Liebele
Setetel box 12/7
Klose & Seidel
Bureau für Zeitungsausschnitte
Berlin NO. 43, Georgenkirchplatz 21
Zeitung:
Die rote Fahse
Ort:
Datum: ##
losigkeit vorwirft, entgegenhält, daß er selber sie als Objekt
seines Vergnügens an ein Genußleben gewöhnt habe und sich
Anpassung.
nun nicht beklagen könne, wenn sie ihn verlasse, um einen andern
die Anpassung liegt auch in dem Hymnus
(In der Volksbühne am Bülowplatz und im Casino¬
auszuplündern, —
des verkracht Lehemannes auf ein neues, arbeitsames Leben.
Theater, nicht weit davon, wirken Sommertheater. Dort als
Der unwahrscheinliche Entschluß, auf einen Kontorbock zu
Oper, hier als Schauspiel und Allerlei. Sozial genommen,
klettern, statt zum Revolver zu greifen, weckt an dieser Stätte
zeigen beide eine gewisse Anpassung an die Seele des an¬
wohnenden Publikums. Eine Note der Anklage erklingt. In
natürlich entschiedenen Beifall.
der Oper Neumanns, nach Schnitzlers „Liebelei“, wird diese
Noch dicker sind die Mittel, mit denen Regie und Bearbei¬
Note allerdings durch die Noten übertönt. Die Musik verwischt
tung ein älteres Stück, „Exzellenz Maxe“ von Bischitzky,
das bißchen Auflehnung, das sich in der tragischen Figur des
für den Geschmack des Casino=Publikums zugestutzt haben,
Stückes schließlich regt, soweit diese Auflehnung aus dem Texte
Genau genommen: nicht für den Geschmack, sondern für die Ge¬
des Schauspiels überhaupt im Libretto geblieben ist. Schnitzler
sinnung: wie denn der augenblickliche Erfolg eines Werkes nie¬
konnte ja nicht umhin, in dem Wiener Mädel, als es am Tuell¬
mals durch seinen künstlerischen Wert, sondern durch das Ver¬
tode des geliebten Kavaliers zerbricht (der sich mit einem be¬
hältnis zwischen seiner Tendenz und seinem Publikum ent¬
trogenen Gatten schießen mußte), zuletzt Bitterkeit und Anklage
schieden wird. Ursprünglich war das Stück viel harmloser, aber
erwachen zu lassen, obschon sich diese Anklage mehr auf das
auch viel weniger klobig gearbeitet. Eine Einbrechersamilie
persönlich erlittene Unrecht stützt als auf die sozialen Unter¬
läßt sich in der Grunewaldvilla einer verreisten Exzellenz nieder,
schiede. Von dem Umstand der Vertonung an sich ganz abge¬
bis der Herrlichkeit schließlich ein Ende gemacht wird. Das
sehen, ist nun obendrein Neumanns Musik nur auf das Senti¬
mentale aus, das doch bei Schnitzler schon nur darum erträglich Casino=Tyeater hat der Sache eine gleichsam aktuelle Spitze zu
geben versucht, indem es die richtige Exzellenz zu einem jener
wirkt, weil es mit stiller Ironie gesalzen wird. Von origineller
großen Diebe machte, die man nicht hängt, während die falsche
Erfindung kann ich in dieser Musik nichts wahrnehmen, dafür
Exzellenz zuletzt abgeführt wird. Also, ungeheuer vergröbert,
fehlt es aber nicht an billigen Essekten, wie dem Orchestervorspiel
die Pointe eines Stückchens von Mirbeau, wo der Dieb dem
zum dritten Akt, das bei der Ausmalung des Duelles sich einen
ehre werten Bourgcois, bei dem er einbricht, die Ueberzeugung
echten Pistolenschuß nicht entgehen läßt. Die Wiedergabe dieser
beibeingt, sie hätten einander nichts vorzuwerfen. Wie gesaßt,
Oper war sauber, bot aber keinerlei auffallende Leistung.
die Pointierung im Casino=Theater ist bei aller Gesinnungs¬
Eher könnte davon die Rede sein bei der Aufführung eines
tüchtigkeit viel zu klobig: singt doch sogar jede der beiden Er¬
gleichsam verwandten Kitsches im Casino=Theater. Heißt unge¬
zellenzen einmal zum Aktschluß sehr unmotiviert, bloß um der
Nämlich die
fähr: „Und wem sie just passieret ...
