Liebelei
box 12/8
eeenteterrerete eten tereen
Klose & Seidel
Bureau für Zeitung seusschunte
Berlin NO. 43, Georgenkischplatz 21
Weser
#
Zeitung:
Dig.
Ort:
Aehie
Datum:
A
#E
13. 00N 192)
„Bremer Schauspielhaus.
Schnitzler=Abend.
Von Schnitzlers Werken wird neben seinen kleinen Novellen
wohl nür noch das Schauspiel von der Liebelei auch in zwanzig
Jahren noch erträglich sein, denn hier treibt er nicht nur ein
unterhaltsames Spiel mit geistreichen Worten, sondern rückt
auch ein volles Stück Menschenleben vor uns hin. Zwar be¬
schreibt er auch hier mehr, als daß er gestaltet, zwar kommt er
auch hier ins eigentlich Dramatische hinein, aber es steht
eine sehr feine Kunst der Beseelung hinter diesen gewöhnlichen,
schlichten Geschehnissen, denen zum großen Drama nichts anderes
fehlt als das Wichtigste, die Blutwärme des Dichters Doch:
Er ist durchaus Wiener, ein Mann mit einer süßen Wehmut,
einem heiteren Lebensüberdruß, einem spielerischen Ernst, einer
schwermütigen Lustigkeit. Man denkt bei ihm immer an den
Backfisch, der sich nach einem großen Weltschmerz sehnt und
Prallinees, hört auf seine gescheiten Worte mit wohl temperier¬
ten Gefühlen und sieht mit lauer Lust der Entwickelung der
Dinge zu, die sich letzten Endes in eine ganz windschiefe Psycho¬
logie verläuft. Unter Ludwig Bargs Regie gab sich alles sehr
natürlich, sehr fein, etwas parfümiert, wie es zu Schnitzler ge¬
hört, und etwas getragen ohne den Ernst der Sache allzusehr zu
betonen. Martha Schild hob die in dem einfältig guten Herzen
der Christine ruhenden Schätze tief erfühlt, war aber doch ein
bißchen zu völlig in ihren Formen für ein so armes Hascherl.
Paul Mährdel als der andere Anatol, hier Fritz geheißen, war
ein lieber Junge voll getragener Melodie. Ludwig Barg gab
dem getreuen Theodor die seelenlose Würde des halbseidenen
Gent, Gertrud Wagner war ein prachtvoll lebendiger Mensch
alt süße Mizi. Den Musikus hüllte Julius Donat in eitel
Menschlichkeit und Güte. Neben ihm standen Gertrud Wagner
als Katharine und Max Schmack als der einzige Kerl im Stück
auf festen Füßen sicher im Kreis. — Der voraufgehenden Kom¬
tesse Mizzi fehlte für mein Gefühl die vornehme Ruhe, der er¬
sterbende Hauch des Verwesenden. Eine Erfüllung war nur
Paula Wirth, und sie stand so lebendig im Rahmen, daß man
die anderen vergaß.
K. .
Klose & Seidel
Bureau für Zeiung sausschnitte
Ber ln NO. 43, Georgerkischplatz 21
Nachrichten
Zeitung:
Ort:
Bremen.)
Datum: A#un
IN
Bremer Schauspielhaus. Komtesse Mizzi. Liebelei.
Von Artonr Schnitzler. Arthur Schnitzler ist der
gewandteste und kultivierteste Bühnenvertreter des im süßen
Nichtstun nur dem Genuß hingegebenen Wiener Phäaken¬
tuyks. Seine skeptische Resignation hat einen aus be¬
quemer Selbstnachsicht und doch leicht ironischer Bitterkeit
gemischten Nachgeschmack. Was für diese ganze schon halb¬
orientalische Wiener Süße=Mädel=Lebenskunst charakte¬
ristisch ist, das ist natürlich nicht die fehlende Philister¬
moral, sondern das Fehlen jeder tieferen Stellungnahme
zum wirklichen Leben und seinem Inhalt, und der Mangel
an jeder Willenskraft, sei es zum Guten oder Bösen,
überhaupt. Man vergleiche die beiden Hauptvertreter
dieser, dem deutschen Verpflichtungsgefühl dem Leben
gegenüber so ganz fremden und so ganz in verantwor¬
tungslosem Sichtreibenlassen schwelgenden Wiener Rich¬
tung, Schnitzler und Schönher (Hofmannsthal und Beer¬
Hofmann ergänzen sie vortrefflich), so findet man überall
denselben Grundzug der ethischen Empfindungslosigkeit;
es fehlt ihnen eben das Organ dafür. Schönher als roher,
handfester Theatraliker, und Schnitzler als müde blasierter,
feinfühliger, liebenswürdiger Salonplauderer beide sind
wahrlich nicht geeignet, um den vielbesprochenen und
vielberufenen Aufbau der deutschen Volksseele zu unter¬
stützen.
