II, Theaterstücke 5, Liebelei. Schauspiel in drei Akten, Seite 1342

Liebele
5.— box 12/7
Hambuiger
Demt
Cheaterse Mulik e Kunft e Leben.
### Deutiches Schgülelbaue.
Heut, wo die Revolutionswilven uns babrücken und Duell¬
fragen und Liebesgeschichten uns höchst nebensächlich und klein
erscheinen, mag Arthur S#h „Liebelei" manchem Theater¬
besucher veraltet und nicht me##tgemäß vorkommen. Aus
solchen Augenblicksstimmungen heraus läßt sich selbstverständlich
Wert oder Unwert eines Kunstwerks nicht bemessen. Das eine
aber ist gewiß: in diesem Stück, das nun bald fünfundzwanzig
Jahre alt ist, glüht der Funke göttlichen Feuers, der einer Dich¬
tung auf lange hinaus Leben verbürgt. Möglich, daß das Wien
von 1893, dem Schnitzler die Anregung zur „Liebelei“ entnahm,
durch den Weltkrieg für immer begraben wurde. Möglich, daß
es im neuen Wien, das nun entstehen soll, keine gesellschaftlichen
Unterschiede, keinen Reichtum und keine Armut, keine Ehebrüche
und keine Duelle mehr geben wird. Deshalb werden die Menschen
dort doch immer dieselben bleiben. Und immer wird es so ent¬
gegengesetzte Charaktere geben, wie Christine und die Schlager¬
Mizi, Fritz und Theodor, Hans Weiring und die Katharine
inder. In diesen Charakteren spiegelt sich die bleibende Gegen
sätzlichkeit des Lebens. Und sie aufgefangen zu haben, sie nicht
in scharfer dramatischer Herbigkeit, sondern in weicher lyrischer
Dumpfheit wiedergegeben zu haben, ist das bleibende Verdienst
des Schnitzlerschen Stückes.
Herr Dr. Eger hat sich bei der Wiederaufnahme der Dich¬
tung in den Spielplan ihrer selbst angenommen und eine fein ab¬
n Grundzug gestellte Aufführung
gestimmte, ganz auf den I
Schärfen waren vermieden, Ecken
herausgebracht. Naturalisti
und Kanten abgeschliffen, alles eingestimmt in den weichen, me¬
lancholischen Gesamtton. Die Bitterkeit der Frau Binder war
ebenso gedämpft worden, wie die Derbheit der Schlager=Mizi und
bei beiden Gestalten die weicheren, reflektierenden Momente leicht
unterstrichen. Nur der „Herr“ — die Verkörperung des Unheils,
das in das Idyll hereinbricht — war schroff und grell als Disso¬
nanz in die Harmonie hineingejagt: ganz im Sinne des Dichters.
Und so ergab sich eine einheitliche, stilgerechte Aufführung, für
die in den beiden scharf unterschiedenen Zimmern der sachent¬
sprechende Hintergrund geschaffen war.
Die beiden Freunde Fritz und Theodor wurden in ihrer
Gegensätzlichkeit durch die Herren Gebhardt und Lang gut
vertreten. Auch das entspricht ja dem Sinn des Stücks, daß der
Langsche Theodor geistig bedeutender erscheint, als Gebhardts
Fritz. Fräulein Wessely ist ein rührende, ergreifende Chri¬
stine, die nur den einen Fehler har, daß sie sich zu bedeutend, zu
schwer nimmt. Es handelt sich ja um keine schottische Königi##
sondern um ein Wiener Geigerstöchterchen, das sein Leben woh¬
in Schmerz, aher nicht in Tgik lebt. Lustig und fesch war die
Mizi des Frl. Bauer, sehr fein in der reichen Schattierung die
erafrau der Frau Hachmann. Besonders inter¬
St
essant war der alte Weiring des Herrn Wagner. Der Künstler
gab diese Figur, die der Dichter zu seinem Mundstück gemacht hat,
nicht so alt und nicht so theatralisch, als man sie gewöhnlich zu
seben bekommt, sondern als reisen, klugen Mann, der mit seinen
Lebensträumen abgeschlossen hateund zu einer resignierten Welt¬
anschauung vorgedrungen ist, die er gütig und ohne Aufdring¬
schkeit seiner Umwelt mitteilt. Daß die wichtige Evisodenrolle
des „Herrn bei Herr Rhil in besten Händen war, versteht sich
von selbst.
C. M-R.
SFEB1919
Ramburge Pensenpian
Theater, Kunst und Wissenschaft.
Das Deutsche Schanspielhaus machte
gestern abend eine Unterlassungssünde gut, in¬
hlerserstes und
dem es A
dichterisch wärmstes Schaufpfel „ Lieb
dem Spiekplan einfügte. Das Stück versehlte in
seiner schlichten und reizvollen Gestaltung,
durch die Inszenierung Dr. Egers aufs beste
zur Geltung kam, seine Wirkung nicht; das
Schicksal der warmblütigen Christine, die in so
vielen Zügen an Goethesche Mädchenbilder, wie
etwa an das Clärchen im „Egmont“, erinnert,
verbreitete allgemeine Rührung und nur die
letzte Szene, in der sie plötlich zu einer abge¬
blaßten Luise Millerin wird, brachte die Ge¬
radheit der Linie etwas ins Schwanien. Plötz¬
lich sängt hier das gans aufs Gesühl gestellte
Kind des Volkes, das seiyer Artung nach in
ungemessenen und haltungslosen Schmerz ver¬
fallen müßte, zu reflektieren an, indem es sich
gegen die bisher ohne Kritik hingenommene
Ordnung der Dinge auflehnt. Hier ließen sich,
wenn uns das nicht zu weit führen woülrde,
mancherlei Befrachtungen einfügen, die das Stück
in Nerhinhune mit den beuligen holitischen Er¬
eignissen brächten; es enthält in dieser letzten
Szene gleichsam ein blasses Wetterleuchten, das
als Ankündigung des heutigen Weltgewitters
gelten kann und das dem Stuck den Cyarakter
einer neuen Aklualität gibt. Die Inszeuierung
war sein und sorgsam. Die Wiener Note in
der graziösen Ausstattung des vornehmen Jung¬
gesellenheims im ersten Alt war scharf, wean
auch ohne Aufdringlichkeit zum Ausdruck gebracht,
und die Wiener Gemütlichkeit des kleinhürger¬
lichen Helms der beiden übrigen Aufzüge hatte
etwas anheimelnd Treuherziges. Die Darstellung
mit Trude 2
y und Olla Bauer
Konrab Gebhardt und Heinrich Lang in
den Hauptrollen wurde allen Anforderungen des
Di
zerecht; Frl. Wessely zeichnete die Hin¬
0
d Wärme ihrer Christine mit den über¬
ze
en Mitteln; Herrn Gebhardts Wiener¬
tum behielt freilich etwas Aeußerliches, um
echter brachten dafür Herr Heinrich Lang
Frl. Olla Baner die Leichtblütigkeit und Leicht¬
mütigkeit ihres ganz auf den Augenblicksgenuß
gestellten Verhältnisses zum Ausbruck. Als Vater
Christinens sand Carl Wagn
die über¬
zeugendsten Töne und die Kleinbürgerfrau
Frau Hachmann=
r war von
ter Echtheit. Der Aufführung folgte der wärmste
Reifall.
J. f.
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