Ironie willen, „Ueb' immer Treu' und Redlichkeit“. Wichtig ist
alte Geschichte. Ein Lebemann verarmt, entschließt sich zur Ar¬
aber immerhin, daß es als nicht mehr angängig empfunden
beit und wird von seiner Geliebten verlassen. Böse Phrasen
wird, im Theater das Klassenempfinden der Herrschenden zum
werden hier stellenweise mit diskreter Schauspielkunst höchst
achtbar bewältigt. Die „Anpassung“ liegt diesmal nicht nur in Maßstah zu nehmen, sondern daß man sich bemühen muß, ein
den Worten der Geliebten, die dem Manne, als er ihr Treu= bißchen soziale Dialektik walten zu lassen.
Durch die angeflickte Plumpheit wird das Unwahrscheinliche
in diesem Stück zu arg, während es sonst nicht über das hinaus¬
gehen würde, was der Posse erlaubt ist, die ja gleich dem Mär¬
chen keineswegs zur Erbringung des Wahrheitsbeweises ver¬
oflichtet ist. Außer dem polizeiwidrig dummen Polizeikommissar
Bergs belacht man die oft glänzende Leistung von Paul Je¬
nensch als salscher Exzellenz. Zu der abgefeimten Visage kann
man sich sehr wohl die Kluft eines wilhelminischen Generals
oder eines ähnlichen Bonzen denken.
Rudolf Franz.
Setetel box 12/7
Klose & Seidel
Bureau für Zeitungsausschnitte
Berlin NO. 43, Georgenkirchplatz 21
Zeitung:
Die rote Fahse
Ort:
Datum: ##
losigkeit vorwirft, entgegenhält, daß er selber sie als Objekt
seines Vergnügens an ein Genußleben gewöhnt habe und sich
Anpassung.
nun nicht beklagen könne, wenn sie ihn verlasse, um einen andern
die Anpassung liegt auch in dem Hymnus
(In der Volksbühne am Bülowplatz und im Casino¬
auszuplündern, —
des verkracht Lehemannes auf ein neues, arbeitsames Leben.
Theater, nicht weit davon, wirken Sommertheater. Dort als
Der unwahrscheinliche Entschluß, auf einen Kontorbock zu
Oper, hier als Schauspiel und Allerlei. Sozial genommen,
klettern, statt zum Revolver zu greifen, weckt an dieser Stätte
zeigen beide eine gewisse Anpassung an die Seele des an¬
wohnenden Publikums. Eine Note der Anklage erklingt. In
natürlich entschiedenen Beifall.
