II, Theaterstücke 5, Liebelei. Schauspiel in drei Akten, Seite 1370

Liebelei
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#s And im Orchester herrschie gute Stimm
Kapellmeister Dr. Böhm war so einsichtsvoll gewor¬
den, daß er wenigstens den Brauichor gemessener und
feierlich=bewegter nahm. Das Haus war übervoll und
am Schlusse wurden die Darsteller immer wieder vor
Julius Schuch.
die Rampe getrommelt.
(Schauspielhaus.) Schnitzlers „Liebelei“. — Herr
Lobheimer ver¬
Effenberger
zeiht man manches, was man dem Leander ankreiden
muß, oder mit anderen Worten: Ein leichthin liebelnder
Wiener darf undeutlicher und weniger einwandfrei
sprechen als ein klassischer Grieche. Herr Effenberger
war also nicht gerade besser, sondern die Rolle ist leich¬
ter annehmbar zu geben. Im zweiten Akt freilich (sonst
hat der Fritz überhaupt nicht viel zu tun) hätten wir
gerne mehr Tonunterschiede gehört, mehr Leben ge¬
spürt, damit nicht ales nur die Mizi (Frau Weiser)
und die Christin (Frau Imle) allein machen müßten.
Gute Augenblicke (besonders, im Anfang) sollen nicht
übersehen werden, aber sie konnten die mangelnd¬
Durchlebtheit und Reife dieser Darsiellung nicht er¬
setzen. Also: Lernen und werden. Dazu ist man schlie߬
lich jung. — Im übrigen ergriff Frou Imle in der
Schlußszene der „Liebelei“ durch vollendete Darstellung
mid unterhielt Fran Weiser im „Abschiedssouper“ in
—er—
drolligstem übermut.
(Abschiedsabend Else Godeck.) Das von unserer
Bühne scheidende, äußerst verdienstvolle Mitglied Frau
Else Godeck gibt am Dienstag den 11. d. M. ihren
Abschiedsabend. Frau Godeck wird u. a. „Aases Tod“
aus „Peer Gynt“ von Ibsen mit der Musik von Grieg
(Kapellmeister Markowitz), ferner die entzückende No¬
velle von Bartsch „Die Schauer im Dan Giovanni“ so¬
Nann Pnong Terrcl

„Liebelei“.
Schauspeel von-Sehur Schnitler.
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22.
Zur Aufführung im Stadtkheire
Wen je einer das saule Seelenleben des Wienertums vor dem
Kriege treffend zu schildern verstand, wie es, durchtränkt von läh¬
mendem Erotismus, weicher zu einem Zug ins Große, noch über¬
haupt zu einer starken Tat reif werden konnte, so ist das Schnitz¬
ler. Dieses Wienertum, in Liebenswürdigkeit demoralisiert bis
auf die Knochen, war dem Verfall verschrieben, lange ehe literarisch
die Erkenntnis dieses Zustandes erwuchs und der Schriftsteller als
Arzt seine Sonde anlegte und zu operieren begann. Es war
zu spät.
Schnitzler selbst mußte sich zum Arzt erst emporbilden. Noch
im „Anatol“ umfängt ihn selbst die ganze Frivolität des Stoffes,

noch hat er nicht jene Tistanz zum Thema, jene Sachlichkeit er¬
rungen, die seine Kunst später auf eine höhere Stufe hebt, ihr
moralische Werte schenkt. Anders in der „Liebelei . In zwei
Jahren hat Schnitzler den Weg von zynischer Schilderung zu einer
ethischen Auffassung und Behandlung des Stoffes gesunden.
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„Liebelei“ ist eine schweie Anklage des Dichters gegen unsere
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männliche Jugend, die in allzuleichter Auffassung. des Themas
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egan
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Akenöblatt
—.—
„Liebe“ schon manches Menschenleben zerbrochen hat. Was auf der 1
einen Seite leichtlebiges Spiel ist, wird auf der anderen tiefes Er¬
leben und Schicksal. So wächst aus dem schillernden Milieu vor=
nehmen und dekadenten Wiener Junggesellentums eine erschütternde
Tragödie, die im hohen Stübchen armer Musikerleute in einem be=sk
scheidenen Bezirke ihren Abschluß findet. Der Tod löst zweifach den
Konflikt und breitet seine versöhnenden Fittiche über ein Elend,
das seinen Grund in mangelndem Lebensernst einer leichtsinnigen
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Jugend und im. Fehlen jeden Verantwortlichkeitsgefühles dem;
Leben und dem Mitmenschen gegenüber hat.
Die Aufführung war gut und fand mit Recht vollen Beifall. v
Erika Deutelmoser, im ersten Akt im Spiel noch etwas be¬#
fangen und daher zurückhaltend, wuchs später zusehends in ihrersu
Rolle. In der pathetischen Szene des dritten Aktes, als Christiane
den Tod Fritzens erfährt, steigerte sich ihre Kunst zu wirksamer, er= b.
schütternder Kraft. Die fröhliche leichtlebige Freundin Mitzi wußte
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Fräulein Agel trefflich zu bringen, sie gab den ersten Akt mit dem 12#
Doppelstelldichein in Fritzens Junggesellenwohnung Leben undsd
Farbe. Rudolf Ferstl als Fritz und Artur Duniecki als sein
leichtsinniger Freund waren gut. Herr Ferstl hätte den Fritz wohl g
etwas leichter geben können. Das Verhaltnis zu Cristine darf für g
ihn nicht mehr als eine Liebelei sein, wenn es auch am Ende an¬
n
gesichts der Trennung und der Todesgefahr an Innigkeit gewinnts##
Gut gab Fräulein Köcht die schwatzhafte Frau Binder und ein=8
drucksvoll war Herr Lermer in der kurzen aber schicksalsschweren
Rolle die der Dichter ganz unpersönlich als „Ein Herr“ bezeichnet.
Herr Gebhard wuße den Vater Weiringer, der mehr von Schillers
Musikers Miller als von Hebbels Meister Anton hat, keine rechte
Lebenskraft zu geben
A. S.