II, Theaterstücke 5, Liebelei. Schauspiel in drei Akten, Seite 1371

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Liebelei
5. Kn
13. Mai, Tanzabend Stefst Wiesinger von der
Staatsoper in Wien.
t. „Liebelei“. Die nicht ausgereifte Aufführung von
Schninler=#belei“ im Stadttheater bedeutet
zeine Berecherung des Spielplanes, sie hebt durch ihre
Nängel nur die Unechtheit der Schnitzlerschen Emp¬
findsamkeiten hervor. Es fehlte, um nur die Haupt¬
ursache des Mißlingens zu vermerken, an geeigneten
Vertretern für die Rollen der Chrstine und des Fritz.
Herr Fersil spielte schlecht und recht einen belebigen
jungen Dutzendmenschen, dem man inneres Erleben
nicht glauben kann. An ganz unrechter Stelle stand
auch Frl. Deutelmoser. Christine soll ein be¬
scheidenes, kleines Mädel sein, das nur einmal lie¬
den kann und an der ersten Enttäuschung zugrunde¬
gebt. Innigkeit und Wärme müssen diese Gestalt ein¬
küllen, wenn sie duftig und verinnerlicht, wie sie der
Dichter gestalten wollte, wirhen soll. Bei Frl. Deu¬
telmoser blieb Wort, Blich und Geberde unfertig, halb¬
vollendet. Li##e und Jammer, das ganze Schicksal
dieser Christine schien nur mt dem kühlen Verstand
allein erfaßt und ohne inneres Mterleben dargestellt.
Die Ueberzeugungskraft blieb aus, weil zu viel merk¬
bares Bemühen sichtbar wurde. Mehr gerecht wurde
dem Dichter in gütigem Verstehen der Vater des
Herrn Gebhardt. Ohne Einschränkung anzuerken¬
nen sind nir Frl. Agel, die eine muntere und le¬
benskundige Mizzi Schlager gab und Herrn Duniec¬
kis Theodor. Um ein paar Töne zu kräftig gab Frl.
Kahl die Tante Binder. Die Rolle des bele digten
Ehemannes lag in den Händen des Herrn Lermer,
der hier, wie auch bei anderen Gelegenheiten, etwas
mehr natürliche Kraft und weniger „Theater“ bieten
solite.
Dr. R. S.
dt. Klingenschmids Tiroler Bühne. Heute 8 Uhr
Ends „Jägerblut“, Bauernposse in 5 Akten von

Lose Blätter.
½ Residenz=Theatel Am Donnerstag fand die Erstauffüh¬
g der 'neu einstudersen unverwüstlichen „Liebelei“ jenes
erschen Schausptäls statt, das so ausgelassen und luftig
so tiefttgchig endet. Die Vorzüge des Stückes liegen
in der Schilderung ###infachen Vorgänge, im „Milien", be¬
sonders aber in der gläßtenden, lebenswahren Zeichnung seiner
Gestalten. Von ihnen ##tes in erster Linie Christine, eine
Schwester der Schillerschen Luise Miller, die das Interesse in
Anspruch nimmt. Teitt sie im ersten Akte gegenüber ihrer
Freundin Mizi, dieser nach Lebensgenuß dürstenden jungen
Wienerin, twas zurück, so nimmt sie in den anderen beiden
Während die leichtlebige Mize
Akten die erste Stelle ein.
ihr Verhältnis zu Theodor lediglich als ein Zwischenspiel von
längerer oder kürzerer Dauer — je nachdem — betrachtet, wird
das Herz der viel zarter und weicher.veranlagten Christine von
dem Gefühl der ersten und einzigen Liebe so erfüllt, daß sie,
als nach nur kurzer Frist all ihr Glück in Scherben bricht, ver¬
zweifelnd davonstürzt, um nie wieder heimzukehren in das Haus
ihres alten Vaters. Die sehr dankbare Rolle der Christine ist
von jeher bei Künstlerinnen von hohem Range sehr beliebt ge¬
wesen, und sie zu spielen ist auch die heiße Sehnsucht aller
Sentimentalen jüngeren und jüngsten Jahrgangs. Im Residenz¬
Theater ist die Christine in früheren Jahren mit Vorliebe von
Agnes Sorma im Deutschen Theater vor längerer Zeit von
Ida Wüst meisterhaft dargestellt. Beide Künstlerinnen statteten
die Nolle mit zahlreichen seinen Zügen und Schattierungen aus,
auf dramatische Höhe und brachten sie so zu er¬
stellten sie
schütterndster Wirkung. Auch Margarete Schön bot bald nach
der Wüst im Deutschen Theater eine Leistung von hohem künst¬
lerischen Werte. Diesmal lag die Rolle in Händen von Fräu¬
lein Jahn, die bereits im vorigen Jahre im Residenz¬
Theater die Lola im Sudermannschen „Höhern Leben“ mit Er¬
folg gespielt hat. Die Darstellung verdient hohes Lob. Unter¬ „
stützt von einem seelenvollen Auge einem lebhaften Mienen¬
spiel und reiner klangvollen, wohlgeschulten Stimme brachte
Fräulein Jahn die Gestalt zu starker ergreifender Wirkung
und ließ klar erkennen, daß sie für das Fach der Sentimentalen
eine ungewöhnlich tüchtige Kraft ist Sehr zu loben ist auch
der Fritz des Herrn Asdor. Er gab ihm von Anfang an, wohl
gegen des Dichters Absicht, etwas von Schwermut, führte aber
Fräulein Beling
die Rolle, so angelegt, vorzüglich durch.
hatte als leichtlebige Mize gute Momente, muß aber die dank¬
bare Rolle, um sie zu voller Geltung zu bringen, noch weit,
mehr ausgestalten. Aus dem alten Weiring, Christinens Vater,
dem schwachen, gutmütigen Manne, schuf Herr Märtens eine
rührende Gestalt. Auch Fräulein Bonney blieb der kleinen
Rolle der recht wenig angenehmen Frau Binder nichts schuldig,
und Herr Diretor Schindler, in dessen bewährten Händen
auch die Spielleitung lag, war als Theodor der richtige eicht¬
lebige junge Wiener aus der Zeit vor dem Kriege. So brachte
der Abend eine vortrefflich abgerundete Vorstellung, die sich
beim Publikum des lebhaftesten Beifalls zu erfreuen hatte und
vieler Wiederholungen sicher sein kann.