der Oper Neumanns, nach Schnitzlers „Liebelei“, wird diese
Noch dicker sind die Mittel, mit denen Regie und Bearbei¬
Note allerdings durch die Noten übertönt. Die Musik verwischt
tung ein älteres Stück, „Exzellenz Maxe“ von Bischitzky,
das bißchen Auflehnung, das sich in der tragischen Figur des
für den Geschmack des Casino=Publikums zugestutzt haben,
Stückes schließlich regt, soweit diese Auflehnung aus dem Texte
Genau genommen: nicht für den Geschmack, sondern für die Ge¬
des Schauspiels überhaupt im Libretto geblieben ist. Schnitzler
sinnung: wie denn der augenblickliche Erfolg eines Werkes nie¬
konnte ja nicht umhin, in dem Wiener Mädel, als es am Tuell¬
mals durch seinen künstlerischen Wert, sondern durch das Ver¬
tode des geliebten Kavaliers zerbricht (der sich mit einem be¬
hältnis zwischen seiner Tendenz und seinem Publikum ent¬
trogenen Gatten schießen mußte), zuletzt Bitterkeit und Anklage
schieden wird. Ursprünglich war das Stück viel harmloser, aber
erwachen zu lassen, obschon sich diese Anklage mehr auf das
auch viel weniger klobig gearbeitet. Eine Einbrechersamilie
persönlich erlittene Unrecht stützt als auf die sozialen Unter¬
läßt sich in der Grunewaldvilla einer verreisten Exzellenz nieder,
schiede. Von dem Umstand der Vertonung an sich ganz abge¬
bis der Herrlichkeit schließlich ein Ende gemacht wird. Das
sehen, ist nun obendrein Neumanns Musik nur auf das Senti¬
mentale aus, das doch bei Schnitzler schon nur darum erträglich Casino=Tyeater hat der Sache eine gleichsam aktuelle Spitze zu
geben versucht, indem es die richtige Exzellenz zu einem jener
wirkt, weil es mit stiller Ironie gesalzen wird. Von origineller
großen Diebe machte, die man nicht hängt, während die falsche
Erfindung kann ich in dieser Musik nichts wahrnehmen, dafür
Exzellenz zuletzt abgeführt wird. Also, ungeheuer vergröbert,
fehlt es aber nicht an billigen Essekten, wie dem Orchestervorspiel
die Pointe eines Stückchens von Mirbeau, wo der Dieb dem
zum dritten Akt, das bei der Ausmalung des Duelles sich einen
ehre werten Bourgcois, bei dem er einbricht, die Ueberzeugung
echten Pistolenschuß nicht entgehen läßt. Die Wiedergabe dieser
beibeingt, sie hätten einander nichts vorzuwerfen. Wie gesaßt,
Oper war sauber, bot aber keinerlei auffallende Leistung.
die Pointierung im Casino=Theater ist bei aller Gesinnungs¬
Eher könnte davon die Rede sein bei der Aufführung eines
tüchtigkeit viel zu klobig: singt doch sogar jede der beiden Er¬
gleichsam verwandten Kitsches im Casino=Theater. Heißt unge¬
zellenzen einmal zum Aktschluß sehr unmotiviert, bloß um der
Nämlich die
fähr: „Und wem sie just passieret ...
Ironie willen, „Ueb' immer Treu' und Redlichkeit“. Wichtig ist
alte Geschichte. Ein Lebemann verarmt, entschließt sich zur Ar¬
aber immerhin, daß es als nicht mehr angängig empfunden
beit und wird von seiner Geliebten verlassen. Böse Phrasen
wird, im Theater das Klassenempfinden der Herrschenden zum
werden hier stellenweise mit diskreter Schauspielkunst höchst
achtbar bewältigt. Die „Anpassung“ liegt diesmal nicht nur in Maßstah zu nehmen, sondern daß man sich bemühen muß, ein
den Worten der Geliebten, die dem Manne, als er ihr Treu= bißchen soziale Dialektik walten zu lassen.
Durch die angeflickte Plumpheit wird das Unwahrscheinliche
in diesem Stück zu arg, während es sonst nicht über das hinaus¬
gehen würde, was der Posse erlaubt ist, die ja gleich dem Mär¬
chen keineswegs zur Erbringung des Wahrheitsbeweises ver¬
oflichtet ist. Außer dem polizeiwidrig dummen Polizeikommissar
Bergs belacht man die oft glänzende Leistung von Paul Je¬
nensch als salscher Exzellenz. Zu der abgefeimten Visage kann
man sich sehr wohl die Kluft eines wilhelminischen Generals
oder eines ähnlichen Bonzen denken.
Rudolf Franz.