Lieb
5.ei bos 12//7
Wien, I., Congordlaplas
öT13 10
schrichten
Amnburg.
Theaker und misi.
CA.P. „Liebelei“ im Deutschen Schauspielhause. Grüeß' Ihnen
Col Herr von Eger, „lebeln“ Sie a noch? Langt Ihre kostbare
Er einen kleinen Diskurs? — Ah' des is lieb von Ihnen. Ja,
asi ngen wollt: freilich, freilich 's liebeln is alleweil gar so viel
kommoder und a bloße Liebelei laßt sich auch a bisserl kurzweiliger
# alsa richtige Lieb'. Aber gehn's, Herr von Eger, is' wirklich
fbahr, was die Leut' sag'n? San Sie a nix anders als so a Schlau¬
Bergerl und ir Ihr Verhöltnis zu unserm Schauspielhaus am
End' bloß u ordinäre, u theatralische Liebelei? Freilich, freilich,
die Leut' san gar so viel schlimm und lassen an ihren Mitmenschen
ka gut's Haar. Aber, Herr von Eger, Hand aufs Herz, können Sie's
Ihnen verdenk.n, wenn sie allmählich die Köpf' z'sammenstecken und
flüstern: Was is denn mit unserm Herrn von Eger, was will der
neue Direktor eigentlich? Den andern überlaßt er alleweil die großen,
die frischen Stück' und für sich reserviert er bloß die altbackenen
88
aus Wien? Steckt vielleicht doch noch a Geheimnis dahinter, grad'
so wie die dämonische, schwarze Dam' im Stück selber, von der man
in einem fort red't, aber ihren Namen traut sich keiner aus¬
sprechen. Gehn's Herr von Eger, Sie san doch noch zu jung, um
sich gleich von Anfang an aufs Diminutiverl zurückzuziehen.
Da meinen die Leut' halt, es wär' Ihne bloß darum zu tun, daß
der Schnitzler Arthurl morgen im Kaffechaus beim Schwarzen
den Müller Hansel, und übermorgen der Müller Hansel beim
Gullasch dem Zweig Steffel sagen möcht': „Schaut's Freunderl, der
Eger in Hamburg is doch ar so a liebs Mandel; er führt alle
ünsere Stück' auf, ganz mu cht, ob sie alt oder neu, ob sie gut oder
schlecht sind. So a Direktorl im Westentascherl können wir brauchen
an unserm Burgtheaterl und an bessern finden wir halt in ganz
Österreich nit ....
Ja, das war's, glaub i, was i so im Vorüber¬
gehen noch schnell hab diskurieren wollen. Nix für ungut, Herr
von Eger. Im übrigen mach i mein Kompliment für'n gestrigen
Abend. S war halt gar so schön traurig! Wenn bloß das ver¬
flixte Diminutiverl nit g’wesen wär'. Das Schauspiel von unserm
Schnitzler Arthurl is gar a herziges Stückerl. Freilich a bisserl
winzig is 's schon, man kann fast sagen, is ka rechte Dichtung, mehr
so a. „Dichtelei“, und Herr von Eger, für'n Spielleiter, wie Sie
aner san, is's doch bloß a Spielerei auf dem Theater. Warum san
Sie denn auch gar nit a bisserl stolz. Freilich, freilich, i kunnt's ja
begreife, wenn's um die Schauspieler wär'. Aber schau''s Herr
von Eger: das Fräulein Trude Wessely is ein gar lieb's
kleins Dingerl. Doch i mein', zur Christin', zum süßen Mäderl,
da fehl's ihr noch a bisserl an Süßigkeit, und wissen's, mit Süßig¬
keit meini halt Sinnlichkeit. Nix für ungut! Mir is sie alleweil
vorkommen wie so ein verflogenes Vogerl aus'm Cottageviertel.
Aber nur nit auslassen. S wird schon noch was werden! Fräulein
Olla Bauer, die is fein fesch und plauscht Weanerisch, daß es
a Freud' is, aber die Schlager Mizi hab' i mir alleweil a bisserl
runder vorgestellt, so a bisserl molleter. Na Sie wissen halt schon,
wie i's mein. Den Herrn Konrad Gebhard aber machen's
sein Lebtag nit zum Wiener Frücht'l. Wenn er sich Müh' gibt,
wird's bloß noch sentimentalischer. Aber guat hat er g’spielt! Die
Verwirrtheit vor'm Duell hat er immer dadurch ausgedruckt, daß er
sich alleweil versprochen hat. Sakra, sakra, war des realistisch!
