II, Theaterstücke 5, Liebelei. Schauspiel in drei Akten, Seite 1396

Liebelei
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Klose & Seidel
Bureau für Zeitungsausschnitte
Berlin NO. 43, Georgenkirchplatz 21
Zeitung: Kölnische Zeitung %9
Ort:
Datum: 10
Liebelei.
Köln. Das neue Theater am Frieseyplatz, das nunmehr
auch ältere wertvolle Bühnenstücke seinem Spielplan einfügt, begann
gestern die neue Reihe mit Schnitzlers Liebelei, das kypisch ist für das
gesellschaftliche und literarische Wien der Vorkriegszeit in Stimmung und
Lebensauffassung und also wie geschichtliche Erinnerung anmutet.
Schnitzler ist der Dichter der weichen und ein wenig müden Eleganz und
Grazie aus im wesentlichen unernster, spielerischer Seelenverfassung,
die tiefen und ernsten Fragen mit lächelndem Wort und leifer Geste aus
dem Wege gleitet. Auf diese fein abschattierte Stimmung, die nichts
Lautes und Gewaltsames an sich hat, auf sozusagen seelische Genießerei
muß eine Aufführung von Schnitzler eingestellt sein, das Spielerische muß
betont werden, ohne der Geschliffenheit des Dialogs zu schaden, Schicksal
darf kein Sturmwüten in Gedanken und Gefühlen, sondern muß ein
stummes Hinwegwischen von der Lebenstafel sein. Die Aufführung unter
Tralows Leitung erfüllte höhere Ansprüche und ließ erkennen, auf welchem
Gebiete — dem großen Drama werden vorläufig natürliche Grenzen ge¬
zogen sein — dem neuen Theater Erfolge beschieden sein können. Das
Zusammenspiel war ausgeglichen, und wenn es auch mit der öster¬
reichischen Mundart haperte, ergab sich dennoch der charakteristische weiche
Klang des besondern Wiener Milieus. Der Hintergrund der Szene
war stilisiert und die Stimmung jedes Aktes durch Verschiedenheit warmer
Farbtöne ausgedrückt und unterschieden. Die Ausstattung ergänzte den
Eindruck des Freundlichen und Heimeligen. Die Darstellung verkörperte
stilgemäß gedämpfte Heiterkeit und Wehmut; Hans Brockmann und
Heinz Burkart als Fritz und Theodor wie Charlotte Landen und Olga
Reinecke als Christine und Mizi trafen gut den Ton der unter sich ver¬
schieden gearteten und doch in einem Grundton zusammenklingenden
Typen des Wienertums einer bestimmten Welt, nur wirkte das über¬
mütige Lachen der letztern stellenweise gezwungen und nicht ganz echt,
wie auch die Stimme der Frau Binder von Aliee Wenglor durch eine
gewisse Schärfe aus dem Rahmen fiel. Walter Gembs ist noch an¬
erkennend als Weiring zu nennen. Die Aufführung, der eine kluge
Einführung von Dr. Bourfeind voraufging, wurde sehr dankbar auf
genommen.
H. Sarnetzki.
Klose & Seidel
Bureau für Zeitungsausschnitte
Berlin NO. 43, Georgenkirchplat 21
Ageblali.
Zeitung:
Köln
Ort:
SEPUT
Datum: —
Theater am Friesenplatz
„Liebelei“
Zu allererst war sie im Leden, die Liedelet, dinn kau sie,
von ArthurSchnitzler behegt, mit wienerischem Charme und
wienerischem Geplausch auf das Theater, dann gertet sie, ein###
keß aufgemacht, in den Film, schließlich landet sie wieder auf dem
Theater: ein circulus amorosus, Schnitzier ist schon beinahr eine
literarhistorische Angelegenheit: diese Menschen, die wienerischen
Gents, die so elegant zwischen Walzertakten, graziöser Erotik,
üppiger Sentimentalität und verführerischem Phlegma einhergondeln,
diese Menschen vom Anatol=Typ, sind heute nicht mehr sehr zei¬
gemäß. Man spielt Schnitzler demnach als eine Reminifzenz, und
seine Komödte von der „Liebelet“ ist nun doch eine seiner besten
und stimmungsreichsten, weil in ihr neben diesem Etwas von Sphäre,
neben der vom wienerischem Geblüt nun einmal nicht zu trennen¬
den mnerlichen Leichtfertigkeit sootel wahre und tiefe Menschlich¬
keit verschlossen liegt.
Und dieses Etwas von Sphäre, von Stimmung kam in der
von Johannes Tralow regtekünstlerisch besorgten Aufführung
gestern abend vorzüglich heraus. Wie nur der Vorhang aufgeht,
flutet diese eigene Mischung Wien einem entgegen wie ein zartes,
delikates Parfüm, jener Zusammenklang von fataltstisch müder Simn¬
lichkeit und süßer Walzersentimentalität, von aufanchzender be¬
benslust, von weichen Nerven und jener charmanten Frivolität,
die Wien mit Paris gemein hat. Die Szenenbilder hatten Stil
und Charakter. In den schauspielerischen Einzelleistungen sah man
viel Anerkennenswertes, das Ensemble ist schon reiner und intier
auf den Zusammenklang eingestimmt. Charlotte Landen ist die
Christel: das bescheidene, kleine Mädel vom Stamme derer, die
nur einmal lieben und die an ihrer Liebe zerbrechen. Alles Ver¬
haltene, Duftige, geheim Innige dieses liebwertesten aller Mädels,
die Schnitzler gedichtet hat, ward Wort und Blick und Gebärde;
sie wandelt durch diese Szenen: leidvoll in ihrer Schlichtheit, rührend
in ihrer Einsamkeit, ein leicht ins Wienerische gewandelter Gretchen¬
typ,
ihrer schmerzhaften,
holdseligen Wirklichkeit
ein Abbild des ewigen Weibschicksals. Brockmann ist der echte
Wiener Dandy: leichtsinnig und fesch, mit viel Phlegma und viel
Dekadenz. Er weiß in seiner Herzensangst, in seinem haitlosen
Liebeln, in seiner tiefen Schuld zu rütteln und zu packen: in dieser
Figur ist edle Beherrschtheit und doch dies zerflatternd Traum¬
hafte, das dem Schnitzlertyp eignet. Walter Gembs gibt dem
alten, vom Dichter so quellend lebendig erschauten Musiker das
Herz des liebenden, leidenden Vaters. Ein frisches Wiener Madel,
Blut und Temperament, stellt Doris Kiesow auf die Szene: Bur¬
kart als der junge skrupellose Dort ist aufgeräumt nad voll
rescher Lust, gibt aber auch den ernsten Szenen Haltuag und
Würde. In kleineren Aufgaben waren Alice Wenglor und
v. Fielitz wohl am Platze. Sie haben alle nicht ganz echt wie¬
nerisch „parliert“ aber die Dialektfreiheit stört das einprägsame Zu¬
sammenspiel nicht allzu stark.
Das Haus war ausverkaufk und stand unter Bann der ei
drucksreichen Aufführung. Zu Beginn hatte Dr. Bourfeind
eine gehaltvolle Einführung in das Werk und seinen Dichter ge¬
sprochen.