II, Theaterstücke 5, Liebelei. Schauspiel in drei Akten, Seite 1344

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Neue Hambwger Zeitung
Hamburg.
Deutsches Schauspielhaus. Liebelei von Arthur
Schnitzler. Ein#wirksamer Ausschnitt echten Lebens, hinter
em schönes und reifes Verstehen des menschlichen Da¬
stins und seiner Abhängigkeiten steht, behauptet seine Be¬
rhchtigung auf der Bühne auch heute noch; zumal auf einer
Bühne mit so ausgesprochener Schnitzler=Tradition. Nehmen
wir die Aufführung also als eine unproblematische, aber ge¬
diegene Gabe hin; zumal sie durch Dr. Egei als Spielle ter
in ansprechender Form geboten wurde Trude Wesselh als
Christine war in der jungfräulichen Zurückhaltung und der
Unbedingtheit ihrer Hingabe gleich reizvoll; als ausgezeich¬
nete Wiener Typen seien Langs Theodor und Mar ha Hach¬
mann=Zipsers Frau Binder hervorgehoben. Clla Bauer
geriet bei der Mizzi Schlager nahe an die Grenze des Natür¬
lichen, ohne sie jedoch zu überschreiten. Wagner wendet an
den Papa Violinspieler etwas reichlich Wehmut= und Geb¬
hardt spielt den Fritz genz als umflorter Jüngling. Viel¬
leicht wäre hier ein wenig modernere Auffassung nicht vom¬
Uebel. Nhils kurz Auftreten als Herr war, neben dem
Zusammenbruch Chustines, die stärkste Wiekung des Abends,
der bon den Zuschapern höchst beifällig ausgenommen wurden
H. WIF
Padttheater Leitmeritz. Z
„Liebelei“, Schauspiel in 3 Alten von Arthur
Schnitzler. — Der Autor ist uns kein Fremde: mehr.
Seinen Entwilllungsgang haben cir anläßlich der Auf¬
führung von „Professor Bernhardi“ eingehend betrach¬
tet. Den Namen vom „lieben, süßen Mädel“ da.
Einst von Wolzogen geprägt. Um bie literarische
Verwertung dieses Frauentypus, der nur auf dem
Boden der ewig lachenden und ewig frivolen Phäaken¬
stadt Wien erblühen konnte, haben sich eine ganze Reihe
Wiener Autoren mit mehr oder minder Glück und
Geschick bemüht. Ihn in seiner ganzen lebensdurstigen
Beden'e losigkeit, köstlichen Süßigkeit, humorvol¬
len Natürlichkeit, weichen Sentimentalität und tra¬
gischen Tiefe zu erschöpfen, blieb Schnitzler vorbe¬
halten. Als Endglieder dieser Gefühlskette häßt
der Autor in seinen Schauspiel, die Duellfrage
streifend, zwei gegensätzliche Haupttypen des süßen
Mödels sich bis zu den äußersten Folgerungen ihrer
Veranlagung ausleben: die eine, Mizzi Schla¬
ger deren gesunde, kräftige Natur den ersten An¬
hieb überstanden hat und die Männer kennt, lenkt
mit starkem Vernunftseinschlag ihre Liebelei — wie
manche frühere — auf das gewohnte Geleise mit
dem gewohnten Ende. Die sentimentale Liebelei
der anderei, Christine Weiring, wächst zu einer
tiesen Neigung aus und findet in Fritz Lobhei¬
mer herrliche, aber zu späte Gegenliebe: in dem
Augenblicke, wo Fritz den Wert seines Mädchens
erkeint, zwingt ihn ein betrogener Gatte, die ge¬
sellschaftlichen Konsequenzen einer innerlich über¬
wunde en Schuld im Zweikampfe zu ziehen. Lob¬
heimers Fall vernichtet auch Christinens Leben. —
Frl. Sarolta verlieh ihrer Christine anfangs zu
schwerblütige, zu grüblerische Züge. Sie verkennt
damit etwas die moralisierende Tendenz des Au¬
tors und verzeichet sich in der Charaksterisierung
der trotz Schwärmerei und trotz frommen Selbst¬
betrug in dei Szenen des 1. Akles recht lebhaften
und recht glücklichen Christine. Auf der Seele ihrer
Christine liegt anfänglich zu viel Reif, zu große
Härte. Mehr an der Oberfläche schwimmende, we¬
niger lerbe Sentimentalität ist hier notwendig. Das
Wesen der Liebelei muß breiter, augenfälliger er¬
poniert werden, das Hinübergleiten aus der vor¬
aussetzungslosen Liebelei, die sich zu nichts ver¬
pflichtet, zur tieferen, den Konflikt heraufführenden
Neigung muß scharf ins Auge fallen. In der Tra¬
gödie ihrer Liebe findet dann Frl. Sarolta rasch
altvertraute Wege dramotischer Kraft. Sie wächst
von Szene zu Sdene in der Steigerung ihrer Leiden¬
schaft, ihres Schmer#es, ihrer Verzweiflung zu pa¬
ckender Wirkung und beschließt ihre Rolle mit einem
vollen, von Blun enspenden begleiteten Erfolg. Die
Rolle der Mizzi Schlager ist mit Frl. Hütter vor¬
trefflich besetzt. Von der Operette kommend, bringt
sie alles mit, was den Gegensatz zu Christine ver¬
körpert: Frohsinn, Leichtsinn, quecksilbernes Tem¬
perament, teuelose Freude am Lebensgenuß,
Kenntnis und lachende Verachtung der Männer.
Sie ist ganz vom Schlage des Wiener Mädels, suß
und schwer, findet aber auch innige Laute der
Freundschaft. Dabei ist sie die einzige, die den
Wiener Dialekt beherrscht. Herr Reinhold bemüht
sich außerordentlich — und mit Erfolg, — von der
Deklamation abzukommen, sein Phatos klingt echter,
wärmer, inverlicher, überzeugender, das innere Er¬
lebnis beginnt sich wechselvoller in seinem Mienenspiel
zu spiegeln. Nur müßte sein Fritz anfangs weniger
ehrbar und keiß, etwas frivoler und leichtflüssiger
stigziert sein und später die Prädestination des To¬
des sich ausdrucksvoller, schwerer auf Haltung und
Miere legen. Herr „Janko vertrift mit ge¬
schmeidiger Eleganz und vornehmer Lässigkeit die
Wiener jeneusse doree von 1890. Bemerkenswert
ist seine feinerfaßte Kredenzszene. Herr Renner
als Hans Weiring ist ein erquickender, alter Musi¬