon ein offenes Graß.
Vergänglichkeit auch im Sprühduft einst so neuer Dichtung.
Vor zwanzig Jahren konnte dieses Drama Zweifel, Unver¬

tändnis wecken. Tastend mußten feinfühlige Spielleiter das
Ungesagte, den Hauch schillernder Seelenstimmungen, her¬
auswittern, tastend in Bühnensprache übersetzen, und all¬
mählich erst verstand das Publikum die neue Sprache. Dann
wird sie Tradition, Weitergabe, und das Blankgemünzte, je
mehr es im Kurs steigt, wird blind und abgegriffen. Wie
doch alles so vergänglich ist! Der Duft verflüchtigt sich wie
ein seines ätherisches Oel, und, was zuerst garnicht da zu
sein schien, vorwurfsvoll vermißt ward, das Ewigbretterne,
vom Bühnenhandwerk nach und nach hineingearbeitet, bleibt
als dauernder Bestandteil: ein Volksstück, jedermann
rührend, jedermann verständlich und, so betrachtet, vielleicht
nicht einmal das Schlechteste. Der Vorstadtroman, die
tränenreiche Liebesgeschichte. Die doch, immerhin, auch Ein¬
facheren, Zweifelsärmeren, die nur stets eine Seite zu sehen
gewohnt, flüchtig einen Hauch Schwermut aus der Ahnung
des Unendlichen ins Ironisch=Endliche mischt. Das Leichte
in dieser Schwermut, die Anmut in diesem trüben Unmut
kamen zu kurz auf Kosten der Eindeutlichkeit, grob gesagt:
die Stimmung auf Kosten der Handlung, der Dichter auf
Kosten des Bühnenhandwerks. Wien, Walzer, Wehmut —
ein Spritzer davon schimmerte um den alten, lieben Musi¬
kanten, den Herr Haller gab, ohne als Spielleiter den andern
davon abgeben zu können. Frl. Zorn als Christine war oft
nur Vorstadt, Vorstadt auch zu der eigentlichen, inneren
Heimat der Dichtung. Wo gar diese selbst verblaßt, in dem
heiklen, nicht reinlich Szene gewordenen Schluß, war auch
bloße „Wirkung" nur noch obenhin. Echter gelang der Fritz
des Herrn Endlein; er war weich, besaß melancholischen
Leichtsinn; nur letzte Reife kam in diesem Rahmen nicht her¬
aus. Die an sich mehr eindeutigen, nur herzhaft leicht¬
lebigen Gestalten des Freundes und des unbedenklich nur
süßen Mädels trafen Herr Schmitz und Fräulein Döscher,
Frau Karl die Episode der Nachbarin. Volksstückwirkung
mit einer Ahnung Schnitzlen löste sehr nachdrücklichen Bei¬
fall mit Blumenspenden aus.
Budweiser Kreisblatt
6-HOV 1918
Theater.
Am* Sterbetage des alten Österreich bracht
unsere Schaubähne einen ernsten dramatische,
Abend den die entzückende dramatische Plaude
lei „Wann wir altern“ von Oskar Blumen
hal einleitete. In leichtflüssigen Persen wiri
die alte Wahrheit in einer Episode aus de
Rokokozeit behandelt, daß im Wettstreite un
ungestüm werbenden Nebenbuhler weichen muß
daß die Liebe der Jugend, die Entsagung dem
Alter gebährt. Frau Boruttau faszinierte
durch ihre vornehme Auffassung und einen
unwiderstehlichen Charme ihrer Sprache. Herr
Winterberg als verschmähter, alternder
Aristokrat war diesmal sehr trecken und steif,
während Hr. Heinl durch sein Temperament
und seine glutvolle Werbung der Situation besser
gewachsen war. — Schnitzlers „Liebelei“ ist
das wirkungsvollste
des Wiener
Autors, dessen sentimentale Heiterkeit und leicht¬
sinnige Gemütlichkeit hier einer alltäglichen Ge¬
schichte durch lebenswahre Darstellung, scharfe
Detailmalerei und ausgezeichnete Lokalfärbung
eine starke poetische und dramatische Wirkung
verbürgen. Eine überraschende Talentprobe bot
Frl. Mohr in der schwierigen Rolle des
schlichten Bürgermädchens, in deren Herzen die
angesponnene Liebelei zu einer verzehrenden
Leidenschaft wächst, die sie in den Tod treiht.
Frl. Mohr traf gleich zu Beginn den richtigen
Ton. Sie ließ den tiefen Ernst ihres Wesens deut¬
lich durch die Liebelei durchschimmern, sie gab den
Schmerz und die Verzweiflung des armen liehe¬
betörten Kindes so rührend und echt, daß man
ergriffen förmlich all den Jammer und das un¬
sägliche Leid miterlebte. Nur die Stimme ist
stellenweise noch spröde und herb. Frau Wall¬
ner als leichtlebiges, süßes Wiener Mädel war
der Typus eines reschen, feschen Großstadtkindes,
voll Temperament und Humor. Hr. Heinl
war ein intelligenter Partner, der die unselige
Leidenschaft zu der Frau eines andern und die
gekünstelte Liebe zu Christine mit warmem Empe
finden zu gestalten verstand. Den feschen, lustigen
Akademiker gab Hr. Ander mit frischem
Wesen nur mit der Texisicherheit haperte es. Hr.
Brüngger zeichnete den unglücklichen alten
Vater mit rährenden Zügen und packender
Charakterisierungskraft. Frau Morocutti
gabedie tratschsüchtige, neugierige Alte mit sehr
guter Überzeugung. — Bei der Wiederholungs¬
aufführung hatte Frl. Fichtner Gelegenheit,
die Hauptrolle der Christine in ebenfalls vor¬
züglicher Weise darz Lellen. Der Jammer über
den Tod des abgötust, Geliebten, der für eine
andere im Zweikampfe fiel, gelang ihr hinrei¬
ßend, auch ihre Geste ist groß angelegt. Wir
freuen uns, daß wir für das Fach der jugend¬
lichen, sentimentalen Liebhaberin zwei so talen¬
tierte Vertreterinnen besitzen, die einander eben¬
bürtig sind und sich den Beifall der Zuhörer so
ehrlich verdient haben ...