Nun ist ja Schnitzlers Liebelei zweifellos sein
bestes Werk. Es bleibt im kleinen Rahmen, aber es dehnt
sich doch so weit, daß es dem herz= und kopflosen süßen,
kleinen Mädel, der Mizi Schlager, die ernstere, warm¬
blütige, tiefer empfindende Christine gegenüberstellt und
sogar dem „Helden die Todesangst als natürliche Reak¬
tion seines Wesens mit auf den Weg gibt. Jedenfalls ist
die Feinheit der Charakterzeichnung und die schwere
Melancholie der Stimmung von Schnitzler sonst nirgends
wieder erreicht. Und die Aufführung dieses Stückes, in
der Martha Schild die Christine, Gertrud Wagner die
Mizi, Paul Mährdel den Fritz und Ludwig Barg den
Theodor gaben, ließ keinen Wunsch nach Feinheit und
Gedämpftheit der Stimmung offen. Diese Feinheit fehlte
der Aufführung der Komtesse Mizzi, die der
Liebelei voraufging, merrwürdigerweise ganz. Das liegt
zunächst an dem oberflächlicher gearbeiteten Akt selber,
aber offenbar war auch die Besetzung nicht überall aus¬
reichend. Der feine Schliff der Schnitzlerschen Dialoge
kam nicht zur Geltung. So hatte die Liebelei manches
auszugleichen. Und das tat sie. Jedenfalls war der Bei¬
fall am Schluß stark und aufrichtig.
H.
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13. 00N 192)
„Bremer Schauspielhaus.
Schnitzler=Abend.
Von Schnitzlers Werken wird neben seinen kleinen Novellen
wohl nür noch das Schauspiel von der Liebelei auch in zwanzig
Jahren noch erträglich sein, denn hier treibt er nicht nur ein
unterhaltsames Spiel mit geistreichen Worten, sondern rückt
auch ein volles Stück Menschenleben vor uns hin. Zwar be¬
schreibt er auch hier mehr, als daß er gestaltet, zwar kommt er
auch hier ins eigentlich Dramatische hinein, aber es steht
eine sehr feine Kunst der Beseelung hinter diesen gewöhnlichen,
schlichten Geschehnissen, denen zum großen Drama nichts anderes
fehlt als das Wichtigste, die Blutwärme des Dichters Doch:
Er ist durchaus Wiener, ein Mann mit einer süßen Wehmut,
einem heiteren Lebensüberdruß, einem spielerischen Ernst, einer
schwermütigen Lustigkeit. Man denkt bei ihm immer an den
Backfisch, der sich nach einem großen Weltschmerz sehnt und
Prallinees, hört auf seine gescheiten Worte mit wohl temperier¬
ten Gefühlen und sieht mit lauer Lust der Entwickelung der
Dinge zu, die sich letzten Endes in eine ganz windschiefe Psycho¬
logie verläuft. Unter Ludwig Bargs Regie gab sich alles sehr
natürlich, sehr fein, etwas parfümiert, wie es zu Schnitzler ge¬
hört, und etwas getragen ohne den Ernst der Sache allzusehr zu
betonen. Martha Schild hob die in dem einfältig guten Herzen
der Christine ruhenden Schätze tief erfühlt, war aber doch ein
bißchen zu völlig in ihren Formen für ein so armes Hascherl.
