II, Theaterstücke 5, Liebelei. Schauspiel in drei Akten, Seite 1386

Liebelei
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Klose & Seidel
Bureau für Zeitungsausschnitte
Se in NO. 43, Georgenkichplatz 21
Zeitung: Berliner Börsen-Zeitung
Ort:
Berlin
Datumt i. —.
—Franz Neumanns „Liebelei“ in der Volks¬
bühne. Wollte Franz Neumann, als er das bekannte
Scnitzlersche Schauspiel von A bis Z, Wort für Wort, ohne
jede Auslässung unter Noten setzte, nun den Beweis dafür
antreten, daß das Musikdrama, aus einem historischen Irrtum
entstanden, von jeher kunstprinzipiell ein Unding war? Jeden¬
falls konnte er nicht besser geführt werden, als durch das
seltsame Experiment, ein naturalistisches Sprech= und zum
großen Teil sogar Dialektdrama ohne jede Bearbeitung als
Operntext zu nehmen. Es war bei einem solchen Versuch
von vornherein selbstverständlich, daß sowohl das Wort
leiden mußte, das seinem eigentlichen Wesen nach gar
zur Geltung kommen kann, als die Musik, die denn auch
über abgerissene rezitatorische Phrasen und melodramatisch
malende Orchesterbegleitung kaum irgendwo hinauskommt.
Das schon 1911 unter Gregor aufgeführte Werk fand auch
diesmal eine verblüffend gute Darstellung. Haus Heinz
Bollmann war spielerisch, gesanglich und aussprachlich ein
glänzender Fritz. Desider Zador exzellierte ebenfalls nach
diesen drei Richtungen als sein Freund Theodor, und Hell¬
muth Berndsen rührte die Herzen als alter Hans Weie¬
ring, Violinspieler am Josefstädter Theater. Von den Damen
war am meisten Friedel Schwarz als leichtsinnige Mizzi
am Platz, während die Christine Margarete Schlemüllers
erst im letzten Akt voll überzeugte. Die musikalische Leitung
war bei Eugen Gottlieb in guten Händen. Das
Orchester genügte allen berechtigten Ansprüchen.
B.
(lose & Seidel
Bureau für Zeitungsausschnitte
Berlin NO. 43, Georgenkirchplatz 21
Zeitung:
Ort:
Datum: —
Berliner Theaterbrief
Die Sommeroper, deren künsilerischer Leiter Maximilian
Motis ist, während Heinrich Neft die Geschäfte des Direktors
führt ist jetzt vom Wallnertheater in die Volksbühne über¬
gesledelt. Zum dritten Male spielt man jetzt dort Opern unter
derselben Leitung und unter Zuziehung des Blüthner¬
Orchesters. Wieder wirkt dort auch mit bestem Erfolg der sehr
tatkräftige, feinmusikalische Kapellmeister Eugen Gottlieb.
Hervorgeholt wurde des Deutschmähren Franz Neu¬
mann (geb. 1874) Oper Liebelei, die vor mehr als zehn
Jhren hier erfolgreich in Hans Gregors Komischer Oper auf¬
geführt worden ist, nachdem sie die Feuerprobe in Frankfurt
a. M., dem damaligen Wirkungsorte des Tonsetzers, sowie in
Köln und Leipzig bestanden hatte.
Mit ganz geringen Auslassungen ist Arthur Schnl
lers längst bühnenerprobtes, sehr wirkungsvolles gleichnami¬
ges Drama auf Wunsch des Dichters von Neümann wörtlich
komponiert worden. So sehr die Musik den hochtragischen
dritten Akt unterstützt, auch dem zweiten zugute kommt, so
lähmt sie doch vielfach die reinen Konversationsszenen des
ersten Aktes; überhaupt herrscht der Sprechgesang gar zu sehr
vor, liegt der musikalische Schwerpunkt gar zu sehr im Or¬
chester. Wenn aber Neumann auch stark von Puccini beeinflußt
erscheint, so fesselt sein Werk doch sehr, langweilt jedenfalls
nicht. Er hat manchen schönen Einfall, beherrscht das Orchester
prachwvoll, charakterisiert die Personen sehr glücklich und trifft
die Stimmung vortrefflich. In dieser Hinsicht ist der Gegensatz
zwischen der lustigen und lebendigen Souperszene und dem
dumpfen, schwülen, die Katastrophe ahnen lassenden Auftreten
des fremden Herrn äußerst gelungen.
Die erheblichen Schwierigkeiten des Werkes wurden im
wesentlichen glücklich überwunden. Vor allem wurde sehr gut
gespielt. Hervorragend besonders in der Schlußszene war die
hochmusikalische Margarete Schlemüller als Christine,
ausgezeichnet Desider Zador als Theodor.
Diese Aufführung wird sichetlich das allgemeine Interesse
auf das mit Unrecht etwas ins Hintertreffen geratene Werr
Prof. Dr. Au.
re
wieder gelenkt haben.