Herr Lang hat den Theodor g'’spielt, sehr fesch, sehr flott, das
mußi sagen, aber's kommt mir halt so vor als sei er schon a bisser!
aus der Roll' herausg'wachsen. Und Herr Wagner spielt den alten
Weiring. Nein, so a überraschung. Brav hat er sein' Sach' g. macht.
des muß ihm der Neid lassen. Aber der alte Herr Weiring spielt
doch die Violin am Josefstädter Theater, und Herr Wagner hat an
unserm Theater an die zwanzig Jahr' alleweil so n##t wie die
Baßgeig'n g'strichen. Wenn er sich jetzt auch zusammenducktund
a bisserl weicher und zittriger redt, es gibt doch halt noch immer
a andre Musik. Herr Wagner is aber a Wiener pom reinsten
Donauwasser und er hat noch die besten, die allerbesten Be¬
ziehüngen ... Also, Herr von Eger, b’hlet Ihnen Gott, „lebeln“
S#e##h
OTE81970
Hamburger Correspondens
Hamburg
7
##/II/I Deutichee Schaufpielbaue.
Neu insieniert: Literatur.
Aus der Herbe der „Liebelei“ melancholisch umwölkt, hebt
die Plauderkunst dieses Einakters mit keckem Schwunge. Der
Bogen ist zwar auch hier nicht sehr weit gespannt, aber er um¬
schließt doch so viel dramatisches Leben, so viel Typisches der Er¬
scheinung, daß man die Lücken der Struktur nicht bemerkt. Schnitz
ler wandelt das Thema Weib in seiner Margarethe durchaus
lustspielmäßig ab, mit einer Grazie der Empfindung, die einmal
sein Persönlichstes war, mit einem kristallhellen Dialogschliff, der
ihm heute vielleicht selbst nicht mehr zu eigen ist. Um eine Fegur,
wert, in Wedekinds Bezirken geboren zu sein, stellt er das Männ¬
liche in amüsanter Kontrastwirkung, scharf gerändert und
beinabe schon satirisch getroffen. Zusammenklang dreier Stim¬
men, aus deren heiterer Verschlingung der bewegliche, leichte, die
Dinge schwebend berührende Geist des Anatoldichters spricht.
Ein dramatisches Scherzo, das mit vielerlei Mitteln gespielt wer¬
den kann: zur Komödie hinauf und zum Schwank hinunter.
Hermann Wlach trieb das Tempo bis tief in den Schwank.
Das verstärkte den Lustspieleffekt und schwächte die seinen Ko¬
mödienwendungen. Gewinn und Verlust zu gleichen Teilen.
Paula Silten war eine sinnlich umrissene, weibchenhaft ge
spielte Margarethe, noch in Aeußerlichkeiten typisch Kobler ein
virtnos erfaßter, seiner Tragikomik unbewußter Gilbert, Lans
ein Elemens von Welt.
E. K.
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Wien, I., Congordlaplas
öT13 10
schrichten
Amnburg.
Theaker und misi.
CA.P. „Liebelei“ im Deutschen Schauspielhause. Grüeß' Ihnen
Col Herr von Eger, „lebeln“ Sie a noch? Langt Ihre kostbare
Er einen kleinen Diskurs? — Ah' des is lieb von Ihnen. Ja,
asi ngen wollt: freilich, freilich 's liebeln is alleweil gar so viel
kommoder und a bloße Liebelei laßt sich auch a bisserl kurzweiliger
# alsa richtige Lieb'. Aber gehn's, Herr von Eger, is' wirklich
fbahr, was die Leut' sag'n? San Sie a nix anders als so a Schlau¬
Bergerl und ir Ihr Verhöltnis zu unserm Schauspielhaus am
End' bloß u ordinäre, u theatralische Liebelei? Freilich, freilich,
die Leut' san gar so viel schlimm und lassen an ihren Mitmenschen
ka gut's Haar. Aber, Herr von Eger, Hand aufs Herz, können Sie's
Ihnen verdenk.n, wenn sie allmählich die Köpf' z'sammenstecken und
flüstern: Was is denn mit unserm Herrn von Eger, was will der
neue Direktor eigentlich? Den andern überlaßt er alleweil die großen,
die frischen Stück' und für sich reserviert er bloß die altbackenen
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aus Wien? Steckt vielleicht doch noch a Geheimnis dahinter, grad'
so wie die dämonische, schwarze Dam' im Stück selber, von der man
in einem fort red't, aber ihren Namen traut sich keiner aus¬
sprechen. Gehn's Herr von Eger, Sie san doch noch zu jung, um
sich gleich von Anfang an aufs Diminutiverl zurückzuziehen.
Da meinen die Leut' halt, es wär' Ihne bloß darum zu tun, daß
der Schnitzler Arthurl morgen im Kaffechaus beim Schwarzen
den Müller Hansel, und übermorgen der Müller Hansel beim
Gullasch dem Zweig Steffel sagen möcht': „Schaut's Freunderl, der
Eger in Hamburg is doch ar so a liebs Mandel; er führt alle
ünsere Stück' auf, ganz mu cht, ob sie alt oder neu, ob sie gut oder
schlecht sind. So a Direktorl im Westentascherl können wir brauchen
an unserm Burgtheaterl und an bessern finden wir halt in ganz
Österreich nit ....
