II, Theaterstücke 5, Liebelei. Schauspiel in drei Akten, Seite 1350

Liebe
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5. Lauasei
allzu ernst nimmt, ist weder „modern“. Danstellerin. — Besser geschen als diese
zwei Hauptfiguren sind die Freundin
Christines, Mizzi Schlager, eine Modistin,
„Jettchen Geberts“ gehalten. So schwankt
und der Frcund des Fritz, Theodor Kaiser.
es als eine Art von Zwischenaktsmusik
Als Einzige an diesem Abend war Frau
und könnte auch als Episode eines groß
Medelsky Fräulein Rosar ebenbürtig. Sie
angelegten Gesellschafts-, Liebes- oder
spielte das leicht erregbare und leicht ver¬
eines anderen Tendenzdramas gelungen
geßliche Naturell Schnitzlerscher (näm¬
sein. In der Form aber, in der es feststcht,
lich der echteren) Frauengestalten. Auch
als Miniatundrama, scheint es unvollendet.
sie war einheitlich und wirklich künstle¬
Vielleicht hauptsächlich deshalb, weil in
wenigen Stücken neueren Datums dem
risch in ihrer Darbietung. Es lag wohl in
der Stimmung oden in der Zeit, daß sich
Publikum so ganz und gar keine Ge¬
ihr beinahe die größere Sympathie für
dankenfreiheit zugestanden wird. Alles ist
ihre Menschlichkeit als Christine zuneigte.
so simpel, so unbedingt, eigentlich deshalb
Herr Hüttig als Theador war ganz scha¬
ohne Motiv, weil, um an das Ende zu den¬
blonenhaft. Am besten in der Stimmung, in
ken, gar kein Gedanke beinahe nötig ist.
der er, einen Kellner imitierend, im Zim¬
Es könnte gar nicht anders kommen. Und
mer Fritz Lobheimers Wein einschänkte.
wäre Fritz nicht im Duell gefallen, wäre
Was Schnitzler versteht, ist — (mit
er bestimmt bei einer Bootsfahrt mit einer
Dany Gürtler) — die Hand zu heben und
anderen Frau ertrunken. Dieser Fritz Lob¬
zu-sägen: „Stimmung!“ Das gelingt ihm
heimer nim ist ein allzu gefühlvoller
auch. Aber leider versinkt diese wieder
junger Mann, so gefühlvoll, daß zu ihm
in allzu oberflächlicher Charakterisierunz.
eigentlich der Catterway #ar nicht paßt.
Und da es läutet, der Gatte der untreuen
Es wäre dieses Allzuviel etwas zu ver¬
Frau bei Fritz erscheint, ist es ganz inter¬
wischen, aber Herr Fehér, der ihn spielte,
essant zu beobachten, wie spannungsarm,
versteht das nicht und wiegt sich immer
wie gar nicht elektrisch geladen diese
gern in den fettig-glänzenden Welien des
Pause ist, wenn man die Pausen Strind¬
Pathetischen, Christine nun, die er liebt,
bergs vergleicht. Hier eine gleichsam
muß man ihrer geradezu unwahrschein¬
musikalische, dort eine notwendige Pause.
lichen Naivität wegen viel zugute halten.
Als Schlußwort zu dieser sehr guten
Sie spürt „Gefühl“ scheinban zum ersten
Aufführung: muß Herr Reinhardt jede
Male. Dazu verstrich nun Fräulein Rosars
Rolbe, jede Stimmung verderben? Und
Pathos ins Herzliche. Und das gelang ihr
wenn ja, muß er dann spielen? Hier spielte
nun ganz vorzüglich. Was eine Unmöglich¬
er „den Herrn“, den Gatten der Dame.
keit schien, sie packte und rührte. Die
Verlegenheit ihres ersten Besuches bei
Man mußte lachen, wenn man sich nicht
Fritz war ganz wunderbar gesehen. Der
ärgern wollte.
Haus Gerhard Schbly
verlegen zitternde Klang der Stimme, die
anfangs eckigen Bewegungen, die erst
später ins Geradlinig-Weiche übergingen,
das verhaltene Mienenspiel —: es war
eine Freude, sich von- dem lebenswahren,
Spiele Fräulein Rosars mit fortreißen zu
lassen. Und dann: die zitternde Furcht und
quälend-aufjubelnde Schrei, als Fritz durch
ihre Türe trat. Die Verlegenheit, als &r
ihre Bibliothek sehen wollte — und viele
andere Züge verschmolzen zu einer
meisterhaften Gesamtleistung. Sie scheint
durch alles, sogar durch eine dunkel ge¬
färbte Stimme prädestiniert zur tragischen