Paul Mährdel als der andere Anatol, hier Fritz geheißen, war
ein lieber Junge voll getragener Melodie. Ludwig Barg gab
dem getreuen Theodor die seelenlose Würde des halbseidenen
Gent, Gertrud Wagner war ein prachtvoll lebendiger Mensch
alt süße Mizi. Den Musikus hüllte Julius Donat in eitel
Menschlichkeit und Güte. Neben ihm standen Gertrud Wagner
als Katharine und Max Schmack als der einzige Kerl im Stück
auf festen Füßen sicher im Kreis. — Der voraufgehenden Kom¬
tesse Mizzi fehlte für mein Gefühl die vornehme Ruhe, der er¬
sterbende Hauch des Verwesenden. Eine Erfüllung war nur
Paula Wirth, und sie stand so lebendig im Rahmen, daß man
die anderen vergaß.
K. .
Klose & Seidel
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Ber ln NO. 43, Georgerkischplatz 21
Nachrichten
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Ort:
Bremen.)
Datum: A#un
IN
Bremer Schauspielhaus. Komtesse Mizzi. Liebelei.
Von Artonr Schnitzler. Arthur Schnitzler ist der
gewandteste und kultivierteste Bühnenvertreter des im süßen
Nichtstun nur dem Genuß hingegebenen Wiener Phäaken¬
tuyks. Seine skeptische Resignation hat einen aus be¬
quemer Selbstnachsicht und doch leicht ironischer Bitterkeit
gemischten Nachgeschmack. Was für diese ganze schon halb¬
orientalische Wiener Süße=Mädel=Lebenskunst charakte¬
ristisch ist, das ist natürlich nicht die fehlende Philister¬
moral, sondern das Fehlen jeder tieferen Stellungnahme
zum wirklichen Leben und seinem Inhalt, und der Mangel
an jeder Willenskraft, sei es zum Guten oder Bösen,
überhaupt. Man vergleiche die beiden Hauptvertreter
dieser, dem deutschen Verpflichtungsgefühl dem Leben
gegenüber so ganz fremden und so ganz in verantwor¬
tungslosem Sichtreibenlassen schwelgenden Wiener Rich¬
tung, Schnitzler und Schönher (Hofmannsthal und Beer¬
Hofmann ergänzen sie vortrefflich), so findet man überall
denselben Grundzug der ethischen Empfindungslosigkeit;
es fehlt ihnen eben das Organ dafür. Schönher als roher,
handfester Theatraliker, und Schnitzler als müde blasierter,
feinfühliger, liebenswürdiger Salonplauderer beide sind
wahrlich nicht geeignet, um den vielbesprochenen und
vielberufenen Aufbau der deutschen Volksseele zu unter¬
stützen.
Nun ist ja Schnitzlers Liebelei zweifellos sein
bestes Werk. Es bleibt im kleinen Rahmen, aber es dehnt
sich doch so weit, daß es dem herz= und kopflosen süßen,
kleinen Mädel, der Mizi Schlager, die ernstere, warm¬
blütige, tiefer empfindende Christine gegenüberstellt und
sogar dem „Helden die Todesangst als natürliche Reak¬
tion seines Wesens mit auf den Weg gibt. Jedenfalls ist
die Feinheit der Charakterzeichnung und die schwere
Melancholie der Stimmung von Schnitzler sonst nirgends
wieder erreicht. Und die Aufführung dieses Stückes, in
der Martha Schild die Christine, Gertrud Wagner die
Mizi, Paul Mährdel den Fritz und Ludwig Barg den
Theodor gaben, ließ keinen Wunsch nach Feinheit und
Gedämpftheit der Stimmung offen. Diese Feinheit fehlte
der Aufführung der Komtesse Mizzi, die der
Liebelei voraufging, merrwürdigerweise ganz. Das liegt
zunächst an dem oberflächlicher gearbeiteten Akt selber,
aber offenbar war auch die Besetzung nicht überall aus¬
reichend. Der feine Schliff der Schnitzlerschen Dialoge
kam nicht zur Geltung. So hatte die Liebelei manches
auszugleichen. Und das tat sie. Jedenfalls war der Bei¬
fall am Schluß stark und aufrichtig.
H.