Ja, das war's, glaub i, was i so im Vorüber¬
gehen noch schnell hab diskurieren wollen. Nix für ungut, Herr
von Eger. Im übrigen mach i mein Kompliment für'n gestrigen
Abend. S war halt gar so schön traurig! Wenn bloß das ver¬
flixte Diminutiverl nit g’wesen wär'. Das Schauspiel von unserm
Schnitzler Arthurl is gar a herziges Stückerl. Freilich a bisserl
winzig is 's schon, man kann fast sagen, is ka rechte Dichtung, mehr
so a. „Dichtelei“, und Herr von Eger, für'n Spielleiter, wie Sie
aner san, is's doch bloß a Spielerei auf dem Theater. Warum san
Sie denn auch gar nit a bisserl stolz. Freilich, freilich, i kunnt's ja
begreife, wenn's um die Schauspieler wär'. Aber schau''s Herr
von Eger: das Fräulein Trude Wessely is ein gar lieb's
kleins Dingerl. Doch i mein', zur Christin', zum süßen Mäderl,
da fehl's ihr noch a bisserl an Süßigkeit, und wissen's, mit Süßig¬
keit meini halt Sinnlichkeit. Nix für ungut! Mir is sie alleweil
vorkommen wie so ein verflogenes Vogerl aus'm Cottageviertel.
Aber nur nit auslassen. S wird schon noch was werden! Fräulein
Olla Bauer, die is fein fesch und plauscht Weanerisch, daß es
a Freud' is, aber die Schlager Mizi hab' i mir alleweil a bisserl
runder vorgestellt, so a bisserl molleter. Na Sie wissen halt schon,
wie i's mein. Den Herrn Konrad Gebhard aber machen's
sein Lebtag nit zum Wiener Frücht'l. Wenn er sich Müh' gibt,
wird's bloß noch sentimentalischer. Aber guat hat er g’spielt! Die
Verwirrtheit vor'm Duell hat er immer dadurch ausgedruckt, daß er
sich alleweil versprochen hat. Sakra, sakra, war des realistisch!
Herr Lang hat den Theodor g'’spielt, sehr fesch, sehr flott, das
mußi sagen, aber's kommt mir halt so vor als sei er schon a bisser!
aus der Roll' herausg'wachsen. Und Herr Wagner spielt den alten
Weiring. Nein, so a überraschung. Brav hat er sein' Sach' g. macht.
des muß ihm der Neid lassen. Aber der alte Herr Weiring spielt
doch die Violin am Josefstädter Theater, und Herr Wagner hat an
unserm Theater an die zwanzig Jahr' alleweil so n##t wie die
Baßgeig'n g'strichen. Wenn er sich jetzt auch zusammenducktund
a bisserl weicher und zittriger redt, es gibt doch halt noch immer
a andre Musik. Herr Wagner is aber a Wiener pom reinsten
Donauwasser und er hat noch die besten, die allerbesten Be¬
ziehüngen ... Also, Herr von Eger, b’hlet Ihnen Gott, „lebeln“
S#e##h
OTE81970
Hamburger Correspondens
Hamburg
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##/II/I Deutichee Schaufpielbaue.
Neu insieniert: Literatur.
Aus der Herbe der „Liebelei“ melancholisch umwölkt, hebt
die Plauderkunst dieses Einakters mit keckem Schwunge. Der
Bogen ist zwar auch hier nicht sehr weit gespannt, aber er um¬
schließt doch so viel dramatisches Leben, so viel Typisches der Er¬
scheinung, daß man die Lücken der Struktur nicht bemerkt. Schnitz
ler wandelt das Thema Weib in seiner Margarethe durchaus
lustspielmäßig ab, mit einer Grazie der Empfindung, die einmal
sein Persönlichstes war, mit einem kristallhellen Dialogschliff, der
ihm heute vielleicht selbst nicht mehr zu eigen ist. Um eine Fegur,
wert, in Wedekinds Bezirken geboren zu sein, stellt er das Männ¬
liche in amüsanter Kontrastwirkung, scharf gerändert und
beinabe schon satirisch getroffen. Zusammenklang dreier Stim¬
men, aus deren heiterer Verschlingung der bewegliche, leichte, die
Dinge schwebend berührende Geist des Anatoldichters spricht.
Ein dramatisches Scherzo, das mit vielerlei Mitteln gespielt wer¬
den kann: zur Komödie hinauf und zum Schwank hinunter.
Hermann Wlach trieb das Tempo bis tief in den Schwank.
Das verstärkte den Lustspieleffekt und schwächte die seinen Ko¬
mödienwendungen. Gewinn und Verlust zu gleichen Teilen.
Paula Silten war eine sinnlich umrissene, weibchenhaft ge
spielte Margarethe, noch in Aeußerlichkeiten typisch Kobler ein
virtnos erfaßter, seiner Tragikomik unbewußter Gilbert, Lans
ein Elemens von Welt.
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